Elektronischer Geschäftsverkehr
Recht & Verwaltung14 Mai, 2024

Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr

von Privatdozent Dr. Martin Fries, LL.M. (Stanford)*

Beim Kauf von Waren im Online-Handel nimmt man traditionell an, dass ein Vertrag nicht schon mit der Aufgabe der Bestellung, sondern erst einige Zeit später und frühestens mit der Auftragsbestätigung des Verkäufers zustande kommt. Für Verkäufer ist das bequem, weil sie einigermaßen bedenkenlos Artikel ins digitale Schaufenster stellen und nach erfolgter Bestellung noch einmal prüfen können, ob die Ware tatsächlich verfügbar ist und ob sie sie zum angezeigten Preis verkaufen möchten. Entscheiden sie sich dagegen, kommt das für Kunden allerdings mitunter ziemlich überraschend. Insofern lohnt sich ein genauerer Blick: Kommt ein Kaufvertrag womöglich doch schon mit dem Bestellklick zustande?

I. Hintergrund

Der Vertragsschluss im stationären Handel fehlt in kaum einem Lehrbuch zum Allgemeinen Teil des BGB. Fast unstreitig stellt die Warenpräsentation im Schaufenster oder Regal nur eine invitatio ad offerendum dar; das Angebot formuliert der Kunde erst später durch Vorlage der Waren an der Kasse, und die Annahme erkennt man im Einscannen der Ware oder im Abnicken oder Durchwinken durch den Verkäufer oder dessen Angestellte.Der Warenkauf im E-Commerce findet in vielerlei Hinsicht parallel statt: Auch hier gibt es zunächst die Präsentation der Waren, auch hier legen die Kunden ausgewählte Artikel in ihren Warenkorb, und auch hier übermitteln sie einen Kaufwunsch an den Anbieter und erhalten von dort eine Reaktion. Und doch stellt sich die Frage, ob kleine Abweichungen in der Gestaltung des Einkaufprozesses womöglich eine andere Interpretation des Käufer- und Verkäuferverhaltens nahelegen.

Dieser Beitrag beleuchtet zunächst das klassische Verständnis vom Vertragsschluss im Internethandel (II.), skizziert anschließend Schwierigkeiten, die aus diesem Verständnis in der Rechtspraxis erwachsen (III.) und erörtert sodann auf dieser Grundlage, unter welchen Rahmenbedingungen in modernen Webshops womöglich schon mit der Willenserklärung des Kunden ein Kaufvertrag zustande kommen kann (IV.). Der Beitrag schließt mit einem Blick auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf im europäischen Verbrauchervertragsrecht (V.).

II. Klassisches Verständnis: Vertragsschluss durch Bestellung und Bestätigung

Im Verlauf eines Online-Bestellprozesses gibt es eine Reihe von typischerweise aufeinander folgenden Schritten, die sich als Anknüpfungspunkt für den Vertragsschluss heranziehen lassen. Dabei ist die Willenserklärung des Kunden zumindest bei einem Verbrauchervertrag spätestens seit Einführung des § 312j Abs. 2 BGB auf den Klick des Bestellbuttons festgelegt. Demgegenüber kommt für die Willenserklärung des Verkäufers eine Reihe von verschiedenen Anknüpfungspunkten in Betracht. 

1. Präsentation im digitalen Schaufenster
Das zeitlich erste Verhalten des Verkäufers, das man theoretisch schon als Kaufangebot verstehen könnte, ist das Einstellen einer Warenbeschreibung auf einer Handelsplattform oder in einen Webshop. In der Parallelsituation im stationären Handel lehnt man die Deutung dieses Verhaltens als bindendes Angebot insbesondere mit dem Argument ab, dass womöglich mehrere Kunden darauf reagieren und den Lagerbestand des Verkäufers überfordern könnten, was ersichtlich nicht der Wille des Verkäufers ist.2

Im Hinblick auf Webshops wäre eine abweichende Beurteilung grundsätzlich denkbar, weil der Anbieter sein digitales Schaufenster theoretisch so gestalten könnte, dass Waren entsprechend ihrem Lagerbestand nur einer begrenzten Zahl von Kunden gleichzeitig angezeigt werden. Gegen dieses Verständnis spricht aber, dass mit dem Blick ins digitale Schaufenster noch keine Verfügbarkeitserwartung der Kunden verbunden ist; vielmehr dürfte die typische Kundin davon ausgehen, dass der Betreiber eines Webshops sämtliche Artikel präsentiert, die er grundsätzlich im Programm hat. Es bleibt daher bis hier bei der Parallelität von stationärem und elektronischem Handel: Die Schaufensterauslage stellt hier wie dort kein Angebot ad incertas personas, sondern lediglich eine nicht-bindende invitatio ad offerendum dar.

2. Freigabe der Ware für den virtuellen Warenkorb
Der zweite Schritt auf dem Weg zur Bestellung besteht darin, dass der Verkäufer nunmehr einem konkreten Kunden ermöglicht, eine bestimmte Ware in einen virtuellen Warenkorb zu verschieben oder in ähnlicher Weise einen konkreten Bestellprozess zu starten. Ohne technische Schwierigkeiten ließe sich ein solches Angebot auf 10 oder 15 Minuten zeitlich begrenzen,um das Interesse des Unternehmers zu berücksichtigen, die Kaufsache nicht unangemessen lang für einen Kaufinteressenten vorzuhalten, sondern sie nach einiger Zeit dem nächsten Interessenten anbieten zu können.

Ein Vergleich mit einer Parallelsituation im stationären Handel fällt an dieser Stelle schwer, weil sich die Ware im stationären Handel ohne Zugriffsschutz frei in der Auslage befindet;
es gibt damit zumindest im Regelfall keine Entscheidung des Verkäufers, die Ware für einen bestimmten Kunden in den Verkaufsprozess zu geben. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum die Freigabe der Ware für den virtuellen Warenkorb in Literatur und Rechtsprechung nirgends als Willenserklärung des Verkäufers gedeutet wird. Nicht ausgeschlossen erscheint freilich, dass die Kundenerwartung heute dahin geht, dass der Vertragsschluss nur noch vom eigenen Tun abhängt, sobald man den Kaufartikel in den digitalen Warenkorb verschoben hat. Das wäre aus der Warte des objektiven Empfängerhorizonts gleichbedeutend mit einem unbedingten Verpflichtungswillen des Verkäufers im Moment
der Freigabe eines Artikels für den Warenkorb.

3. Freigabe des Bestell-Buttons
Für den nächsten denkbaren Anknüpfungspunkt, die Freigabe des Bestell-Buttons durch den Verkäufer, gelten im Ausgangspunkt ähnliche Überlegungen. Hier gab es immerhin vor
20 Jahren eine rechtswissenschaftliche Diskussion darüber, ob die nunmehr in § 312i Abs. 2 BGB gesetzlich vorgesehene Zusammenfassung aller wesentlichen Inhalte des sich anbahnenden Vertrages einschließlich der Möglichkeit, die Bestellung nun per Klick auszuführen, aus der Kundenwarte als bindendes Angebot zu verstehen sein könnte.4 Allerdings haben sich Rechtsprechung und Literatur bisher auch hier dagegen entschieden, das Verkäuferverhalten als verbindliches Angebot auszulegen. Solange die Ware nicht zum »Sofort-Kauf« angeboten werde,5 sei für die Kunden ersichtlich, dass der Verkäufer nach Aufgabe der Bestellung zunächst die Gelegenheit haben müsse, seinen Lagerbestand zu prüfen und sich der Bonität seines Gegenübers zu vergewissern.6 Aus dieser Perspektive ist es dann der Kunde, der per Buttonklick ein Angebot abgibt, und die Annahme ist in der nachlaufenden Kommunikation des Verkäufers zu suchen.7

4. Bestellbestätigung
Die erste Nachricht des Verkäufers nach dem Buttonklick des Kunden ist üblicherweise die in § 312i Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB verpflichtend vorgesehene Bestätigung des Zugangs der Bestellung. Wie diese Mitteilung aus der Warte eines Kunden zu verstehen ist, lässt sich unterschiedlich beurteilen. Insbesondere bei Verbraucherkunden erscheint es durchaus denkbar, dass diese aus der Bestellbestätigung ableiten, dass ihr Auftrag nun bearbeitet werde und dass damit das Ob einer vertraglichen Verpflichtung spätestens jetzt nicht mehr ernsthaft in Frage steht.

Nicht wenige betrachten demgegenüber weniger den Erwartungshorizont des Kunden, sondern vielmehr den unzweifelhaft ähnlich wichtigen Wortlaut der versendeten Mitteilung.
Und danach bestätigt eine Bestell-Bestätigung im Unterschied zur Vertragsbestätigung i.S.v. § 312f Abs. 2 BGB eben nur den Zugang einer (einseitigen) Bestellung, nicht aber das Zustandekommen eines Vertrags.8 Daraus folgt im Gegenschluss zwar nicht, dass ein Vertrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschlossen sein kann, aber es erscheint tatsächlich zweifelhaft, die Nachricht regelhaft als Vertragserklärung des Verkäufers zu interpretieren.

5. Auftragsbestätigung
So ist es dann nach vorherrschender Lesart die häufig mit einigem Zeitversatz zur Bestellung verschickte Auftragsbestätigung, mit der sich der Verkäufer für den Vertragsschluss entscheidet.9 Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Verkäufer frei, das Angebot des Käufers anzunehmen oder abzulehnen. Bei begrenztem Warenvorrat kann er sich auch für das zeitlich spätere Angebot eines zweiten Kaufinteressenten entscheiden.

Spätestens hier weicht die Situation des Online-Käufers deutlich von derjenigen des Kunden im stationären Handel ab: Während der eine bis zum Ablauf der Angebotsbindungsfrist nach § 147 Abs. 2 BGB über das Zustandekommen des Kaufs im Ungewissen ist, weiß der andere unmittelbar nach Vorlage der Waren an der Kasse, ob das Geschäft zustande kommt. Der Grund für diese Schlechterstellung des Online-Kunden liegt nicht etwa in der Technik, die einen schnellen Vertragsschluss durchaus ermöglichen würde, sondern schlichtweg darin, dass man dem Verkäufer im E-Commerce eine Überlegungsfrist einräumen möchte, innerhalb derer er sich der Verfügbarkeit der Ware (Verfügbarkeitsargument) und der Bonität des potenziellen Käufers (Bonitätsargument) vergewissern kann.10

III. Rechtstatsachen

Die Interpretation der Äußerungen des Verkäufers im Sinne eines erkennbar erst bei der Auftragsbestätigung bestehenden Vertragswillens hat sich in Zeiten etabliert, als der E-Commerce für viele Händler nicht Haupteinnahmequelle, sondern Experimentierfeld war und als die technischen Möglichkeiten der Synchronisation von Lagerbestand und Online-Angebot einerseits und von Vertragsschluss und Zahlungsvorgang andererseits noch in ihren Kinderschuhen standen. Mit dem Beginn des Internets der Dinge werden Lagermanagement und Zahlungsprozesse indessen mehr und mehr in den Online-Kauf integriert.

1. Prüfung der Warenverfügbarkeit
Die Lagerhaltung von E-Commerce-Anbietern hat sich im Laufe der vergangenen Jahre immer weiter digitalisiert. Regelmäßig sind die Artikel spezifisch codiert, werden am Lagereingang und Lagerausgang gescannt und sind damit individuell verfolgbar. Aber auch ohne diese Individualisierung werden Warenbestände mit Zu- und Abgängen längst in modernen Kassen- und Warenbestandssystemen erfasst. Diese zunächst anbieterinternen Daten lassen sich ohne technische Schwierigkeiten für Kunden aufbereiten, und die Verkäufer machen davon bereits häufig Gebrauch.

Die Warendarstellung in Webshops und auf Handelsplattformen enthält heute bereits vielfach einen Hinweis darauf, ob die Ware aktuell lieferbar ist. Teilweise sind die Artikel als »sofort verfügbar«, als »sofort lieferbar« oder als »versandfertig in X Tagen« ausgezeichnet, teilweise werden sogar das Lieferdatum oder die Zahl der noch am Lager gehaltenen Artikel genau benannt.11 Bisweilen geben Händler oder Plattformen auch einen konkreten Liefertermin oder zumindest eine Lieferzeitspanne an. Damit kann bei den Kunden dann allerdings auch der Eindruck entstehen, zumindest im Hinblick auf die Verfügbarkeit der Ware benötige der Verkäufer keine Bedenkzeit mehr und habe keine Vorbehalte mehr gegenüber einem Vertragsschluss.

2. Prüfung der Bonität des Kunden
Neben der Verfügbarkeitsprüfung verlagert sich auch die Bonitätsprüfung zunehmend in den Warenbestellprozess hinein. Verkäufer bitten ihre Kunden bereits vor dem Abschluss des Bestellvorgangs, ihre Zahlungsdaten zu hinterlegen. Anschließend prüfen sie diese Daten auf Plausibilität oder lassen sich teilweise sogar – insbesondere bei Kreditkarten und modernen Zahlungsdienstleistern wie Apple Pay oder PayPal – die Zahlung bereits vom Kunden freigeben, bevor sie überhaupt den Bestellbutton freischalten. Damit ist die Bonitätsprüfung schon vor der Warenbestellung erledigt.

Alternativ zum E-Payment gibt es bei einigen Versandhäusern nach wie vor den Kauf auf Rechnung, den Ratenkauf oder sogar den Kauf auf Probe nach §§ 454 f. BGB. Hier sichert sich der Verkäufer vor dem Abschluss der Bestellung noch nicht die Zahlung als solche, aber es erfolgt in der Regel eine automatische Bonitätsprüfung bei einer darauf spezialisierten Auskunftei. Auch hier verbleibt dem Verkäufer insofern bereits im Moment der Bestellaufgabe nur noch ein geringes Risiko des Zahlungsausfalls. Infolgedessen nimmt der Verkäufer im Zeitraum zwischen dem Klick des Bestellbuttons und dem Versand der Ware natürlich auch keine weitere Bonitätsprüfung mehr vor.

3. Zwischenergebnis
Der Blick auf die Rechtstatsachen des modernen Online-Handels zeigt, dass Verkäufer heute im Moment der Aufgabe der Bestellung durch ihre Kunden deren Bonität vergleichsweise gut einschätzen und die Verfügbarkeit der vermarkteten Ware kennen können. Damit schwindet die Überzeugungskraft des zur Begründung eines späten Vertragsschlusses herangezogenen Verfügbarkeits- und Bonitätsarguments. Die Frage ist allenfalls noch, inwieweit diese Überlegungen die klassische Interpretation der Äußerungen des Verkäufers beeinflussen.

IV. Auslegung der Äußerungen des Verkäufers

Traditionell liest man erst aus der Auftragsbestätigung des Verkäufers einen Willen zum Abschluss eines Kaufvertrags heraus.12 Womöglich führt aber der erkennbar geschwundene Verfügbarkeits- und Bonitätsprüfungsbedarf des Verkäufers dazu, dass nach dem objektiven Empfängerhorizont der Kunden bereits eine frühere Äußerung des Verkäufers als Vertragserklärung zu verstehen ist. In Betracht kommt, vielleicht schon die Freigabe der Ware für den virtuellen Warenkorb, jedenfalls aber die Freigabe des Bestellbuttons als Angebot des Händlers zum Abschluss eines Kaufvertrags anzusehen.

1. Neuer technischer Standard
Ob die Freigabe des Bestellbuttons ein Angebot darstellt, beurteilt sich gem. §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont. Dabei darf man einer typischen Kundin unterstellen, dass sie auch als Verbraucherin ungefähr ermessen kann, welche technischen Möglichkeiten Anbieter heute haben, um einerseits Warenbestand und Webshopangebot zu synchronisieren und andererseits die Kundenbonität zu sichern. Womöglich wissen sie auch, dass sich Verkäufer bei nicht nachorderbaren Artikeln durch den Einsatz technischer Sperren gegen einen Überverkauf wappnen können; eine weitere Überlegungs- bzw. Prüfungsfrist ist für sie unnötig. Daraus ergibt sich aus Kundenperspektive das Bild eines Verkäufers, der kaum ein schützenswertes Interesse mehr hat, seinen Verpflichtungswillen über die Bestellsituation hinaus zu verzögern, und von dem man daher erwarten kann, sich bereits mit der Freigabe des Artikels für den virtuellen Warenkorb bzw. spätestens mit der Freigabe des Bestellbuttons vertraglich binden zu wollen.

2. Beschriftung des Bestellbuttons
Zusätzliche Bekräftigung erfährt dieses Verständnis regelmäßig durch die Beschriftung des in § 312j Abs. 3 BGB geregelten Bestellbuttons. Der europäische Gesetzgeber möchte den
Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwar eigentlich den Mitgliedstaaten überlassen,13 schlägt dann aber doch einen Button vor, der die sofortige Eingehung einer Zahlungspflicht suggeriert (»zahlungspflichtig bestellen«).14 In der Praxis finden sich auch anders beschriftete Schaltflächen – etwa mit den Wörtern »Jetzt kaufen« oder »Kauf abschließen« –, die aber ebenso den Eindruck erwecken, unmittelbar mit dem Buttonklick komme bereits ein Vertrag zustande. Bei Einbindung externer Zahlungsdienstleister in den Bestellvorgang findet sich die Schaltfläche zuweilen erst auf deren Seiten am Ende des Zahlungsvorgangs.15 Eine unbefangene Kundin wird hier regelmäßig davon ausgehen, dass das Geschäft spätestens jetzt in trockenen Tüchern ist.

3. Zeitpunkt der Kaufpreisabbuchung
Auch der damit verbundene Zeitpunkt der Abbuchung des Kaufpreises spricht aus Verbraucherperspektive häufig für einen Vertragsschluss im Moment des Buttonklicks. Denn
bei modernen Webshops wird mit dem Klick auf den Bestellbutton entweder die Zahlung anhand der zuvor eingegebenen Zahlungsdienstdaten unmittelbar ausgelöst oder aber
der Kunde wird umgehend zu einem Zahlungsdienstleister umgeleitet. Im Falle eines Fehlschlags der Zahlung wird die Bestellung zuweilen sogar sogleich automatisch wieder storniert.16 Aus der Warte des objektiven Empfängerhorizonts wäre es sehr überraschend anzunehmen, dass Kunden routinemäßig Zahlungen auf noch nicht abgeschlossene Verträge erbringen und bei Scheitern des Vertragsschlusses dann auf einen Bereicherungsanspruch einschließlich der für sie damit verbundenen Beweislast und auf die Suche nach einer neuen Kaufgelegenheit angewiesen sein sollen.

4. Einzelfallentscheidung
Der Blick auf das für Verkäufer technisch Mögliche, auf die Beschriftung der Bestellbuttons und auf das Prozedere der Zahlungsabwicklung zeigt, dass die besseren Argumente inzwischen dafür sprechen, spätestens in der Bereitstellung des Bestellbuttons ein Angebot des Verkäufers und in dem Klick auf den Button sodann eine Annahme des Käufers zu sehen. Einzelne Stimmen in der Literatur haben für diese Bewertung bereits in der Vergangenheit eine Türe offengelassen;17 neu ist aber, dass dieser »frühe« Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr inzwischen die Regel und nicht mehr die Ausnahme darstellen dürfte. Verbraucher dürfen nicht nur auf großen Plattformen oder bei einer grünen »LagerAmpel«, sondern bei Webshops generell darauf vertrauen, dass sie mit dem Bestellklick unmittelbar einen Kaufvertrag eingehen.18 Ausnahmen – etwa wenn eine Verkäuferin gemäß ihrer Verpflichtung aus § 312j Abs. 1 BGB19 in der Bestellsituation20 deutlich auf unklare oder eingeschränkte Verfügbarkeit hinweist – bestätigen die Regel.

Diese Einordnung bringt es mit sich, dass es Fälle gibt, in denen Verkäufer ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen können, weil sie Dinge verkauft haben, die sie weder unmittelbar liefern noch von ihren Lieferanten nachbestellen können. Auch Fehler der Bestandsmanagementsoftware können sie in diese Situation bringen. Das Gesetz hat darauf aber längst eine Antwort parat: Die Leistungspflicht des Verkäufers erlischt hier nach § 275 Abs. 1, 1. Alt. BGB, Käufer können nach §§ 437 Nr. 2, 1. Alt., 323 Abs. 1, 326 Abs. 5 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten, und womöglich auftretende Schäden müssen die Verkäufer nach §§ 437 Nr. 3, 1. Alt., 280 Abs. 1, 3, 283, 311a Abs. 2 BGB ersetzen, wenn sie die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht erschüttern können.

V. Fazit und Ausblick

Der objektive Empfängerhorizont eines Käufers ist dynamisch: Er vollzieht technische Innovationen insoweit mit, als er ein modernes Warenbestandsmanagement ab einer gewissen Marktdurchdringung auch erwartet. Das hat Folgen für die Interpretation des Verkäuferverhaltens: Während man die Warenpräsentation im E-Commerce herkömmlich als reine
invitatio ad offerendum verstehen musste, dürfen Kunden im elektronischen Geschäftsverkehr heute davon ausgehen, dass Waren, die sie online bestellen können, auch für sie verfügbar sind. Verkäufer, die nicht sicher sind, dass sie die angebotenen Artikel liefern können, sollten ihren Bestellbutton entsprechend klar beschriften, etwa mit den Wörtern »Zahlungspflichtigen Kauf anfragen«.

Der virtuelle Warenkorb ist insofern kein Schaufenster, sondern entspricht einem erfolgreich eingescannten Artikel an der SB-Kasse im Einzelhandel. Es wäre auch widersinnig, wenn sich gerade im auf unkomplizierte und zügige Abwicklung angelegten Internethandel Verträge nicht im Handumdrehen schließen ließen, sondern die Kunden unter Umständen tagelang auf eine Bestätigung warten und ggf. notwendige Alternativkäufe entsprechend lange aufschieben müssten. Der europäische Gesetzgeber, der den elektronischen Geschäftsverkehr in den vergangenen Jahren mutig reguliert hat, täte nicht schlecht daran, auch den Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unionsprivatrechtlich einzuhegen.

Quellen

* Der Autor ist Privatdozent an der Juristischen Fakultät der LMU München.
1 Faust, Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2022, § 3 Rn. 4; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, 47. Aufl. 2023, § 8 Rn. 11; Wertenbruch, BGB Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 2021, § 10 Rn. 19; Gröschler, BGB Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 2023, Rn. 228.
2 Faust, Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2022, § 3 Rn. 4; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, 47. Aufl. 2023, § 8 Rn. 10; im Ergebnis auch Gröschler, BGB Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 2023, Rn. 227
3 So reserviert etwa die Ticket-Plattform Eventim ihren Kunden Tickets während des Bestellvorgangs für einen Zeitraum von 17 Minuten.
4 Einen guten Überblick über die längst verebbte Debatte gibt der lesenswerte Beitrag von Kimmelmann/Winter JuS 2003, 532, 533 f. m.w.N.
5 Auf diese Ausnahme weist Bräutigam/Rücker/Kaufbold, E-Commerce, 2017, 3. Teil B. Rn. 10, 16, hin.
6 So etwa OLG Düsseldorf 19.05.2016, I-16 U 72/15, https://open jur.de/u/2157554.html [09.01.2024]; dem folgend MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, § 145 Rn. 15; ebenso MüKoBGB/Säcker, 9. Aufl. 2021, Einl Rn. 193 m.w.N.
7 Auch wenn der BGH dies ursprünglich nicht genau geprüft, sondern es insoweit bei den Ausführungen der Vorinstanz belassen hatte, ist dies st. Rspr. seit BGH 26.01.2005, VIII ZR 79/04, https://openjur.de/u/ 206600.html [09.01.2024].
8 Der BGH hat freilich schon früh darauf hingewiesen, dass selbst eine automatisch generierte Bestellbestätigung als Vertragserklärung zu verstehen sein kann, insb. wenn die Verkäuferin für den Auftrag dankt und/oder über die Bearbeitung der Bestellung informiert, BGH 26.01.2005, VIII ZR 79/04, https://openjur.de/u/206600.html [09.01.2024]. Ähnlich MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, § 145 Rn. 15.
9 Sutschet NJW 2014, 1041, sieht die Vertragserklärung des Verkäufers sogar erst in der Leistungserbringung.
10 Siehe die Nachweise oben in Fn. 6.
11 So etwa bei Amazon, bei Conrad sowie bei den meisten Anbietern mit
Click&Collect-Abholung in lokalen Märkten, insb. bei Möbel- und Baumärkten.
12 S.o. unter II.5.
13 Art. 6 ff. der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU sprechen von einer Bindung des Verbrauchers durch einen Vertrag oder ein Vertragsangebot. Andererseits spricht Art. 8 Abs. 7 der Richtlinie von einer »Bestätigung des [bereits zuvor] geschlossenen Vertrags«. Art. 9 und 11 der E-Commerce-RL 2000/31/EG machen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
keine Vorgaben.
14 Die Formulierung in Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 1 der Verbraucherrechte Richtlinie 2011/83/EU lautet: »Der Unternehmer sorgt dafür, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist.«
15 So heißt es etwa auf dem Bestellbutton des Online-Händlers Zalando nur
»Bestellung absenden und weiter zur Zahlung«; die Zahlung selbst wird dann bei PayPal mit einem Button ausgelöst, der mit »Kauf abschließen« beschriftet ist.
16 So verhält es sich etwa beim Online-Shop der Deutschen Post.
17 Siehe die frühen Beiträge von Kimmelmann/Winter JuS 2003, 532, 533 f.
m.w.N., und Vogl ITRB 2005, 145 ff.; aber auch MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, § 145 Rn. 15, 21, plädiert für eine Einzelfallbetrachtung.
18 Dezidiert anders sieht das Hoeren/Sieber/Holznagel/Kitz, Handbuch Multimedia-Recht, 6/2023, Teil 13.1 Rn. 178, 180, der aber in Rn. 181 immerhin auch einen »Zulassungsakt« des Verkäufers für notwendig hält, um einen späten Vertragsschluss zu begründen. Solche Zulassungsakte werden im modernen E-Commerce immer seltener; stattdessen ist es eher ein »Stornierungsakt«, mit dem der Verkäufer ausnahmsweise aus dem standardmäßig ablaufenden Prozedere der Vertragsdurchführung ausbricht.
19 § 312j Abs. 1 BGB sieht vor, dass Lieferbeschränkungen spätestens bei Beginn des Bestellvorgangs anzugeben sind. Es ist streitig, ob unter Lieferbeschränkungen nur Altersbeschränkungen und Höchstbestellmengen oder auch begrenzte Vorräte zu verstehen sind; für eine entsprechende Informationspflicht BeckOK BGB/Maume, 11/2023, § 312j Rn. 6; dagegen BeckOGK BGB/Busch, 7/2023, § 312j Rn. 9 f.; Spindler/Schuster/Schirmbacher, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 312j BGB Rn. 8; differenzierend MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, § 312j Rn. 7 f.
20 Unklar ist, wo zwischen der Eröffnung eines Warenkorbs und dem virtuellen Gang zur Kasse der Beginn des Bestellvorgangs anzusetzen ist, evtl. »zur Kasse gehen«; hier plädieren die in Fn. 19 genannten Stimmen überwiegend für den Zeitpunkt des Einlegens der Ware in den virtuellen Warenkorb.

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