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Recht & Verwaltung07 Mai, 2024

Effektives Anti-Claim-Management in Bauprojekten

Das Anti-Claim-Management in Bauprojekten verhindert Kosten- und Terminüberschreitungen und ermöglicht eine sachgerechte Bewertung von Ansprüchen. Erfahren Sie, wie es funktioniert und welche Vorteile es für Auftragnehmer bietet.
Unter einem integralen Anti-Claim-Management ist die rechtzeitige und systematische Auseinandersetzung mit nachtragsrelevanten terminlichen und finanziellen Umständen in Bauprojekten zu verstehen. Während herkömmliches auftraggeberseitiges Nachtragsmanagement in der Praxis häufig erst in der Ausführungsphase implementiert wird, wenn die ersten ausführenden Unternehmen Nachtragsforderungen stellen, setzt ein umfassendes Anti-Claim-Management vorausschauend bereits zu Beginn der Projektrealisierung an und schafft damit Grundlagen dafür, Vertragsabweichungen bestenfalls zu verhindern oder zumindest sachgerecht bewerten zu können.

Integrales Anti-Claim-Management steht dabei für die Vereinigung der Kompetenzen verschiedener Fachrichtungen. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass zur sachgerechten Bewertung von Kosten- und Terminabweichungen in der Regel sowohl baubetriebliche als auch baurechtliche Expertise erforderlich sind.

Maßnahmen des (Integralen) Anti-Claim-Managements

Das Integrale Anti-Claim-Management umfasst Maßnahmen von den frühen Projektphasen bis zum Projektabschluss, die entweder vom juristischen oder baubetrieblichen Projektmanagement durchgeführt werden.

Zu Beginn eines Bauprojektes beraten Juristen den Bauherrn insbesondere bei der (vergaberechtskonformen) Gestaltung und Durchführung der Vergaben sowie bei der Vertragsgestaltung. Baubetriebliche Expertise ist unter anderem bei der Wahl geeigneter Vergabeformen und bei der Formulierung der Anforderungen an die Urkalkulation gefordert.

Durch die Einbeziehung baubetrieblichen und juristischen Fachwissens beugt (Integrales) Anti-Claim Management somit in den frühen Projektphasen zum einen der Entstehung späterer Kosten- und Terminüberschreitungen vor und schafft zum anderen die Grundlage für den sachgerechten Umgang mit (dennoch) eintretenden Abweichungen in terminlicher und finanzieller Sicht.

In der Ausführungsphase werden von Seiten des Integralen Anti-Claim-Managements Maßnahmen ergriffen, um Steuerungsbedarf rechtzeitig zu erkennen, beim Eintritt eines nachtragsrelevanten Ereignisses einen bestmöglichen Überblick über den Bauablauf zu haben und sachgerecht sowie vertragskonform mit den geltend gemachten Ansprüchen umzugehen.

Zu diesem Zweck gleicht das baubetriebliche Projektmanagement regelmäßig den tatsächlichen Baufortschritt mit den vertraglich vereinbarten Terminen ab und stellt basierend darauf Soll-Ist-Abweichungen fest. Werden Nachträge gestellt, prüfen Baubetriebler sie dem Grunde und der Höhe nach. Das juristische Projektmanagement klärt während der Bauausführung Zuständigkeiten sowie Verantwortlichkeiten und übernimmt Aufgaben in Bezug auf die Vertragsauslegung.

Im Rahmen des Projektabschlusses unterstützten Juristen und Baubetriebler den Bauherrn beispielsweise bei den Abnahmen, der Prüfung der Schlussrechnung und – wenn erforderlich – Weiterverrechnung von angefallenen Mehrkosten an den Verursacher.

Die nachfolgende Abbildung fasst die vorgenannten Aufgaben des (Integralen) Anti-Claim-Managements entlang der Projektphasen zusammen.


Die beschriebenen Maßnahmen können in adaptierter Form auch von der Auftragnehmerseite – im Sinne von (Integralem) Claim-Management – durchgeführt werden.

Fokus juristisches Projektmanagement

Das juristische Projektmanagement ist ein Teilbereich des allgemeinen Projektmanagements und befasst sich mit den im Zuge der Projektentwicklung und -durchführung entstehenden Rechtsfragen. Im Gegensatz zu anderen Projektmanagementleistungen kommt das juristische Projektmanagement nicht standardmäßig, sondern bei Bauvorhaben, die diese zusätzliche Expertise erfordern, zum Einsatz.

Die rechtlichen Beratungs- und Organisationsleistungen eines juristischen Projektmanagers können sich beispielsweise auf das Nachtrags- und Gewährleistungsmanagement beziehen.

Aufgabe eines juristischen Projektmanagements

In vielen Fällen resultiert aus Bauverträgen aufgrund verschiedener Auslegungen und Unklarheiten ein hohes Konfliktpotential. Es liegt in der Verantwortung des juristischen Projektmanagements, kritische Situationen bei der Projektinitiierung sowie im laufenden Bauvorhaben zu erkennen und korrekt zu bewerten. Hierdurch soll verhindert werden, dass Bauvorhaben in eine Schieflage geraten und terminliche, finanzielle und qualitative Projektziele verfehlt werden.

Das juristische Projektmanagement wird sinnvollerweise bereits zu Beginn eines Bauvorhabens integriert, da die frühen Projektphasen eine Vielzahl an Einflussnahmemöglichkeiten bieten. Außerdem kann in diesen Projektphasen mit der reibungslosen und zielführenden Gestaltung und Durchführung von Vergabeverfahren und dem Abschluss geeigneter Verträge die Grundlage für ein erfolgreiches Bauprojekt geschaffen werden.

Während eines laufendenden Bauvorhabens übernimmt das juristische Projektmanagement Aufgaben in Bezug auf die Vertragsauslegung, Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten und (außergerichtliche) Lösung von Streitigkeiten.

Schließlich kann das juristische Projektmanagement im Zuge des Projektabschlusses durch die Übernahme des Abnahme- und Gewährleistungsmanagements unterstützen.

Die nachfolgende Abbildung fasst die vorgenannten Aufgaben des juristischen Projektmanagements entlang der Projektphasen zusammen.


Fokus baubetriebliches Projektmanagement

Das baubetriebliche Projektmanagement ist ein Teilbereich des allgemeinen Projektmanagements und befasst sich mit den im Zuge der Projektentwicklung und -durchführung entstehenden baubetrieblichen Fragestellungen – zuvörderst in Bezug auf das baubetriebliche Vergütungs- und Nachtragsmanagement. Es kommt insbesondere in mittleren und großen Bauvorhaben zum Einsatz, in denen diese zusätzliche Expertise erforderlich ist.

Aufgabe eines baubetrieblichen Projektmanagements

Baubetriebliche Projektmanager steigen idealerweise in den frühen Projektphasen in Bauvorhaben ein und unterstützen Auftraggeber und Auftragnehmer dann bereits ab der Planung und im Weiteren bei der Steuerung der Termine sowie Kosten und stehen ihnen baubegleitend bis zum Projektabschluss in sämtlichen Fragen des Nachtragsmanagements beratend zur Seite.

Nachfolgend werden mögliche vom baubetrieblichen Projektmanagement für die Auftraggeberseite ergriffene Maßnahmen erläutert. Da Auftragnehmer vom baubetrieblichen Projektmanagement zu den gleichen Themen – allerdings aus der anderen Blickrichtung – unterstützt werden, ist eine Übertragung auf den Fall des baubetrieblichen Projektmanagements für die Auftragnehmerseite möglich.

Bis zum Abschluss eines Bauvertrags schafft das baubetriebliche Projektmanagement die Voraussetzungen für einen sachgerechten Umgang mit später eintretenden Abweichungen in terminlicher und finanzieller Sicht. Diesbezüglich in Betracht kommende Maßnahmen sind die vertragliche Festlegung von Fristen und Formen, zum Beispiel in Bezug auf die Ankündigung und Aufbereitung von Nachtragsforderungen.

Damit die Urkalkulation im Falle von geänderten oder zusätzlichen Leistungen für die Preisermittlung nach der Methode der Preisfortschreibung herangezogen werden kann, ist die Übergabe einer Urkalkulation zu vereinbaren. Außerdem können vom baubetrieblichen Projektmanagement vertragliche Anforderungen, denen die Urkalkulation genügen muss, definiert werden.

Unterstützung bei Bedarf schon in der Ausführungsphase

Während der Ausführungsphase bietet das baubetrieblichen Projektmanagement Auftraggebern Unterstützung bei der Kommunikation mit Auftragnehmern und bei der Dokumentation von Bauablaufstörungen. Bei komplexen Störungssachverhalten klärt es zeitnah Ursachen und Verantwortlichkeiten.

Im Zuge der Bauausführung und bei Projektabschluss unterstützt das baubetriebliche Projektmanagement bei der Bewertung von Nachtragsforderungen und steht Auftraggebern beim Projektabschluss, z.B. bei der Schlussrechnungsprüfung oder bei der Weiterverrechnung von Mehrkosten an den Verursacher (Regressierung), zur Seite.


Fazit

Effektives Anti-Claim-Management in Bauprojekten ist für Auftraggeber von großer Bedeutung, um Kosten- und Terminüberschreitungen zu verhindern und Ansprüche sachgerecht zu bewerten. Es erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen allgemeinem sowie juristischem und baubetrieblichem Projektmanagement, um potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
Bildnachweis: Ilja/stock.adobe.com
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