BAG entscheidet zu Verstößen gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
Recht & Verwaltung24 Mai, 2022

Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

von Torsten Herbert, Geschäftsführer des KAV NRW 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung wegen Schwerbehinderung des Klägers. 

Im November 2017 veröffentlichte der beklagte Landkreis über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit ein Stellenangebot. Danach sollte zum 01.02.2018 ein „Arbeitsplatz als Führungskraft“, nämlich die Stelle als „Amtsleiter/in Rechts- und Kommunalamt (Jurist/in)“, besetzt werden. In der Stellenausschreibung hieß es u.a., dass das Aufgabengebiet die Leitung des Rechts- u. Kommunalamts mit seinerzeit ca. 20 Bediensteten umfasse und dass ein abgeschlossenes weiterführendes wissenschaftliches Hochschulstudium (Master oder gleichwertiger Abschluss) in der Fachrichtung Rechtswissenschaften bzw. 2. juristisches Staatsexamen (Volljurist/in) sowie mehrjährige einschlägige Berufserfahrung und mehrjährige einschlägige Führungserfahrung vorzugsweise in einer vergleichbaren Führungsposition hinsichtlich der Führungsspanne und des Aufgabenbereichs im kommunalen Bereich erwartet würden.

Der mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehinderte Kläger bewarb sich unter Angabe seiner Schwerbehinderung ohne Erfolg auf die ausgeschriebene Stelle. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen.

Mit Schreiben vom 11.04.2018 wurde ihm mitgeteilt, dass sich der beklagte Landkreis für einen anderen Bewerber entschieden habe. Daraufhin wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 14.04.2018 unter dem Betreff „Beschwerde nach § 13 AGG und Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG“ an den beklagten Landkreis. Mit der Beschwerde beanstandete er, als schwerbehinderter Bewerber bereits im Vorverfahren des Bewerbungsverfahrens nicht berücksichtigt worden zu sein. Zudem machte der Kläger mit diesem Schreiben – erfolglos – einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Der Kläger erhielt auf die Beschwerde vom beklagten Landkreis keine Antwort. 

Mit seiner Entschädigungsklage vertrat der schwerbehinderte Bewerber die Auffassung, er sei wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden. Dies folge u.a. daraus, dass der beklagte Landkreis den freien Arbeitsplatz nicht den Vorgaben von § 165 Satz 1 SGB IX entsprechend der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet habe und dass er ihn, den Kläger, entgegen § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe, obwohl ihm die fachliche Eignung nicht offensichtlich gefehlt habe. 

ArbG und LAG wiesen die Klage ab.

Die Revision des Klägers zum BAG hatte jedoch Erfolg. 

Entscheidung 

Aus Sicht des BAG habe der beklagte Landkreis den Kläger wegen der Schwerbehinderung benachteiligt und schulde ihm deshalb die Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. 

Das BAG stellt hierzu fest, dass bereits ein Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, regelmäßig die Vermutung i.S.v. § 22 AGG begründe, dass erfolglose schwerbehinderte Bewerber im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt worden seien.  Der beklagte Landkreis habe es vorliegend entgegen § 165 Satz 1 SGB IX unterlassen, den ausgeschriebenen, mit schwerbehinderten Menschen besetzbaren Arbeitsplatz der zuständigen Agentur für Arbeit zu melden. Die Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit stelle hingegen keine Meldung i.S.v. § 165 Satz 1 SGB IX dar.  Der Umstand der unterlassenen Meldung begründe die Vermutung, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Danach komme es nicht mehr darauf an, ob weitere Verstöße gegen die zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten vorgelegen hätten.

Ebenso dahinstehen könne, ob auch die unterbliebene Beantwortung der Beschwerde des Klägers durch den beklagten Landkreis ein Indiz nach § 22 AGG für eine Benachteiligung des Klägers wegen der Schwerbehinderung habe sein können. 

Praktische Bedeutung

Das vorstehende Urteil des BAG vom 25.11.2021 - 8 AZR 313/20 - zeigt einmal mehr sehr deutlich, dass Arbeitgeber besonders im Umgang mit Bewerbungen schwerbehinderter und gleichgestellter Menschen sämtliche gesetzlichen Vorschriften, die zu deren Schutz und Förderung erlassen worden sind, einhalten müssen – um nicht Gefahr zu laufen, Schadensersatz bzw. Entschädigung leisten zu müssen. 

Bemerkenswert ist zudem, dass der Kläger des vorliegenden Verfahrens nach den Feststellungen der Vorinstanzen für die ausgeschriebene Stelle fachlich offensichtlich ungeeignet war und daher gem. § 165 S. 4 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden musste und auch sonst nicht bei der Bewerberauswahl zu berücksichtigen war.  

Das BAG hat gleichwohl eine Benachteiligung gesehen und die begehrte Entschädigung zuerkannt. 

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