Von Ralph Vonderstein, Geschäftsführer und Leiter des Geschäftsbereichs Legal Software bei Wolters Kluwer in Deutschland.
COVID-19 hat sich auf jeden Aspekt unserer Arbeit und unseres Lebens ausgewirkt, auch auf die Arbeit von Kanzleien. Von zu Hause arbeiten hat die rasche Einführung von Kollaborationstools wie Video-Konferenzen, die elektronische Signatur zum Abschließen von Verträgen wie auch die Zusammenarbeit an Dokumenten (kollaborativ erstellen, abstimmen und finalisieren) maßgeblich bestimmt. Selbst das Vertreten von Mandanteninteressen nach §128a ZPO ist dank Videokonferenzen nun aus der Ferne vom heimischen Arbeitsplatz aus möglich, zumindest an manchen Gerichten wie dem Landgericht Frankfurt. Auch der digitale Mandatsabschluss mittels e-signing Tools ist Realität geworden.
Wir gehen davon aus, dass die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie die Notwendigkeit für den Rechtsmarkt erhöhen werden, deutlich stärker und schneller digitale Arbeitsmethoden zu implementieren. Eine entscheidende Komponente sind dabei die sich verändernden Anforderungen der Mandanten, die erfolgsorientierte und immer schnellere, servicegetriebene und preiswerte Rechtsdienstleistung in hoher Qualität und mit hoher Prognosesicherheit erwarten – wesentliche Faktoren, die Kanzleien vor besondere Herausforderungen stellen. Diese veränderten Rahmenbedingungen erfordern die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Kanzleien sind aufgefordert, ihre Produktivität zu steigern, Kosten zu senken, Prozesse zu automatisieren, Mandantenservices zu verbessern und komplexe Compliance- und Sicherheitsanforderungen möglichst durch eine nahtlose Integration ihrer Technologien zu lösen.
Digitale Arbeitsmethoden zur Positionierung der Kanzlei im Wettbewerbsumfeld
Schneller Daten- und Informationsaustausch, exklusive und nachhaltige Mandantenservices sowie prozessoptimierte Lösungen sind der Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Positionierung der Kanzlei im Wettbewerbsumfeld. Den bereits heute etablierten Kanzleiorganisationslösungen, oftmals ausschließlich genutzt für die administrativen Verwaltungstätigkeiten der Kanzlei, wird dabei eine neue Rolle als die zentrale Datenquelle jeder Kanzlei zu teil werden. Über offene Schnittstellen werden diese Systeme das Rückgrat einer hochgradig performanten, agilen und vernetzten Organisation sein.
Die zumeist integrierten Dokumentenmanagementsysteme werden von der elektronischen Akte hin zu einer digitalen Fallbearbeitung aufgewertet werden, um die bisher immer noch stattfindende papierbehaftete Mandatsbearbeitung durchgängig digital abzubilden. Ein Prozess, der mit der Einführung des beA bereits begonnen hat, nun aber eine zusätzliche Beschleunigung erfahren wird. Die kommende Generation von Kanzleisoftware revolutioniert den Einsatzbereich und umfasst zukünftig sämtliche Stufen der anwaltlichen Wertschöpfung in einem schnittstellenfreien Umfeld.
Interne und externe Digitalisierungstreiber von Kanzleien
Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass die Zukunftsfähigkeit von Kanzleien über den Einsatz digitaler Lösungen und die Begeisterung für deren Adaption in die Kanzleiabläufe definiert werden wird. Auch wenn in Kanzleien bislang eher externe Faktoren, wie z. B. die Einführung des beA-Postfachs und die Corona- Pandemie Digitalisierungstreiber waren, verstärken sich zunehmend auf der Mandantenseite Forderungen nach technologischen Lösungen, die auch ausschlaggebend für die Mandatierung einer Kanzlei sind.
Einen entscheidenden Vorteil werden die Kanzleien haben, die aus sich selbst heraus den Weg in die Digitalisierung und die nahtlose Verknüpfung von Kanzlei- und Mandatsmanagement definieren und aktiv angehen. Darauf basierend lassen sich neue Geschäftsmodelle entwickeln, optimierte Mandantenservices aufsetzen und die Kanzlei als Arbeitgeber attraktiv positionieren. Und ganz nebenbei wären Kanzleien für Situationen wie die COVID-19 Pandemie künftig besser vorbereitet.