Redaktion eGov Praxis Personal
Kann das Fertigen privater Video- und Fotoaufnahmen die Entlassung aus dem Dienst wegen fehlender charakterlicher Eignung begründen?
OVG Nordrhein-Westfalen entscheidet über die Entlassung eines Kommissaranwärters wegen privater Foto- und Videoaufnahmen im Dienst.
Der beklagte Dienstherr hat dem Kläger, einem Kommissaranwärter, die charakterliche Eignung für das Amt des Polizeivollzugsbeamten abgesprochen und ihn aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Der Beklagte hat dies damit begründet, dass der Kläger entgegen entsprechender Belehrungen während des Diensts wiederholt mit seinem privaten Smartphone Foto- bzw. Videoaufnahmen gefertigt hat.
Das VG hat die Klage gegen die Entlassungsverfügung abgewiesen. Der Kläger hat daraufhin Zulassung der Berufung beantragt.
OVG NRW entscheidet: Das Fertigen von privaten Handyaufnahmen während des Dienstes kann Grund für Entlassung sein
Das OVG Nordrhein-Westfalen hat mit der vorliegenden Entscheidung zu den Voraussetzungen einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf Stellung genommen.
Es hat entschieden, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg hat.
Das Antragsvorbringen wecke keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
Das VG habe zu Recht angenommen, dass die Entlassungsverfügung formell rechtmäßig sei.
Die Einwände des Klägers gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung hätten ebenfalls keinen Erfolg.
Gemäß § 23 Abs. 4 S. 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) könnten Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Es reiche hierfür jeder sachliche, d. h. nicht willkürliche Grund, auch die Annahme mangelnder charakterlicher Eignung. Hierfür sei die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordere eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zuließen. Die Einschätzung der charakterlichen Eignung sei dem Dienstherrn vorbehalten.
Es könnten bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde genügen, ob der Beamte auf Widerruf die persönliche Eignung für sein Amt besitzt. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf hänge aus diesem Grund nicht von dem Nachweis eines konkreten Dienstvergehens ab. Eignungszweifel könnten sich dabei sowohl aus dem dienstlichen als auch dem außerdienstlichen Verhalten ergeben.
Im konkreten Fall werde die Einschätzung des Beklagten, es seien Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst gegeben, unter Berücksichtigung des dem Dienstherrn zukommenden Beurteilungsspielraums durch das Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
Es könne hier offenbleiben, ob es eine dienstliche Weisung im Hinblick auf die Anfertigung von Foto- und Videoaufnahmen mit dem Handy während des Dienstes gegeben habe. Denn der Beklagte habe sich in der Entlassungsverfügung nicht maßgeblich auf den Verstoß gegen eine solche gestützt. Vielmehr führe er aus, der Kläger habe durch die zwei Vorfälle, bei denen er Foto- und Videoaufnahmen während des Dienstes mit seinem privaten Handy gemacht habe, und seine im Anschluss erfolgten Einlassungen zu erkennen gegeben, dass ihm die erforderliche Reife und Einsichtsfähigkeit fehle, die von einem angehenden Polizeivollzugsbeamten erwartet werde.
Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seines Beurteilungsspielraums der Entlassungsverfügung zugrunde gelegt habe, aufgrund der beiden Vorfälle bestehe - unabhängig davon, ob der Kläger durch diese auch gegen dienstliche Weisungen verstoßen habe - die Gefahr der Beeinträchtigung der Rechte von Kollegen, Dritter und des Dienstbetriebs sowie der Darstellung in der Öffentlichkeit.
Es sei hierbei zur Annahme einer charakterlichen Ungeeignetheit nicht erforderlich gewesen, dass sich diese Gefahren realisiert hätten. Ausreichend sei, dass der Kläger durch sein Verhalten einen hinreichend begründeten Anlass für die Annahme einer entsprechenden Gefahrenlage bei seiner Weiterbeschäftigung geboten habe. Dies sei hier der Fall.
Praktische Bedeutung der Entscheidung des OVG NRW vom 06. Juli 2022 – 6 A 2255/21 –
Mit der vorstehenden Entscheidung macht das OVG Nordrhein-Westfalen auch deutlich, dass die Einschätzung der charakterlichen Eignung dem Dienstherrn vorbehalten ist. Ihm kommt nach Worten des OVG insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle ist daher darauf beschränkt, ob der Dienstherr von einem unrichtigen oder unvollständig festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist, den Begriff der Eignung unter Berücksichtigung der für den Polizeivollzugsdienst erforderlichen charakterlichen Eigenschaften eines Beamten verkannt oder aber allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.