Innerhalb des § 650c BGB beziehen sich die Absätze 1 und 2 auf die Vergütungsanpassung von Leistungsmodifikationen, die nach § 650b Abs. 2 BGB angeordnet wurden. Der Beitrag geht auf zwei Ermittlungswege zur Vergütungsanpassung und ihre praktische Umsetzung ein.
von Prof. Dr.-Ing. Thomas Sindermann
Wortlaut des § 650c
§ 650c Abs. 1 BGB
Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Absatz 2 vermehrten oder verminderten Aufwand ist nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln. Umfasst die Leistungspflicht des Unternehmers auch die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, steht diesem im Fall des § 650b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zu.
§ 650c Abs. 2 BGB
Der Unternehmer kann zur Berechnung der Vergütung für den Nachtrag auf die Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation zurückgreifen. Es wird vermutet, dass die auf Basis der Urkalkulation fortgeschriebene Vergütung der Vergütung nach Absatz 1 entspricht.
Die gesetzlichen Vorgaben zur Vergütungsanpassung bei angeordneten Leistungsmodifikationen gem. § 650b Abs. 2 BGB stellen auf die tatsächlich erforderlichen Kosten ab.
Die gesetzlichen Vorgaben unterscheiden sich damit grundsätzlich von den Vorgaben in § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B, nach denen die geänderte Vergütung – kurz gesagt – auf Grundlage der vereinbarten Vergütung unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren bzw. zu bestimmen ist.
Zwei Ermittlungswege für die Vergütungsanpassung
Die gesetzlichen Vorgaben geben zur Bestimmung der Vergütungsanpassung bei angeordneten Leistungsmodifikationen gemäß § 650b Abs. 2 BGB zwei Ermittlungswege vor, den sog. Direkten Weg gemäß § 650c Abs. 1 BGB und den sog. Indirekten Weg gemäß § 650c Abs. 2 BGB:
Vergütungsermittlung nach den tatsächlich erforderlichen Kosten
Beim Direkten Ermittlungsweg gemäß § 650c Abs. 1 BGB soll sich die Vergütungsanpassung für den vermehrten oder verminderten Aufwand ermitteln nach
- den tatsächlich erforderlichen Kosten mit
- angemessenem Zuschlag für Allgemeine Geschäftskosten und
- angemessenem Zuschlag für Wagnis und Gewinn.
Fortschreibung der kalkulierten Ansätze gemäß § 650c Abs. 2 BGB
Beim Indirekten Ermittlungsweg gemäß § 650c Abs. 2 BGB soll die Vergütungsanpassung berechnet werden
- durch die Fortschreibung der Ansätze einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation.
- Dabei wird vermutet, dass die auf diese Weise fortgeschriebene Vergütung der Vergütungsermittlung nach den tatsächlich erforderlichen Kosten gemäß § 650c Abs. 1 BGB entspricht.
Die Ergebnisgleichheit der beiden baubetrieblich grundsätzlich unterschiedlichen Ermittlungswege wird durch die gesetzliche Vermutung nach § 292 ZPO hergestellt, die dem Besteller die Widerlegung und damit Anfechtung der vom Unternehmer nach dem indirekten Weg ermittelten Vergütung ermöglicht, wenn bezüglich der Ergebnisse der Kalkulationsfortschreibung Zweifel bestehen, diese also nicht nachvollziehbar von den tatsächlich erforderlichen Kosten abweichen (Widerlegliche Vermutung nach § 650c Abs. 2 BGB).
Hintergrundinformationen aus dem Gesetzgebungsprozess
Aus den Materialien zum Gesetzgebungsprozess geht hervor, dass der Unternehmer das Wahlrecht hat, ob er die Vergütungsanpassung nach dem Ermittlungsweg 1 (Darlegung der tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge für AGK sowie WuG) ermittelt oder nach dem Ermittlungsweg 2 durch Fortschreibung der Ansätze einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation.
Aus den Materialien zum Gesetzgebungsprozess geht weiterhin hervor, dass bei der Darlegung der tatsächlichen Kosten nach § 650c Abs. 1 BGB ein Rückgriff auf die Kalkulation ausgeschlossen ist. Diese klare operative Abgrenzung der beiden Ermittlungswege des § 650c BGB ist aus baubetrieblicher Sicht konsequent, da es sich bei dem Ermittlungsweg nach den tatsächlich erforderlichen Kosten gemäß § 650c Abs. 1 BGB um eine ex-post durchgeführte Feststellung der Ist-Kosten handelt, wohingegen die kalkulatorisch zu ermittelnden Kosten gemäß § 650c Abs. 2 BGB ex-ante prognostizierte Kosten zum Gegenstand haben.
Eine Vermischung der beiden Ermittlungswege (ex-post und ex-ante) wäre baubetrieblich inkonsistent und würde deshalb zu willkürlichen Ergebnissen führen.
Fazit: Praktikabilität der Fortschreibung der kalkulierten Ansätze
Mit der gesetzlichen „Regelungsarchitektur“ zu Nachträgen für angeordnete Leistungsmodifikationen soll die Vergütungsanpassung unabhängig vom Ermittlungsweg stets die tatsächlich erforderlichen Kosten (zzgl. angemessener Zuschläge für AGK und WuG) des geänderten Aufwandes erfassen. Dabei dürfte sich die Vergütungsermittlung nach § 650c Abs. 1 BGB, also nach den tatsächlich erforderlichen Kosten, in der Praxis in vielen Fällen als sehr aufwändig und deshalb im Regelfall wenig praktikabel darstellen.
Demgegenüber erscheint die Fortschreibung der kalkulierten Ansätze gemäß § 650c Abs. 2 BGB, die unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung kommen kann, für die Vergütungsermittlung praktikabel. Dabei werden etwaige Spekulationen bei der Preisgestaltung oder unsachgerechte Ergebnisse einer Preisfortschreibung durch das Instrument der widerleglichen Vermutung verhindert. Mit der an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte Anwendbarkeit des vereinfachten Ermittlungsweges 2 (vereinbarungsgemäße Hinterlegung der Urkalkulation) wird den gesetzlichen Leitgedanken bezüglich einer nachvollziehbaren und korrekten Kalkulation Rechnung getragen (vgl. BT-Drucksache 18/8486, S. 56).
Weiterführende Informationen zum Thema
Aufsatz
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Sindermann, Die operative Umsetzung der Regelungen zur Nachtragsberechnung nach § 650c BGB bei geänderten und zusätzlichen Leistungen, BauW 2019, 185
Da durch den Gesetzgeber nicht weiter ausgestaltet, stellt sich die Frage, wie die Darlegung des Vergütungsanspruchs nach den tatsächlich erforderlichen Kosten gem. § 650c I BGB gelingen und der Besteller ggf. das Widerlegungsrecht gem. § 650c II BGB praktisch umsetzen kann.
Gesetzgebung
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§ 650c BGB
Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b Absatz 2 - § 292 ZPO
Gesetzliche Vermutungen