Das Kölner Symposium von Wolters Kluwer feiert Jubiläum: Am 17. und 18. Februar findet die Tagung bereits in ihrer 20. Ausgabe statt und überzeugt seither mit fachlich exzellenten Vorträgen und Diskussionsrunden. Die Arbeitstagung für Praktiker:innen im Marken- und Wettbewerbsrecht gilt als Leitveranstaltung im Gewerblichen Rechtsschutz, bei der sich Rechts- und Patentanwält:innen, Leiter:innen und Mitarbeitende aus Rechtsabteilungen von Unternehmen über die Entwicklungen im Marken- und Wettbewerbsrecht informieren können. Wie im letzten Jahr wird das Symposium auch 2022 in digitaler Form durchgeführt.
Unter den namhaften Referent:innen aus Richterschaft, Anwaltschaft und Rechtswissenschaft ist auch Prof. Dr. Ansgar Ohly, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Neben seiner Funktion als Referent ist Prof. Dr. Ohly auch Mitorganisator der Veranstaltung: Gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Büscher (Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D.), Prof. em. Dr. Karl-Heinz Fezer (Universität Konstanz), Dr. Ingo Jung (Rechtsanwalt, CBH Rechtsanwälte) und Prof. Dr. Thomas Koch (Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof) bildet er die wissenschaftliche Leitung des 20. Kölner Symposiums. Darüber hinaus ist er Autor des von Köhler und Piper begründeten UWG-Kommentars, Mitherausgeber der Zeitschrift "Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht" (GRUR) sowie des von Schricker begründeten Urheberrechts-Kommentars.
Wolters Kluwer sprach vorab mit Prof. Dr. Ohly über die aktuell relevanten Themen und Entwicklungen im Marken- und Wettbewerbsrecht.
Sie haben als Mitglied der wissenschaftlichen Leitung maßgeblich zum Programm des 20. Kölner Symposiums beigetragen. Kongress- und Fortbildungsplanung in Zeiten einer Pandemie bedeutet nicht zuletzt Planung ins Ungewisse. Welche Vorzüge haben Symposien in Zeiten der Pandemie bekommen?
Wie das Kölner Symposium haben die meisten Symposien seit Beginn der Pandemie rein online stattgefunden, im Sommer und Herbst 2021 auch teilweise als Hybridveranstaltungen. Online-Veranstaltungen sparen Zeit, weil man nicht reisen muss und auch, wenn nötig, zwischendurch wichtige Termine wahrnehmen kann. Einen echten Mehrwert bietet die Chat-Funktion, die auch während der Vorträge Kommentare erlaubt, für die in der Diskussion keine Zeit bleibt oder für die man sich nicht eigens zu Wort melden würde. Einige Chat-Verläufe waren spannend und weiterführend.
Der wichtigste Grund zum Besuch von Symposien ist und bleibt der persönliche Kontakt, der bei Online-Symposien naturgemäß fehlt. Die besten Erkenntnisse ergeben sich oft aus Gesprächen in der Kaffeepause oder beim abendlichen Glas Wein, vom Networking ganz zu schweigen. Auch Diskussionen sind bei Präsenzveranstaltungen dynamischer und spannender. Deswegen bleibt die Präsenzveranstaltung, sofern die Umstände sie erlauben, erste Wahl.
Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht tritt am 28. Mai 2022 in Kraft. Sie selbst tragen auf dem Symposium einen Vortrag bei. Warum müssen Verbraucher:innen geschützt werden? Was ist das Problem?
Das Gesetz, das zur Umsetzung einer EU-Richtlinie ergangen ist, stärkt den Verbraucherschutz vor allem in zweierlei Hinsicht. Erstens sieht es spezielle Irreführungsverbote und Informationspflichten bei geschäftlichen Handlungen im Internet vor. So wird Unternehmern ausdrücklich verboten, gefälschte Verbraucherbewertungen in Auftrag zu geben, und Internet-Dienstleister müssen angeben, welche Maßnahmen sie treffen, um falsche Bewertungen abzustellen. Bei Rankings müssen die Parameter angegeben werden, nach denen die Reihenfolge zustande kommt. Zweitens erhalten Verbraucher:innen zum ersten Mal einen eigenen Anspruch auf Ersatz von Schäden, die ihnen durch unlautere Wettbewerbshandlungen entstanden sind. Auslöser war hier wohl der Diesel-Skandal.
Welche Geschäftsmodelle sind von dem neuen Gesetz betroffen? Und welche Auswirkungen kann es auf sie haben?
Während die Schadensersatzpflicht allgemein gilt, sind von den neuen Informationspflichten in erster Linie Internet-Anbieter und Plattformbetreiber betroffen. Teilweise werden Pflichten konkretisiert, die schon vorher bestanden, teilweise kommen aber auch neue Informationspflichten hinzu. Für große Anbieter ist es weitgehend unproblematisch, diese Pflichten zu erfüllen, aber für Start-ups erhöht sich das Risiko, wegen Pflichtverletzungen abgemahnt zu werden.
Wie soll der Schutz der Verbraucher:innen vor unlauteren geschäftlichen Handlungen insbesondere im Kontext digitaler Geschäftsmodelle verbessert werden?
Es gilt, die richtige Balance zwischen zu wenig und zu viel Information zu finden. Einerseits sollten Verbraucher:innen wissen, wer was wirklich empfiehlt, auf welche Weise Trefferlisten zustande kommen und nach welchen Kriterien Algorithmen entscheiden. Andererseits ist es mit Informationen wie mit der Medizin: Die richtige Dosis ist heilsam, eine Überdosis ist Gift. Beim Surfen im Internet springt man schnell von Seite zu Seite und hat schlicht nicht die Zeit, sich über alle Details zu informieren. Knappe, prägnante Informationen sind wirksam, umfassende Informationskataloge nicht.
Gibt es auch nach der Reform aus Ihrer Sicht noch Schutzlücken?
Bei der Haftung von Internet-Händlern und -Plattformbetreibern gibt es noch viele ungeklärte Fragen. Zum Beispiel ist bisher nicht völlig geklärt, ob Betreiber, die Kundenbewertungen ermöglichen, Filterpflichten haben oder ob andererseits beim Löschen von Bewertungen Grenzen bestehen. Das Urheberrecht ist hier weiter. Damit ist aber nicht gesagt, dass es sich um „Lücken im Verbraucherschutz“ handelt. Es geht nicht um möglichst lückenlosen Verbraucherschutz, sondern um die richtige Balance zwischen Schutz einerseits und Vermeidung übermäßiger Haftungsrisiken für innovative Unternehmen andererseits.
Wie sieht es mit Blick auf die Durchsetzbarkeit angesichts der Tatsache aus, dass viele gerade digitale Unternehmen im außereuropäischen Ausland angesiedelt sind?
Nach dem Marktortprinzip ist deutsches UWG anwendbar und vor deutschen Gerichten durchsetzbar, wenn geschäftliche Handlungen im Internet (auch) deutsche Verbraucher:innen ansprechen. Insofern müssen sich auch international tätige Unternehmen an die in Deutschland bzw. der EU geltenden Spielregeln halten. Das muss auch Unternehmen klar sein, die ihre AGB und ihren Internet-Auftritt primär an anderen Rechtsordnungen ausrichten. Sofern diese Unternehmen in Deutschland nicht nur virtuell tätig sind, lässt sich das deutsche Recht auch durchaus durchsetzen, auch wenn es dafür gelegentlich mehrerer Anläufe bedarf. Schwieriger wird es, wenn die Unternehmen nur im Ausland Niederlassungen haben.
Welche Rolle spielt die Einführung des gesetzlichen Vorrangs von Spezialvorschriften über unlautere geschäftliche Handlungen vor dem UWG?
Diese Regelung ist nicht gut durchdacht. Spezialvorschriften verdrängen bisher in aller Regel das UWG nicht, sondern werden in das UWG inkorporiert. Es besteht kein Vorrangverhältnis, sondern ein Zusammenwirken. Der Verstoß gegen spezialgesetzliche Informationspflichten ist unlauter, sofern weitere, im UWG geregelte Voraussetzungen erfüllt sind. Ebenso ist nach dem Rechtsbruchtatbestand die Verletzung außerwettbewerbsrechtlicher Marktverhaltensnormen (beispielsweise des Arzneimittel- und Heilmittelwerberechts) unlauter, sofern im betreffenden Gesetz die Rechtsfolgen nicht abschließend geregelt sind. Richtig ist, dass die Wertung von Spezialgesetzen nicht über das UWG unterlaufen werden sollte. Wenn eine Verordnung vorgibt, welche Informationen über die Energieeffizienz beim Verkauf eines Kühlschranks zu geben sind, darf das UWG keine weiteren Informationen erfordern. Das ergibt sich aber bereits aus den allgemeinen Konkurrenzregeln, zumal, wie gesagt, auch die spezialgesetzliche Kühlschranks-Kennzeichnungspflicht mit Hilfe des UWG durchgesetzt wird.
Gibt es weitere wichtige Aspekte?
Der Gesetzgeber hat versucht, mit einer Sondervorschrift das Problem der Influencer-Werbung zu regeln und festzulegen, dass Kennzeichnungspflichten nur bestehen, wenn für Beiträge zu bestimmten Waren oder Dienstleistungen eine Gegenleistung geflossen ist. Allerdings hat der BGH mittlerweile, schon vor Inkrafttreten der Vorschrift, in ganz ähnlichem Sinne entschieden, so dass sie Spezialregelung eigentlich überflüssig war. Generell zeigt das Problem der Influencer-Werbung, wie kompliziert das Lauterkeitsrecht im Mehrebenensystem von Unionsrecht und nationalem Recht und im Zusammenspiel von Spezialnormen und generellen Normen inzwischen geworden ist. Auf eine im Grunde schlichte Rechtsfrage sind mehrere konkurrierende Vorschriften anwendbar, und auch die drei Influencer-Urteile des BGH sind lang und komplex.
Das Corona Virus begleitet uns nun schon fast zwei Jahre. Wie hat die Pandemie aus Ihrer Sicht juristisches Arbeiten verändert?
Ebenso wie Online-Symposien hat auch die Arbeit im Homeoffice Vor- und Nachteile. Einerseits hat man mehr Zeit und kann konzentrierter arbeiten. Als Mitherausgeber einer juristischen Zeitschrift habe ich festgestellt, dass nach dem ersten Lockdown die Anzahl der bei uns eingereichten Manuskripte deutlich nach oben gegangen ist. Auch ich persönlich habe mehr geschafft. Auf der anderen Seite fehlt der Austausch, und an den Universitäten war die Isolation der Studenten:innen ein großes Problem. Aber ich hoffe, dass wir eines aus der Pandemie lernen: Manch eine kleine Besprechung lässt sich auch online erledigen, ohne dass das Zeitbudget und die Umwelt durch Reisetätigkeit belastet werden müssen.
Sie sind nicht nur Fachreferent, sondern auch Mitorganisator des Kölner Symposiums. Wie sehen Ihre persönlichen Erfahrungen von Fachsymposien der letzten zwei Jahre aus?
Die meisten Veranstalter haben nach meinem Eindruck schnell und gut auf die Herausforderungen reagiert. Online-Symposien und -Vortragsveranstaltungen waren gut besucht, und auch online wurde engagiert diskutiert, wenn auch vielleicht nicht so dynamisch wie in Präsenz. Zum Glück ist die Online-Konferenztechnik inzwischen doch deutlich weiter als noch vor zehn Jahren. Aber als nach der Sommerpause 2021 Präsenzveranstaltungen vorübergehend wieder möglich waren, war es für mich ebenso wie für viele Kolleg:innen doch ein Glücksgefühl, wieder persönlich zusammentreffen zu können.