BGH-Urteil zu HOAI-Altverträge
Recht & Verwaltung21 August, 2022

BGH-Urteil zu HOAI-Altverträge

Der BGH hat kürzlich ein Urteil zur weiteren Anwendbarkeit des Preisrechts der HOAI 2009 und 2013 für Altverträge gefällt. Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung? Und steht den Auftraggebern Schadensersatz vom Staat zu? Antworten hierauf gibt Dr. Richard Althoff.

Herr Dr. Althoff, kürzlich hat der BGH eine Entscheidung (Urt. v. 02.06.2022, Az. VII ZR 174/19) zur Auswirkung der HOAI-Mindestsätze auf Altverträge getroffen. Diese Frage lag ihm schon am 14. Mai 2020 zur Klärung vor, warum fiel damals keine Entscheidung?

Nachdem der EuGH am 04.07.2019 festgestellt hatte, dass das Preisrahmenrecht der damaligen HOAI gegen EU-Recht verstieß, war in Wissenschaft und Rechtsprechung Streit entstanden, ob dieses Preisrahmenrecht – und damit vor allem die Vorschriften über die Honorarmindestsätze für die Grundleistungen der Leistungsbilder der HOAI – bis zur Reform der HOAI weiter anzuwenden sei oder schon ab sofort nicht mehr, also auch nicht mehr auf schon abgeschlossene Verträge. Damit wären dann auch eben gerade sog. Aufstockungsforderungen auf ein die vertragliche Vereinbarung übersteigendes Zusatzhonorar ab sofort nicht mehr möglich gewesen.

Der BGH hat dann diese Frage mit einem sog. Vorlagebeschluss im Mai 2020 wieder dem EuGH vorgelegt. Aus dem EuGH-Urteil vom 04.07.2019 war nämlich keine Antwort auf diese Frage zu entnehmen. Der BGH hatte sich in seinem Vorlagebeschluss selber für eine Fortgeltung der HOAI bis zum Erlass neuer HOAI-Vorschriften (die dann am 01.01.2021 in Kraft traten), ausgesprochen. Er wollte aber wissen, ob es aus Gründen des EU-Rechts möglicherweise unzulässig sein könnte, die nationale Vorschrift „HOAI“ in der alten Fassung weiter anzuwenden. Genau dies verneinte der EuGH dann in seiner Entscheidung vom 18.01.2022 zum Vorlagebeschluss des BGH und gab damit „grünes Licht“, das Preisrecht der alten Fassung der HOAI auf alle bis zum 31.12.2020 abgeschlossene Verträge weiter anzuwenden.

Und dieses „grüne Licht“ wurde dann in dem aktuellen BGH-Urteil aufgegriffen?

Dieses oben erwähnte „grüne Licht“ setzte der BGH nun um und erließ genau das Urteil, das er für diesen Fall bereits in seinem Vorlagebeschluss angekündigt hatte. Mit seinem Urteil vom 02.06.2022 beendet der BGH ein Revisionsverfahren über eine sog. Aufstockungsklage. Mit dieser Klage verlangte ein Planungsbüro von einem privatrechtlichen Auftraggeber zusätzliches, über die vertragliche Vereinbarung hinausgehendes Honorar und berief sich dafür auf die gesetzlichen Mindesthonorarvorschriften der HOAI (in der für diesen Vertrag geltenden Fassung).

Was bedeutet diese Entscheidung bzw. welche Auswirkungen hat sie?

Der heftige Streit über die einstweilige Fortgeltung des Mindestsatzrechts der HOAI vor allem auf Ebene der verschiedenen Oberlandesgerichte ist nun beendet. Es gab eine Reihe völlig konträrer Urteile, teilweise sogar zwischen unterschiedlichen Senaten innerhalb desselben OLG. Die Situation war untragbar. Stritten Parteien eines Planungsvertrags über Konsequenzen aus der Anwendung des HOAI-Preisrahmenrechts, hing das Ergebnis des Gerichtsverfahrens allein davon ab, welches OLG für den Rechtsstreit zuständig war – schlimmer noch: welcher Senat innerhalb eines OLG zuständig war!

Das hatte mit Rechtssicherheit und Einheitlichkeit der Rechtsprechung nichts mehr zu tun. Fast alle OLG-Senate hatten seit dem Vorlagebeschluss des BGH vom 14.05.2020 noch anhängige Verfahren, in denen dieses Thema irgendwie eine Rolle spielte, ausgesetzt, um die finale rechtliche Klärung durch den EuGH und dann noch einmal den BGH abzuwarten (mit Ausnahme des traditionell besonders HOAI-mindestsatzfeindlichen 14. Senats des OLG Celle, der als einziger in Deutschland trotz des Vorlageverfahrens und trotz der einstweiligen Äußerung des BGH zur mutmaßlichen Fortgeltung des Mindestpreisrechts entsprechende Klagen knallhart weiter abwies und damit irreparable Fakten schaffte, die nun, wie wir wissen, gerade nicht mit der gültigen Rechtslage über-einstimmen). Diese Verfahren konnten und können nunmehr fortgesetzt werden. Alle Betroffene – in den Spruchkörpern und auf Kläger- und Beklagtenseite – haben insoweit nun Klarheit.

Da nun Architekten und Ingenieure mit ihren Aufstockungsklagen Erfolg haben müssten. Besteht für die Auftraggeber die rechtliche Möglichkeit einen Ersatz des entstandenen Schadens zu verlangen (z.B. von der Bundesrepublik Deutschland)?

Der EuGH hat in seinem Urteil angesprochen, dass die weitere Anwendbarkeit der nicht mit EU-Recht zu vereinbarenden nationalen Vorschrift, also hier das Preisrecht der HOAI 2009 und 2013, nicht ausschließt, dass eine hierdurch geschädigte Partei Schadensersatz verlangen kann. Konkret umgesetzt würde dies bedeuten: wer sich als Auftraggeber nun doch nicht auf die Wirksamkeit einer getroffenen Honorarvereinbarung berufen kann und deshalb am Ende mehr zahlen muss als im Vertrag vorgesehen, kann dem Gesetzgeber der HOAI vorwerfen, dass er seine Verpflichtung zur EU-Recht konformen Anpassung der HOAI seit 2009 verletzt und dadurch diese zusätzliche Zahlungslast verursacht hat.

Damit hat der EuGH allerdings zunächst einmal lediglich einen bekannten Rechtsgrundsatz erwähnt: wenn ein Staat EU-Recht nicht korrekt umsetzt, kann daraus aus dem Gesichtspunkt der Staatshaftung eine Schadensersatzpflicht gegenüber Personen entstehen, die deshalb einen Nachteil erleiden. Das ist nicht neu.

Tatsächlich wird ein solcher Schadensersatzanspruch aber wohl eher nicht funktionieren. Das hängt auch mit den sehr hohen rechtlichen Anforderungen des deutschen Staatshaftungs-rechts zusammen, vor allem hinsichtlich der Ursächlichkeit zwischen staatlicher Pflichtverletzung und Schaden.

Gibt es durch das BGH-Urteil auch Auswirkungen für öffentliche Auftraggeber?

Das EuGH-Urteil vom 18.01.2022, das dem BGH-Urteil vom 02.06.2022 zugrunde liegt, spricht ausdrücklich von einem Rechtsverhältnis „zwischen Privaten“. Deshalb gelten aber für ein Vertragsverhältnis zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Planungsbüro keine anderen Regeln. Die Erwähnung „zwischen Privaten“ hat seine Ursache nur darin, dass bei dem zu entscheidenden Fall nun einmal kein öffentlicher Auftraggeber beteiligt war und das Gericht eben nur über das entscheiden darf, was ihm vorgelegt wird.

Darüber hinaus ist aber auch ein öffentlicher Auftraggeber bei Abschluss eines Planungsvertrags „Privater“ im rechtlichen Sinn. Denn hier agiert die öffentliche Hand eben gerade nicht staatlich, also nicht verwaltungsrechtlich im Sinne eines Über-Unterordnungsverhältnisses zwischen Staat und Bürger, sondern „normal“ als Partei eines zivilrechtlichen Vertrags. Dies ist ein sog. fiskalisches Handeln des Staates. Er nimmt am Wirtschaftsgeschehen teil und muss sich deshalb auch mindestens genauso wie jeder andere nach den Vorschriften des Privatrechts (= Zivilrechts) behandeln lassen.

Bei ihrem jüngsten Online-Seminar warfen Sie auch einen Blich in die Zukunft der HO-AI, die HOAI 2025 lautet. Können Sie bitte darauf näher eingehen?

Durch das EuGH-Urteil vom 04.07.2019 wurde der Gesetz- und Verordnungsgeber rechtlich verpflichtet, die HOAI zumindest in Bezug auf das Preisrecht zu reformieren, dem EU-Recht anzupassen, das Preisrahmenrecht mithin abzuschaffen. Dafür stand dem Gesetzgeber nur wenig Zeit zur Verfügung, denn eine solche Pflicht ist „unverzüglich“ umzusetzen. In der Regel räumt die EU dem betroffenen Staat dann eine Zeitspanne von 1 – max. 2 Jahren ein. Deshalb haben sich die betroffenen Institutionen darauf beschränkt, mit der am 01.01.2021 in Kraft getretenen Änderung der HOAI auch tatsächlich nur „das Nötigste“ zu regeln, um nun zumindest einmal den EU-Anforderungen zu entsprechen.

In der Praxis besteht aber Einigkeit, dass die HOAI, will sie auch ohne zwingende Preisregeln weiter Beachtung finden, grundlegend zu reformieren ist. Sie entspricht schon lange nicht mehr den heutigen Anforderungen von Bauherrn und Planungsbüros. Sie ist vor allem ausgerichtet auf Neubauten und vermittelt das Bild eines Projektablaufs, das in vielen Bereichen so einfach nicht mehr passt. Darüber besteht bei allen Betroffenen schon lange und ganz unabhängig von dem EU-Thema Einigkeit. Bislang fehlte einfach noch der „letzte Schubs“, diese Aufgabe anzugehen.

Erwarten Sie durch eine mögliche HOAI 2025 grundlegende Verbesserun-gen/Optimierungen („den großen Wurf“) – oder eher kleine Ausbesserungen?

Es ist noch nicht viel bekannt. Aber tatsächlich gibt es einige Anhaltspunkte, dass die Reform sehr grundlegend ausfällt. Möglicherweise bleibt „kein Stein auf dem anderen“ und wir erhalten ein gänzlich neues Regelwerk.

Herr Dr. Althoff, vielen Dank für das Gespräch.
Richard Althoff Portrait
Dr. Richard Althoff
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Partner der Sozietät ALTHOFF KIERNER – Kanzlei für Bau- und Planungsrecht – PmbB in Dresden.
Online-Seminar

Rückblick: HOAI 2021

Dr. Alexander Zahn gibt einen umfassenden Rückblick auf die vergangenen Monate seit Inkrafttreten der HOAI 2021 und geht unter anderem auf die aktuellen Entwicklungen ein.
Bildnachweis: Kritdanai/stock.adobe.com
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