BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der niedrigeren „Sonderbedarfsstufe“
Recht & Verwaltung04 Januar, 2023

BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der niedrigeren „Sonderbedarfsstufe“

Redaktion eGovPraxis Sozialhilfe

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar ist.

Die Entscheidung

Die Entscheidung betrifft alleinstehende Erwachsene, die in Sammelunterkünften wohnen und sich seit mindestens 18 Monaten rechtmäßig in Deutschland aufhalten.

Ihnen hat der Gesetzgeber ab dem 01.09.2019 einen um 10 % geringeren Bedarf an existenzsichernden Leistungen zugeschrieben, indem nicht mehr die Regelbedarfsstufe 1, sondern die in § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG  neu geschaffene „Sonderbedarfsstufe“ der Regelbedarfsstufe 2 zugrunde gelegt wird.

Dies ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums unvereinbar.

Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass es nicht erkennbar sei, dass in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt werden oder erzielt werden können, die eine Absenkung der Leistungen um 10 % tragen würden.

Daneben könne der Gesetzgeber zwar im Sinne des Nachrangs staatlicher Leistungen grundsätzlich auch eine von den Bedürftigen nicht genutzte, ihnen aber an sich tatsächlich eröffnete und zumutbare Möglichkeit von Einsparungen berücksichtigen. Doch fehle es an hinreichend tragfähigen Anhaltspunkten für die Annahme, dass die Voraussetzungen dafür in den Sammelunterkünften auch tatsächlich gegeben sind.

Bedeutung für die Praxis

  • Im Ergebnis sind nunmehr auch an diese Erwachsenen, also an alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften, Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 zu zahlen.

  • Erwachsene Leistungsberechtigte unter 25, die mit ihren Eltern in einer Wohnung leben, erhalten (wie auch im SGB II) Leistungen der Regelbedarfsstufe 3 (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylbLG).

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG vom 24.11.2022 zum Beschluss vom 19.10.2022 - 1 BvL 3/21

Anmerkung der Redaktion

Beachten Sie bitte bezüglich der Regelbedarfsstufen die folgenden Übersichten in der eGovPraxis Sozialhilfe:

Bitte beachten Sie zusätzlich den Beitrag von Herrn Prof. Dr. Becker:

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