Marco Bijok, Experte für Schulrecht
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Das Problem: Kommt es im Kollegium nachhaltig zu Streitigkeiten und nimmt das Vertrauensverhältnis schaden, so sieht der Dienstherr die Lösung bisweilen in einem Tapetenwechsel: der maßgeblich beteiligte Lehrer wird versetzt. Welche Regeln gelten und wie kann sich die Lehrkraft zur Wehr setzen?
Das sagt das Recht
Zunächst ist zu klären, was genau unter einer „Versetzung“ zu verstehen ist. Die Antwort liefern die Landesbeamtengesetze. Danach ist eine Versetzung die auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes bei einer anderen Dienststelle bei demselben (das ist der Normalfall) oder einem anderen Dienstherrn.
Beispiel: Eine Grundschullehrerin wird dauerhaft (sonst: „Abordnung“) von Grundschule A zu Grundschule B versetzt.
Abzugrenzen ist die Versetzung von der „Umsetzung“. Bei Letzterer wird einer Lehrkraft (dauerhaft oder vorübergehend) ein anderer Aufgabenbereich innerhalb derselben Schule übertragen. Sie ist kein Verwaltungsakt, sondern eine rein innerbehördliche, organisatorische Maßnahme. Eine Versetzung bedarf nicht der Zustimmung des betroffenen Lehrers, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, derselben Laufbahn angehört wie das bisherige Amt und mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist; Stellenzulagen gelten hierbei nicht als Bestandteile des Grundgehaltes. Eine Versetzung kann auf Antrag des Beamten erfolgen. Ohne einen solchen Antrag ist Voraussetzung, dass für die Versetzung ein „dienstliches Bedürfnis“ besteht. Ein solches dienstliches Bedürfnis kann aus verwaltungspolitischen oder personalwirtschaftlichen Erwägungen folgen:
Beispiel: Schule A hat einen Überhang an Personal, weshalb sie einen Lehrer an Schule B abgeben soll.
Das dienstliche Bedürfnis kann sich aber auch aus der Person des Lehrers ergeben, insbesondere weil Probleme in der Zusammenarbeit mit Kollegen und/oder Vorgesetzten aufgetreten sind. Um eben diese Fälle, die schon mehrfach die Verwaltungsgerichte beschäftigt haben, soll es hier gehen. Die Rechtsprechung spricht in diesem Zusammenhang von „innerdienstlichen Spannungen“. Da sicherlich jeder schon einmal mit einem Kollegen oder einer Kollegin „angeeckt“ ist, dürfte sich von selbst verstehen, dass kleinere Scharmützel ohne nachhaltige Folgen (Bagatellfälle) für eine Versetzung nicht ausreichen.
Erforderlich sind fortdauernde, „hinreichend gewichtige“ Spannungen, die sich auf den Dienstbetrieb auswirken oder den allgemeinen Schulfrieden nachhaltig stören. Dieses Spannungsverhältnis kann innerdienstlich zwischen Lehrern oder zwischen Lehrern und der Schulverwaltung bestehen. Spannungen können aber auch zwischen Lehrern und Dritten, insb. Eltern, auftreten und dadurch die Erfüllung der Dienstpflichten stören.
Wie sich solche Spannungen manifestieren, wird deutlich in einem aktuellen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts NRW (vom 28.04.2022, 6 B 532/22), der die Versetzung einer Schulleiterin zum Gegenstand hatte. Es gab zahlreiche Beschwerden gegen ihren Kommunikations- und Führungsstil. Bereits zuvor hatten mehrere Lehrkräfte um ihre eigene Versetzung gebeten, um der Schulleiterin aus dem Weg zu gehen:
„Aus den Verwaltungsvorgängen wird das Spannungsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Lehrerkollegium, dem Lehrerrat, der Schulrätin der Schulaufsichtsbehörde sowie dem Schulträger deutlich. In den durch Lehrkräfte bzw. den Lehrerrat für das Lehrerkollegium gegen die Antragstellerin erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerden wird insbesondere ihr Kommunikations- und Führungsstil beanstandet, der die Zusammenarbeit stark belaste. Das Führungsverhalten der Antragstellerin ist auch Gegenstand weiterer formloser, per E-Mail an die untere Schulaufsichtsbehörde gerichteter Beschwerden von Lehrkräften und dem Lehrerrat, in denen in diesem Zusammenhang zum Teil der Wunsch nach einer Tätigkeit an einer anderen Schule geäußert wird. Auch der Schulträger hat sich gegenüber der unteren Schulaufsichtsbehörde über das Verhalten der Antragstellerin im Rahmen einer Schulausschusssitzung beschwert.“
Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Kollegen bezichtigen sich wechselseitig der sexuellen Nötigung bzw. Verleumdung (OVG NRW, 6 B 506/11). Unzureichende Absprachen zwischen Konrektorin und Schulleiter, Defizite in Sozial- und Kommunikationskompetenz (VG München, M 5 S 19.4618).
- Konrektorin verspielt Vertrauen von erweiterter Schulleitung und weiten Teilen des Kollegiums (OVG Weimar, 2 EO 269/19).
- Schulleiterin ist Mitglied in einer Vereinigung, deren Gedankengut mit dem staatlichen Erziehungsauftrag unvereinbar ist („Scientology“) und lässt deren Inhalte in den Unterricht einfließen (OVG Koblenz, 2 B 12250/04).
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es grundsätzlich nicht von Bedeutung ist und deshalb auch nicht näher aufgeklärt werden muss, wie es im Einzelnen zu der Störung in dem ordnungsgemäßen, reibungslosen Ablauf des Schulbetriebes gekommen ist und wen daran gegebenenfalls ein Verschulden bzw. die Verantwortung trifft. Denn Ziel der Versetzung ist vornehmlich nicht die Sanktionierung eines Verhaltens, sondern die Sicherstellung und Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Schulbetriebes (OVG NRW, 6 B 532/22). Es ist daher ausreichend – aber auch erforderlich – dass der zu versetzende Beamte an den Auseinandersetzungen zweifelsfrei mitursächlich beteiligt war (VG München, Beschluss v. 18.11.2019, M 5 S 19.4618). Gegenüber einer „völlig unbeteiligten, offensichtlich nicht involvierten“ Person (VG Düsseldorf, 2 L 763/11) kann natürlich keine Versetzung ausgesprochen werden.
Hat der Dienstherr diese Feststellungen getroffen, so liegt die Entscheidung über die Versetzung in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dieses bezieht sich darauf, ob er eine Versetzung anordnet (Entschließungsermessen) und, wenn ja, gegenüber wem (Auswahlermessen). Dabei hat der Dienstherr aufgrund seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten (§ 45 BeamtStG) auf dessen persönliche Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Schwerwiegende persönliche Gründe können einer Versetzung entgegenstehen (z.B. hohes Alter, beeinträchtigte Gesundheit).
Das dienstliche Interesse an einem ordnungsgemäßen Ablauf des Schulbetriebs und der Wiederherstellung des Schulfriedens hat jedoch grundsätzlich Vorrang vor den persönlichen Belangen des Beamten. Entsprechend schützen auch persönliche Verdienste nicht unbedingt vor einer Versetzung: So musste ein Dienstherr etwa dem Umstand, dass der zu versetzende Lehrer seit 20 Jahren erfolgreich und verdient an der bisherigen Schule tätig war, keine ausschlaggebende Bedeutung beimessen (OVG NRW, Beschluss v. 20.06.2011, 6 B 506/11).
Zu den persönlichen Belangen des Lehrers, die der Dienstherr bei seiner Ermessensentscheidung ggf. zu berücksichtigen hat, kann auch die Entfernung der „neuen“ Schule vom Wohnort des Lehrers zählen. Hier haben die Gerichte z.B. entschieden, dass eine Fahrstrecke von ca. 35 km zur neuen Einsatzschule mit einer Fahrzeit von etwa 40 Minuten zumutbar erscheint (VG München, M 5 S 19.4618). Dieser Gesichtspunkt kann auch eine Rolle bei der Entscheidung spielen, an welche von mehreren in Betracht kommenden Schulen der Lehrer zu versetzen ist.
Bei der Ausübung des Auswahlermessens muss sich die Behörde in der Regel nicht daran orientieren, bei wem ein eventuelles Verschulden an den Spannungen überwiegt bzw. wer mit welchem Verschuldensanteil zur Eskalation des Konflikts beigetragen hat (VG München, a.a.O.). Anderes gilt nur dann, wenn eindeutig ein auf einer Seite allein liegendes Verschulden erkennbar ist.
Im Rahmen der Entscheidung, welcher von zwei (oder mehreren) Streithähnen zu versetzen ist, kann auch eine Rolle spielen, wessen Versetzung den künftigen Dienstbetrieb am wenigsten beeinträchtigen würde („Wer ist entbehrlich?“). Dabei darf auch die dienstliche Stellung der Kontrahenten in den Blick genommen werden.
Rechtsschutz gegen Versetzung
Die Versetzung ist ein Verwaltungsakt. Der zu versetzende Lehrer, der vor Erlass des Verwaltungsakts anzuhören ist, kann gegen die Versetzung daher mit Widerspruch und Anfechtungsklage vorgehen. Beide Rechtsbehelfe entfalten jedoch keine aufschiebende Wirkung (54 Abs. 4 BeamtStG). Sie sind also sofort vollziehbar. In der Praxis spielt daher der Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO eine große Rolle.
Klar zu erkennen ist, dass die Verwaltungsgerichte die Versetzungsentscheidungen weit überwiegend „halten“, also als rechtmäßig ansehen. Dem mag auch die Erwägung zugrunde liegen, dass dem zu versetzenden Lehrer mit einer Rückkehr an seine alte Schule häufig ohnehin nicht gedient ist, weil schlicht „zu viel vorgefallen“ und das Klima nachhaltig vergiftet ist. Zum Teil sprechen die Gerichte dementsprechend auch offen vom Grundsatz „Neuanfang vor Vergangenheitsbewältigung“ (VG Düsseldorf, 2 L 763/11). Das erscheint insbesondere dann sinnvoll, wenn sich ein Konflikt nicht auf zwei Personen beschränkt hat, sondern derart „in die Schulöffentlichkeit gelangt“ ist, dass das gesamte Kollegium, Schüler und Eltern von ihm Kenntnis erlangt haben oder sogar in ihn involviert sind.
Noch leichter lässt sich das „dienstliche Bedürfnis“ begründen, wenn die Lehrkraft den Konflikt in die breitere Öffentlichkeit trägt – und damit zwangsläufig zu dessen Eskalation beiträgt. So gab im Fall des OVG NRW (6 A 4624/04) ein Lehrer einer Lokalzeitung ein Interview, in dem er angab, die Schulleiterin komme mit ihm nicht klar, es sei vor Jahren zum Bruch gekommen und er werde seither von ihr „gemobbt“. Dass der Konflikt „ohne Zutun des Klägers eskaliert ist oder sich die Versetzung aus sonstigen Gründen als unverhältnismäßig darstellt“ konnte das OVG danach – wenig überraschend – nicht feststellen.
Ohnehin ist die Ermessensentscheidung der Behörde durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbar. Nach § 114 VwGO ist lediglich zu überprüfen, ob sich die Behörde in den gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens gehalten und von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Folglich darf das Gericht niemals eigenes Ermessen ausüben oder sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Behörde setzen; die Gerichte sind entsprechend nicht ermächtigt, ihre Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle derjenigen der Behörde zu setzen.
Was für Sie wichtig ist
Ein bis zum Verwaltungsgericht eskalierter Konflikt bindet Ressourcen und schädigt das Schulklima oft über einen langen Zeitraum. Als Schulleiter sollten Sie daher alles daransetzen, sich abzeichnende Konflikte zu deeskalieren. Als hilfreich haben sich hier frühzeitige, klärende Gespräche erwiesen, die von einer Person moderiert werden, der beide Konfliktparteien vertrauen. Je nach Ausmaß des Konflikts kann sich auch eine professionelle Mediation anbieten.
Achten Sie im Übrigen auf eine sorgfältige Dokumentation der Vorfälle, deren Zeuge Sie werden oder die an Sie herangetragen werden. Die Aufsichtsbehörde wird darauf zurückgreifen.