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Recht & Verwaltung12 Februar, 2025

Aus aktuellem Anlass: Wie politisch neutral müssen Lehrkräfte sein?

Marco Bijok

Worum geht es

Die Schule bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen ihrem Auftrag zu einer möglichst realitätsnahen Demokratieerziehung auf der einen und dem ihr auferlegten Gebot zu strikter parteipolitischer Neutralität auf der anderen Seite. Eine wichtige Rolle spielt das Gebot im Politikunterricht. Wie muss dieser inhaltlich ausgestaltet sein? Was darf eine Lehrkraft an eigener politischer Meinung preisgeben? Problematisch ist dies deshalb, weil Schüler:innen sich auch insoweit an ihren Lehrkräften orientieren, der Unterricht daher nicht selten vorentscheidend für das künftige Wahlverhalten der Jugendlichen ist. Aber auch im Rahmen von Projektwochen, Gesprächsabenden oder Podiumsdiskussionen ist das Gebot zu beachten, insbesondere dann, wenn Politiker dazu eingeladen werden. Während das Neutralitätsgebot insbesondere bei schulischen Veranstaltungen Geltung beansprucht, hat eine Lehrkraft das Mäßigungsgebot auch und vor allem bei außerschulischen Aktivitäten zu beachten, gerade in Wahlkampfzeiten.

Das sagt das Recht

Eine für jede Form von politischer Bildung in der Schule (Unterricht, Gesprächsabende etc.) bedeutsame Richtschnur ist der sog. „Beutelsbacher Konsens“. Er legt drei Grundsätze für politische Bildung fest:

  1. Überwältigungs-/Indoktrinationsverbot
    Es ist nicht erlaubt, Schüler:innen – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der "Gewinnung eines selbständigen Urteils" zu hindern. Indoktrination ist unvereinbar mit der Rolle der Lehrkraft in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit der Schüler:innen.
  2. Kontroversitätsgebot
    Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Die Lehrkraft soll unterschiedliche Standpunkte erörtern. Ihre eigene Ansicht darf nicht als einzig richtige erscheinen, andere Ansichten sollen zum Zuge kommen. Denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten.
  3. Schülerorientierung
    Ein:e Schüler:in muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.

Für verbeamtete und angestellte Lehrkräfte gilt danach gleichermaßen, dass sie im Unterricht politische Sachverhalte ausgewogen und sachlich behandeln müssen. Sie brauchen zwar ihre eigene Meinung (und auch ihr eigenes Wahlverhalten) nicht zu verschweigen. Jedoch dürfen sie Schüler:innen ihre eigene Meinung nicht aufdrängen. Sie haben vielmehr dafür zu sorgen, dass – in den Grenzen der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung – auch andere Auffassungen zur Geltung gelangen. Sie müssen Schüler:innen in die Lage versetzen, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Unzulässig wären daher grundsätzlich:

  • Aufrufe, eine bestimmte Partei zu wählen/nicht zu wählen,
  • das Tragen von Kleidungsstücken, Plaketten, Tattoos mit Parolen für oder gegen eine spezifische Partei,
  • unsachliche und abwertende Äußerungen über eine bestimmte Partei,
  • Aufrufe zu Demonstrationen gegen eine Partei.

Bei schulischen Veranstaltungen, zu denen Politiker eingeladen werden, darf keine Partei bevorzugt oder benachteiligt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass zu jeder Veranstaltung stets Vertreter sämtlicher Parteien eingeladen werden müssen. Vielmehr genügt es grundsätzlich, wenn die jeweiligen demokratischen Parteien auf Dauer ausgewogen repräsentiert werden. Eine Auswahl abgestuft nach der Bedeutung der Parteien ist zulässig (sog. „Prinzip der abgestuften Chancengleichheit“).
Mit besonderem Augenmaß sollten Sie in der sog. „heißen Wahlkampfphase“, d.h. den letzten 4-6 Wochen vor einer Europa-, Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahl agieren. In diesem Zeitraum ist die notwendige Ausgewogenheit in besonderer Weise zu gewährleisten, um keiner Partei durch erhöhte Präsenz einen Vorteil zu verschaffen.

In ihrer Freizeit steht es Lehrkräften grundsätzlich frei, sich politisch zu äußern und zu betätigen. Einschränkungen ergeben sich durch das „Mäßigungsgebot“. Mit Rücksicht auf ihre Stellung gegenüber der Allgemeinheit hat die Lehrkraft eine bestimmte Form zu wahren. Kritik sollte stets besonnen, tolerant und sachlich geäußert werden. Zudem wird die Meinungsfreiheit von Lehrkräften auch in ihrer Freizeit durch ihre Pflicht zur Verfassungstreue beschränkt. Kritik an den bestehenden politischen Verhältnissen ist zwar erlaubt. Hinsichtlich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung muss jedoch zumindest ein „Minimalkonsens“ bestehen. So wäre z.B. ein öffentliches Sympathisieren mit rechtsextremem Gedankengut unzulässig.

Immer ist eine klare Trennung zwischen dem Lehreramt und privater Teilnahme am politischen Meinungskampf einzuhalten. In einer Grauzone bewegt sich eine Lehrkraft demnach, wenn sie sich unter Verwendung ihrer Amtsbezeichnung, etwa in Leserbriefen, in eine öffentliche Diskussion einschaltet.

Was für Sie wichtig ist

Jegliche politische Werbung von Parteien im Rahmen von schulischen Veranstaltungen oder auf dem Schulgelände während, unmittelbar vor und im Anschluss an schulische Veranstaltungen ist unzulässig.


Marco Bijok

Experte für Schulrecht

Bildnachweis: undrey/stock.adobe.com

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