Zum 1. Juni 2022 tritt die Abfragepflicht aus dem Wettbewerbsregister in Kraft. Für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen ergeben sich hieraus praktische Pflichten, auf die der folgende Beitrag eingeht.
RA Henning Feldmann
Zum 1. Juni 2022 tritt die Abfragepflicht aus dem Wettbewerbsregister in Kraft. Für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen ergeben sich hieraus praktische Pflichten, auf die der folgende Beitrag eingeht.
RA Henning Feldmann
Das Wettbewerbsregister ist ein bundesweites elektronisches Register, das beim Bundeskartellamt als elektronische Datenbank geführt und verwaltet wird. Es hat den Sinn, öffentlichen Auftraggebern, Sektorenauftraggebern und Konzessionsgebern für Vergabeverfahren Informationen zur Verfügung zu stellen, die es den Auftraggebern ermöglichen, zu überprüfen, ob ein Unternehmen, das sich an einem Vergabeverfahren beteiligt hat, wegen bestimmter Wirtschaftsdelikte von dem Vergabeverfahren auszuschließen ist oder ausgeschlossen werden kann.
Es geht also insbesondere darum, öffentlichen Auftraggebern Informationen zur Verfügung zu stellen, die diese benötigen, um zu überprüfen, ob ein Unternehmen Ausschlussgründe nach § 123 GWB erfüllt. Diese Pflicht besteht bereits derzeit, doch bietet das Wettbewerbsregister nun die Möglichkeit, diese Informationen elektronisch abzufragen. Damit stellt das Wettbewerbsregister eine erhebliche Erleichterung für Auftraggeber dar.
Rechtliche Grundlage für die Einrichtung und den Betrieb des Wettbewerbsregisters ist das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG). Dieses ist am 29. Juli 2017 in Kraft getreten. Am 23. April 2021 trat die Wettbewerbsregisterverordnung (WRegV) in Kraft. Diese regelt insbesondere die Einzelheiten der elektronischen Datenübermittlung an das Wettbewerbsregister.
Was in das Wettbewerbsregister einzutragen ist, ist im Einzelnen in § 2 WRegG geregelt. Ge-nannt sind insbesondere rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen und Strafbefehle, die ergangen sind wegen einer der in § 123 Absatz 1 GWB aufgeführte Straftaten, d.h. etwa wegen Betruges nach § 263 StGB, wegen Subventionsbetrugs nach § 264 StGB, wegen des Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB, wegen Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung sowie wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen nach § 298 StGB.
Eingetragen werden zudem rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen und Strafbefehle sowie rechtskräftige Bußgeldentscheidungen wegen bestimmter Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, gegen das Dritte Buches des Sozialgesetzbuches, gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, gegen das Mindestlohngesetz sowie gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz.
Hierbei gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 WRegG bestimmte „Bagatellgrenzen“, d.h. eine Eintragung erfolgt nur dann, sofern auf Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen erkannt oder eine Geldbuße von wenigstens zweitausendfünfhundert Euro festgesetzt worden ist.
Damit öffentliche Auftraggeber Informationen im Wettbewerbsregister abfragen können, muss das Wettbewerbsregister vorher mit diesen Informationen „gefüttert“ werden. Da es vor allem um strafrechtliche Verurteilungen (z.B. wegen Betruges oder Geldwäsche) und bestimmte Ordnungswidrigkeiten (z.B. Bußgeldbescheide wegen Verstößen gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz oder das Mindestlohngesetz) geht, verfügen nur die Strafverfolgungsbehörden und die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufene Behörden über diese Informationen.
Nachdem das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit Bekanntmachung im Bundesanzeiger vom 29. Oktober 2021 festgestellt hatte, dass die Voraussetzungen für die elektronische Datenübermittlung an das Bundeskartellamt vorliegen, sind die Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden ab dem 01. Dezember 2021 zur Mitteilung registerrelevanter Entscheidungen an das Bundeskartellamt verpflichtet (vgl. §§ 12 und 4 Abs. 1 WRegG). Seit dem 1. Dezember 2021 wird das Wettbewerbsregister daher nach und nach mit Informationen bestückt.
Seit dem 1. Dezember 2021 besteht für öffentliche Auftraggeber auch die Möglichkeit zur Abfrage relevanter Informationen aus dem Wettbewerbsregister. Eine Pflicht zur Abfrage aus dem Wettbewerbsregister gilt aber erst ab dem 1. Juni 2022. Ab dem 1. Juni 2022 sind öffentliche Auftraggeber also ab dem Erreichen bestimmter Wertgrenzen verpflichtet, eine Abfrage an das Wettbewerbsregister zu stellen.
Die Auftragswerte sind in § 6 WRegG geregelt: für öffentliche Auftraggeber nach § 99 GWB gilt diese Pflicht ab einem Auftragswert von 30.000,00 Euro netto, für Sektorenauftraggeber nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB und Konzessionsgeber nach § 101 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB gilt diese Pflicht ab Erreichen der Schwellenwerte für europaweite Vergabeverfahren.
Diese Abfragepflicht beim Wettbewerbsregister ersetzt hierbei die bisherige Einholung einer Auskunft aus dem Gewerbezentralregister. Bis zur Anwendbarkeit der Abfragepflicht ab dem 1. Juni 2022 bleiben die bisher bestehenden Abfragepflichten im Hinblick auf die Korruptionsregister der Länder nach den Landesvergabegesetzen und das Gewerbezentralregister bestehen. Darüber hinaus bleibt die Möglichkeit, das Gewerbezentralregister auf freiwilliger Basis abzufragen, noch für weitere drei Jahre erhalten.
Um der Abfragepflicht ab dem 1. Juni 2022 nachzukommen, müssen öffentliche Auftraggeber sich beim Wettbewerbsregister registrieren und intern die organisatorischen und technischen Voraussetzungen dafür schaffen, Abfragen stellen zu können. Die Registrierung erfolgt durch Nutzung des Registrierungssystems SAFE in Verbindung mit einem Registrierungsantrag an das Bundeskartellamt).
Der Registrierungsantrag muss über einen sicheren Übermittlungsweg erfolgen. Sichere Übermittlungswege sind das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) oder De-Mail. Es mutet hierbei durchaus etwas sonderlich an, dass die De-Mail als ein sicherer Übermittlungsweg vorgesehen ist, hat doch der Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, Timotheus Höttges, dieses Angebot im Jahr 2021 noch selbst als „toten Gaul“ bezeichnet.
Öffentliche Auftraggeber sollten sich zeitnah einen der genannten sicheren Übermittlungswege einrichten und die Registrierung angehen.
Besonderheiten gelten hierbei für öffentliche Auftraggeber, deren Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber nicht ohne Weiteres ersichtlich ist. Dies sind vor allem juristische Personen des Privatrechts. Diese Auftraggeber müssen sich aus Authentifizierungsgründen für die Übermittlung des Registrierungsantrags an die Behörde oder Gebietskörperschaft wenden, von der sich ihre Eigenschaft als öffentliche Auftraggeber ableitet. Für diese Auftraggeber genügt es, wenn die betreffende Behörde oder die Gebietskörperschaft über einen der sicheren Übermittlungswege verfügt.
Unternehmen müssen sich der Tatsache gewahr sein, dass die oben genannten strafrechtlichen Verurteilungen oder Bußgeldbescheide ins Wettbewerbsregister aufgenommen und somit öffentlichen Auftraggebern bekannt werden. Erst ab dem 1. Juni 2022 haben Unternehmen die Möglichkeit, abzufragen, ob es Eintragungen über sie im Wettbewerbsregister gibt.
Sollten Unternehmen bzw. deren Verantwortlichen wegen der in § 2 WRegG genannten Wirtschaftsdelikte verurteilt worden sein, besteht die Möglichkeit zur Selbstreinigung. Die Vorgaben und Anforderungen an eine Selbstreinigung sind im Einzelnen in § 123 Abs. 4 Satz 2 GWB bzw. § 125 GWB geregelt. Diese Möglichkeit bestand und besteht auch vor dem Wettbewerbsregister. Ob ein Unternehmen die Voraussetzungen der Selbstreinigung erfüllt, haben die Auftraggeber bislang im Einzelfall bewertet. Betroffene Bieter haben durch das Wettbewerbsregister nun zusätzliche Möglichkeiten.
Ein Unternehmen kann zum einen zu einer bereits vorliegenden Eintragung im Wettbewerbsregister ein Formular hinterlegen, in dem das Unternehmen die abfragenden öffentlichen Auftraggeber darüber informiert, dass und warum es aus seiner Sicht die Voraussetzungen einer Selbstreinigung bereits erfüllt hat (vgl. § 3 Abs. 2 WRegG). So können Unternehmen sicherstellen, dass jeder Auftraggeber über die getroffenen Selbstreinigungsmaßnahmen informiert wird, noch bevor die Entscheidung über einen Angebotsausschluss getroffen wird. Das Bundeskartellamt stellt hierfür auf ihrer Webseite ein standardisiertes Formular zur Verfügung.
Auch kann ein Unternehmen beim Bundeskartellamt einen Antrag auf vorzeitige Löschung aus dem Wettbewerbsregister wegen durchgeführter Selbstreinigung stellen (vgl. § 8 WRegG). Ein solcher Antrag ist unabhängig von einem konkreten Vergabeverfahren. Er steht nur Unternehmen offen, die in das Register eingetragen sind und sich auf die Vergabe öffentlicher Aufträge bewerben oder dies beabsichtigen.
Die vorzeitige Löschung erfolgt, wenn das Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Löschung glaubhaft macht (dies dürfte immer dann gegeben sein, wenn sich das Unternehmen um öffentliche Aufträge bewerben will) und wenn die Selbstreinigung nach den Vorgaben der§ 123 Abs. 4 Satz 2 GWB bzw. § 125 GWB nachgewiesen ist.
Gelingt dem Unternehmen der Nachweis der Selbstreinigung vor dem Bundeskartellamt, dann erfolgt die Löschung aus dem Wettbewerbsregister. Diese positive Entscheidung bindet alle Auftraggeber, d.h. das Fehlverhalten, das aus dem Wettbewerbsregister entfernt wurde, darf nicht mehr als Ausschlussgrund berücksichtigt werden.
Nähere Informationen zum Wettbewerbsregister und vor allem zur Registrierung stellt das Bundeskartellamt zur Verfügung.