Der Windenergieausbau konnte bisher in Deutschland nicht richtig Fahrt aufnehmen. Mittlerweile scheint ein Umdenken statt zu finden, wodurch sich auch die letzten Bremsen lösen könnten.
Vorsitzender Richter Jens Saurenhaus
§ 2 Satz 1 EEG in der seit Ende Juli 2022 geltenden Fassung bringt es auf den Punkt: Der Ausbau erneuerbarer Energien liegt im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit. Die zentrale Bedeutung erneuerbarer Energien für den Klimaschutz steht seit längerem klar vor Augen.
Neues Gewicht hat der Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit gewonnen. Nachdem in der Diskussion um die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke zunächst noch leichtfertig geäußert wurde, es gebe ein Gas-, aber kein Stromproblem, ist inzwischen klar, dass die Sicherheit der Stromversorgung keineswegs mehr so selbstverständlich ist, wie wir es jahrzehntelang gewohnt waren – und dass damit eine der empfindlichsten Stellen in den Fokus gerückt ist, die unsere hochentwickelte Gesellschaft aufweist.
Seitdem wir wissen, dass jede Kilowattstunde zählt, ist der Blick auf die Energiepolitik ein anderer geworden. Dies zeigt sich an vielen Stellen und auch bei der Beurteilung der Dringlichkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien und hier insbesondere der Windenergie. Der Bundestag hat im Juli 2022 mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ ein umfangreiches Regelungspaket beschlossen (vgl. dazu etwa Scheidler, BauR 2022, 1419 ff.), dessen Tauglichkeit, die gesetzten Ausbauziele zu erreichen, die Praxis noch erweisen muss. Das geschärfte Bewusstsein für die Bedeutung eines schnellen Ausbaus der Windenergie beeinflusst, aber auch unmittelbar das Verhalten von an Genehmigungs- und Rechtsschutzverfahren beteiligten Akteuren.
Nach den bisherigen Eindrücken des Verfassers Dr. Alfred Scheidler des im Oktober 2022 veröffentlichten Beitrags zeigen sich insbesondere bei den Gemeinden erste Anzeichen dafür, bisher eingenommene Haltungen zu überdenken. In der Vergangenheit waren es nicht selten die Kommunen, die den Windenergieausbau bremsten. Sie versagten in Genehmigungsverfahren ihr Einvernehmen und stellten nach § 15 Abs. 3 BauGB Zurückstellungsanträge vor dem Hintergrund zumindest gelegentlich nur schleppend betriebener Planungsverfahren (vgl. dazu etwa OVG NRW, Urt. v. 19.08.2022 – 22 B 705/22.AK, abgedruckt in diesem Heft auf S. 64 ff.).
Erblickten Teilflächennutzungspläne „Wind“ mit Konzentrationsflächendarstellungen (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) dann schließlich das Licht der Welt, waren die (auffällig häufig an der Grenze zu Nachbargemeinden dargestellten) Konzentrationszonen oft eng geschnitten – nach der etwa in Ratsprotokollen immer wieder zu Tage tretenden Maxime „Windenergie ist an sich eine gute Sache, das eigene Gemeindegebiet eignet sich dafür aber weniger“.
Diese Planungen erwiesen sich – jedenfalls in NRW – zwar durchweg als unwirksam, weil sie entweder schon nicht in rechtstaatlichen Maßstäben genügender Weise bekannt gemacht worden waren oder aber jene anspruchsvollen, in der Praxis schwer zu bewältigenden Anforderungen an Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis verfehlten, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung entwickelt hat (vgl. dazu bspw. OVG NRW, Urt. v. 29.09.2022 – 7 D 71/19.NE, abgedruckt in diesem Heft auf S. 33 ff.).
Sie blockierten gleichwohl Genehmigungsverfahren für im Bereich der Ausschlusswirkung liegende Standorte, bis dann nach Jahren oft erst am Ende des Instanzenzuges eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorlag, die die Unwirksamkeit der jeweiligen Planung feststellte. Derweil wurde nicht selten schon eine Ersatzplanung vorangetrieben, die erneut die aufgezeigten Folgen zeitigte. Nicht zuletzt beschritten Gemeinden auch den Klageweg gegen erteilte Genehmigungen.
Diese immer wieder auf die Abwehr von Windenergieanlagen im eigenen Gemeindegebiet gerichtete Front bekommt erste Risse. So wird etwa das stattgebende, von einem Windkraftunternehmen erstrittene Normenkontrollurteil, das die Unwirksamkeit einer Konzentrationsflächenplanung feststellt, ohne Rechtsmittel akzeptiert und mit dem Bemerken quittiert, nunmehr stehe der Außenbereich der Gemeinde uneingeschränkt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Windkraftnutzung zur Verfügung.
Oder es wird ein über lange Zeit mit Engagement und Aufwand betriebenes gegen die Genehmigung von Windkraftanlagen gerichtetes Klageverfahren in der Rechtsmittelinstanz durch Klagerücknahme der Gemeinde beendet, nachdem der Rat dies unter dem Eindruck der aktuellen Verhältnisse beschlossen hat.
Ob sich diese Entwicklung verfestigt und inwieweit das neue „Mindset“ das Verhalten auch der übrigen Beteiligten – namentlich der Genehmigungsbehörden, der Naturschutzverbände und betroffener Nachbarn – im Sinne einer größeren Aufgeschlossenheit gegenüber der Windenergie zu steuern vermag, bleibt abzuwarten. Dem Klimaschutz und der Versorgungssicherheit täte es jedenfalls gut.
Der vorliegende Beitrag von Herrn Jens Saurenhaus ist aus unserer Zeitschrift baurecht.
Vorsitzender Richter Jens Saurenhaus
§ 2 Satz 1 EEG in der seit Ende Juli 2022 geltenden Fassung bringt es auf den Punkt: Der Ausbau erneuerbarer Energien liegt im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit. Die zentrale Bedeutung erneuerbarer Energien für den Klimaschutz steht seit längerem klar vor Augen.
Neues Gewicht hat der Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit gewonnen. Nachdem in der Diskussion um die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke zunächst noch leichtfertig geäußert wurde, es gebe ein Gas-, aber kein Stromproblem, ist inzwischen klar, dass die Sicherheit der Stromversorgung keineswegs mehr so selbstverständlich ist, wie wir es jahrzehntelang gewohnt waren – und dass damit eine der empfindlichsten Stellen in den Fokus gerückt ist, die unsere hochentwickelte Gesellschaft aufweist.
Geänderter Blick auf die Energiepolitik
Seitdem wir wissen, dass jede Kilowattstunde zählt, ist der Blick auf die Energiepolitik ein anderer geworden. Dies zeigt sich an vielen Stellen und auch bei der Beurteilung der Dringlichkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien und hier insbesondere der Windenergie. Der Bundestag hat im Juli 2022 mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ ein umfangreiches Regelungspaket beschlossen (vgl. dazu etwa Scheidler, BauR 2022, 1419 ff.), dessen Tauglichkeit, die gesetzten Ausbauziele zu erreichen, die Praxis noch erweisen muss. Das geschärfte Bewusstsein für die Bedeutung eines schnellen Ausbaus der Windenergie beeinflusst, aber auch unmittelbar das Verhalten von an Genehmigungs- und Rechtsschutzverfahren beteiligten Akteuren. Nach den bisherigen Eindrücken des Verfassers Dr. Alfred Scheidler des im Oktober 2022 veröffentlichten Beitrags zeigen sich insbesondere bei den Gemeinden erste Anzeichen dafür, bisher eingenommene Haltungen zu überdenken. In der Vergangenheit waren es nicht selten die Kommunen, die den Windenergieausbau bremsten. Sie versagten in Genehmigungsverfahren ihr Einvernehmen und stellten nach § 15 Abs. 3 BauGB Zurückstellungsanträge vor dem Hintergrund zumindest gelegentlich nur schleppend betriebener Planungsverfahren (vgl. dazu etwa OVG NRW, Urt. v. 19.08.2022 – 22 B 705/22.AK, abgedruckt in diesem Heft auf S. 64 ff.).
Erblickten Teilflächennutzungspläne „Wind“ mit Konzentrationsflächendarstellungen (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) dann schließlich das Licht der Welt, waren die (auffällig häufig an der Grenze zu Nachbargemeinden dargestellten) Konzentrationszonen oft eng geschnitten – nach der etwa in Ratsprotokollen immer wieder zu Tage tretenden Maxime „Windenergie ist an sich eine gute Sache, das eigene Gemeindegebiet eignet sich dafür aber weniger“.
Unwirksamkeit der jeweiligen Planung
Diese Planungen erwiesen sich – jedenfalls in NRW – zwar durchweg als unwirksam, weil sie entweder schon nicht in rechtstaatlichen Maßstäben genügender Weise bekannt gemacht worden waren oder aber jene anspruchsvollen, in der Praxis schwer zu bewältigenden Anforderungen an Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis verfehlten, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung entwickelt hat (vgl. dazu bspw. OVG NRW, Urt. v. 29.09.2022 – 7 D 71/19.NE, abgedruckt in diesem Heft auf S. 33 ff.). Sie blockierten gleichwohl Genehmigungsverfahren für im Bereich der Ausschlusswirkung liegende Standorte, bis dann nach Jahren oft erst am Ende des Instanzenzuges eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorlag, die die Unwirksamkeit der jeweiligen Planung feststellte. Derweil wurde nicht selten schon eine Ersatzplanung vorangetrieben, die erneut die aufgezeigten Folgen zeitigte. Nicht zuletzt beschritten Gemeinden auch den Klageweg gegen erteilte Genehmigungen.
Rückenwind durch neues Mindset
Diese immer wieder auf die Abwehr von Windenergieanlagen im eigenen Gemeindegebiet gerichtete Front bekommt erste Risse. So wird etwa das stattgebende, von einem Windkraftunternehmen erstrittene Normenkontrollurteil, das die Unwirksamkeit einer Konzentrationsflächenplanung feststellt, ohne Rechtsmittel akzeptiert und mit dem Bemerken quittiert, nunmehr stehe der Außenbereich der Gemeinde uneingeschränkt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Windkraftnutzung zur Verfügung. Oder es wird ein über lange Zeit mit Engagement und Aufwand betriebenes gegen die Genehmigung von Windkraftanlagen gerichtetes Klageverfahren in der Rechtsmittelinstanz durch Klagerücknahme der Gemeinde beendet, nachdem der Rat dies unter dem Eindruck der aktuellen Verhältnisse beschlossen hat.
Ob sich diese Entwicklung verfestigt und inwieweit das neue „Mindset“ das Verhalten auch der übrigen Beteiligten – namentlich der Genehmigungsbehörden, der Naturschutzverbände und betroffener Nachbarn – im Sinne einer größeren Aufgeschlossenheit gegenüber der Windenergie zu steuern vermag, bleibt abzuwarten. Dem Klimaschutz und der Versorgungssicherheit täte es jedenfalls gut.
Der vorliegende Beitrag von Herrn Jens Saurenhaus ist aus unserer Zeitschrift baurecht.