Erhöhter Beihilfeanspruch wegen Pflegebedürftigkeit einer Ruhestandsbeamtin?
Die Klägerin ist Ruhestandsbeamtin des beklagten Landes und als solche beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 70 %. Seit einer Gehirnblutung durch Ruptur eines Aneurysmas im Jahr 2016 befindet sie sich im Wachkoma und ist auf eine 24-Stunden-Pflege angewiesen, die sie in der 24-Stunden-Wohngruppe des ambulanten Pflegedienstes G. GmbH in X. erhält.
Mit E-Mail vom November 2018 teilte die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann und Betreuer, dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV NRW) mit, dass sie aufgrund der für die Pflegeleistungen zu zahlenden Eigenanteile und der Raummiete an ihre finanziellen Grenzen stoße. Das LBV NRW wies mit Schreiben vom 04.12.2018 darauf hin, dass eine Erhöhung des Bemessungssatzes bei der Pflege ausgeschlossen sei.
Mit Schreiben vom Dezember 2018 erhob die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, Widerspruch und beantragte für das Jahr 2018 die Zahlung einer zusätzlichen Geldleistung (Beihilfe) in Höhe von 1.895,57 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2019 wies das LBV NRW den Widerspruch zurück. Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben.
Kein Anspruch auf zusätzliche Beihilfe für Pflegeaufwendungen
Das VG Düsseldorf mit dem vorliegenden Urteil zu dem Umfang eines Beihilfeanspruchs bei Pflegebedürftigkeit Stellung genommen. Es hat entschieden, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfeleistungen zu den bisher nicht durch die Beihilfe und private Pflegeversicherung übernommenen Pflegeaufwendungen.
Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 5a Abs. 1 der Beihilfenverordnung NRW (BVO NRW).
Danach seien Aufwendungen für häusliche Pflege in Form körperbezogener Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung (häusliche Pflegehilfe) in Höhe der in § 36 Abs. 3 SGB XI genannten Beträge beihilfefähig.
Nach § 36 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI in der hier anwendbaren Fassung vom 23.12.2016 umfasse der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 1.995,- Euro. Daher bestehe hier kein Beihilfeanspruch, der über die im maßgeblichen Zeitraum bereits gewährten Beihilfen hinausgehe.
Die Klägerin habe auch keinen unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn abzuleitenden Anspruch auf Verpflichtung des beklagten Landes, ihr für das Kalenderjahr 2018 weitere Beihilfen zu gewähren.
Ein solcher Beihilfeanspruch unmittelbar aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn könne unter anderem dann bestehen, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibe, die er durch die Regelalimentation oder eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen könne. Dies gelte auch für Aufwendungen im Fall der stationären und häuslichen Pflege.
Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Denn die Belastung der Klägerin mit finanziellen Kosten für durch die Beihilfe und die Leistungen der privaten Pflegeversicherung nicht gedeckte Pflegeaufwendungen aufgrund der hierfür festgelegten Höchstbeträge hätte im Rahmen der zumutbaren Eigenvorsorge durch den Abschluss einer Pflegezusatzversicherung vermieden werden können.
Seit dem 01.07.1996 habe für Beamte eine Obliegenheit bestanden, für den Fall der Pflegebedürftigkeit im Rahmen der zumutbaren Eigenvorsorge eine Pflegezusatzversicherung abzuschließen.
Personen, die wie die Klägerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der zweiten Stufe des PflegeVG am 01.07.1996 das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, könnten im Regelfall zumutbar eine Pflegezusatzversicherung abschließen.
Zwar sei eine Eigenvorsorge nur dann finanziell zumutbar, wenn die dem Beamten gewährte Regelalimentation betragsmäßig so bemessen sei, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie auch nach Abzug der Kosten für die Eigenvorsorge (Versicherungsprämien) gewahrt bleibe. Dies sei hier jedoch der Fall.
Die Fürsorgepflicht gebiete es außerdem grundsätzlich nicht, über die in den Beihilfevorschriften festgelegten Ansprüche hinaus eine Untergrenze für die Beihilfe so festzulegen, dass die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person im Falle einer notwendigen dauernden Unterbringung wegen Pflegebedürftigkeit nicht auch auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz angewiesen sein könne.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erhöhung ihres Beihilfebemessungssatzes aus § 12 Abs. 4 S. 1 lit. c) BVO NRW. Denn es liege kein besonderer Ausnahmefall vor.
Praktische Bedeutung des Urteils des VG Düsseldorf vom 25.11.2022 – 26 K 4568/19 –
Das VG Düsseldorf macht in diesem Urteil auch deutlich, dass sich Beamte und Versorgungsempfänger darauf einstellen mussten, dass die Pflegepflichtversicherung nach der Einführung des Pflege-Versicherungsgesetzes im Mai 1994 nur eine Basisversicherung darstellt und ihnen aufgrund der geänderten Beihilfevorschriften bei stationärer bzw. häuslicher Pflege ungedeckte Pflegekosten in hohem Umfang entstehen. Es lag nach Auffassung des VG daher nahe, eine private Zusatzvorsorge für potenzielle künftige Pflegeleistungen in Form einer ergänzenden Pflegezusatzversicherung zu treffen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 16.12.2020 - 2 D 291/19).
Das VG betont außerdem, dass ein Beihilfeanspruch bereits im Grundsatz der Höhe nach auf tatsächlich entstandene Aufwendungen begrenzt ist. Ein etwaiger weitergehender Anspruch des klagenden pflegebedürftigen Ruhestandsbeamten auf amtsangemessene Alimentation unter Zugrundelegung einer "beamtenrechtlichen Mindestgrundsicherung" kann aus Sicht des VG daher ausschließlich in einem separaten Verfahren gegenüber dem beklagten Land und ggf. in einem separaten versorgungsrechtlichen Klageverfahren geltend gemacht werden.