Voraussetzungen einer Gewährung einer Beihilfe für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung
Recht & Verwaltung27 Mai, 2022

Gewährung von Beihilfen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung

von Redaktion eGovPraxis Personal

Sachverhalt

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Beihilfe für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.

Der Kläger ist gegenüber der Beklagten mit einem Bemessungssatz von 70 v.H. beihilfeberechtigt. Er ist infolge eines erhöhten Anteils an verformten Spermien eingeschränkt zeugungsfähig, seine Ehefrau leidet zudem an einer sekundären Paarsterilität und fraglicher Tubendurchgängigkeit. Aus diesem Grund ließen der Kläger und seine Ehefrau im November 2016 eine künstliche Befruchtung mittels einer Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) durchführen. Hierfür entstanden insgesamt Aufwendungen in Höhe von 6.786,88 Euro. Von diesen Aufwendungen entfielen 1.939,68 Euro auf extrakorporale Maßnahmen und 4.847,20 Euro auf Maßnahmen, die ausschließlich am Körper der Ehefrau des Klägers durchgeführt bzw. auf Arzneimittel, die dieser verordnet wurden.

Den bezogen auf 50 v.H. der Gesamtaufwendungen gestellten Antrag des Klägers, ihm eine Beihilfe zu zahlen, lehnte die Beklagte ab.

Die geltend gemachten Aufwendungen seien nicht beihilfefähig, weil sie keine Maßnahmen beträfen, die ausschließlich am Körper des Klägers durchgeführt worden seien.

Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren auf Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 2.375,41 Euro erhobene Klage des Klägers abgewiesen.

Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidung

Das BVerwG hat mit dem vorliegenden Urteil vom 29.07.2021 – 5 C 18/19 – zu den Voraussetzungen einer Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die aus Anlass einer künstlichen Befruchtung erbrachten extrakorporalen Maßnahmen Stellung genommen.

Das BVerwG hat entschieden, dass der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen der extrakorporal durchgeführten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Eizellen und Samen nicht nach § 8 Abs. 4 S. 1 und S. 3 Nr. 2 Halbs. 1 der Bundesbeihilfeverordnung -BBhV -a.F. ausgeschlossen ist. § 43 Abs. 1 BBhV a.F. über die Beihilfefähigkeit einer künstlichen Befruchtung übertrage mit der Bezugnahme auf die Grundsätze nach § 27a SGB V das in § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V normierte anwendungsbezogene Körperprinzip in das Beihilferecht.

Nach § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V übernehme die Krankenkasse 50 v.H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Die Vorschrift enthalte nach Wortlaut, Normzweck und systematischer Stellung eine Zuordnungsregelung, die die Gesamtkosten einer künstlichen Befruchtung im vorliegenden Zusammenhang auf den Beihilfeberechtigten und seinen Ehegatten aufteile und dabei grundsätzlich danach differenziere, an wessen Körper der jeweilige Teil der Behandlung vorgenommen werde. Daher erstrecke sich der Anspruch des Beihilfeberechtigten bei einer künstlichen Befruchtung auf alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen, d.h. auf die unmittelbar an oder in seinem Körper (bzw. dem seines Ehegatten, wenn dieser beihilferechtlich berücksichtigungsfähig ist) vorzunehmenden Maßnahmen und sämtliche extrakorporalen Maßnahmen.§ 43 Abs. 1 BBhV a.F. übernehme außerdem zulässigerweise die in § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V geregelte Begrenzung des Leistungsumfangs bei künstlicher Befruchtung. Die Vorschrift des § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V sehe nur eine Übernahme von 50 v.H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten vor. Gegen diese Begrenzung auf 50 v.H. der Kosten einer künstlichen Befruchtung, die dazu führe, dass die Versicherten die anderen 50 v.H. als Eigenanteil zu tragen hätten, bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die extrakorporalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Eizellen und Samen sei darüber hinaus hier nicht nach § 8 Abs. 4 S. 1 und S. 3 Nr. 2 Halbs. 1 BBhV a.F. ausgeschlossen. Nach § 8 Abs. 4 S. 1 BBhV a.F. seien erbrachte Sach- und Dienstleistungen nach § 2 Abs. 2 SGV V nicht beihilfefähig. Im konkreten Fall seien jedoch die im November 2016 durchgeführten Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht als Sachleistungen erbracht worden. Der nach § 8 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 Halbs. 1 i.V.m. S. 1 BBhV a.F. angeordnete Beihilfeausschluss setze zudem voraus, dass zwischen demjenigen, dem Aufwendungen entstanden sind, die nach dem übrigen Inhalt der Beihilfevorschriften an sich beihilfefähig sind, und demjenigen, dem ein Anspruch auf Verschaffung der entsprechenden Leistungen als Sach- und Dienstleistungen zusteht -anders als hier -Personenidentität bestehe. Der Anwendungsbereich der Vorschrift könne bezüglich der in Rede stehenden extrakorporalen Maßnahmen auch nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung im Sinne der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs erweitert werden.

Die Beklagte werde im Ergebnis verpflichtet, dem Kläger eine Beihilfe in Höhe von 678,88 Euro zu gewähren.

Praktische Bedeutung

Das BVerwG klärt mit dieser Entscheidung die Voraussetzungen einer Gewährung einer Beihilfe für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.

Das BVerwG weist hierbei darauf hin, dass medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht als Behandlung einer Krankheit anzusehen sind, sondern nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch unterstellt werden und insoweit einen eigenständigen Versicherungsfall bilden. Aus Sicht des BVerwG ist der Normgeber nicht durch die Fürsorgepflicht von Verfassungs wegen gehalten, die Gewährung der Beihilfe so zu regeln, dass die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen zwingend und allein an eine Krankheit des Beihilfeberechtigten (oder der berücksichtigungsfähigen Angehörigen) anzuknüpfen hat.

Bildnachweis: nenetus/stock.adobe.com
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