Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Bestimmung des Vermögensfreibetrages aufgrund der derzeit geltenden Corona-Sonderregelungen nicht in allen Fällen anwendbar sind.
Eine Juristin hatte im Mai 2020 erstmals Grundsicherungsleistungen beantragt. Im vereinfachten Verfahren nach § 67 SGB II mussten im Antrag nur Angaben zu etwaigen Vermögen von über 60.000 Euro gemacht werden. Das Jobcenter forderte Kontoauszüge an. Aus diesen ergab sich, dass 59.900 Euro auf dem Konto vorhanden waren und kurz zuvor zweimal 2.000 Euro abgehoben worden waren. Verwendungsnachweise wurden nicht vorgelegt.
Mit der Begründung erheblichen Vermögens von mehr als 60.000 Euro lehnte das Jobcenter den Antrag ab, da keine Nachweise für die Verwendung der Barabhebungen erbracht worden sei.
Vereinfachung ja, aber nicht auf Basis starrer Vermögensbeträge
Das LSG wies die Klage der Juristin gegen diese Entscheidung ab. Zunächst sei schon zweifelhaft, ob die Corona-Sonderregelung hier überhaupt anwendbar sind, da die Lage der Juristin nicht mit der besonderen Situation von Einkommenseinbußen bei Kleinunternehmen und Solo-Selbstständigen vergleichbar sei. In jedem Falle könne aber keinesfalls ein fester Vermögensbetrag maßgeblich sein: Die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit orientierten sich an den Verwaltungsvorschriften zum Wohngeldgesetz, so das LSG, die aber im einschlägigen Sozialgesetzbuch II keine Stütze fänden. Ob ein Antrag auf Hartz-IV-Leistungen missbräuchlich ist oder nicht, könne nicht auf Basis pauschaler und starrer Vermögensgrenzen erfolgen. Außerdem stellten frühere Freibetragsgrenzen der Vermögenssteuer, die seit Jahren abgeschafft seien, keinen geeigneten Maßstab dar.
Von einem erheblichen Vermögen müsse stattdessen immer dann ausgegangen werden, wenn "im Einzelfall für jedermann offenkundig sei, dass Grundsicherungsleistungen nicht gerechtfertigt sind", befand das Gericht. So könne auch beispielsweise Betriebsvermögen von über 60.000 Euro in anderen Fällen unbedenklich sein, während im Fall der Juristin aus Hannover das allgemeine Schonvermögen maßgeblich sei, das für alle Hartz-IV-Empfänger gelte.
Quelle: LTO vom 08.02.2021 zum Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.1.2021, L 7 AS 5/21 B ER.
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Recht & Verwaltung19 Februar, 2021