Sachverhalt und Entscheidung zum SGB II
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass Schüler einer iPad-Klasse keinen Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten eines Tablets durch den Grundsicherungsträger haben.
Zugrunde lag das Verfahren einer Sechstklässlerin aus der Region Hannover, deren Familie Hartz IV bezieht. Mit Beginn des zweiten Schulhalbjahres war durch die Schule die unterstützende Nutzung eines iPads vorgesehen, das von den Eltern zu finanzieren war. Die Schülerin entschied sich für das teuerste Neugerät und beantragte beim Jobcenter die Erstattung der Kosten von rd. 460 €. Das Jobcenter lehnte den Antrag ab und war allenfalls bereit, ein Darlehen zu gewähren. Demgegenüber meinte die Schülerin, dass sie ohne iPad die Hausaufgaben in Papierform bekäme und dadurch ausgegrenzt werde. Ihre Eltern hätten der Einführung einer iPad-Klasse auch nur zugestimmt, weil sie glaubten, die Kosten vom Jobcenter zu bekommen.
Das LSG hat die Rechtsauffassung des Jobcenters bestätigt. Kosten für digitale Geräte seien aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Es liege kein Mehrbedarf vor, weil ein iPad weder schulrechtlich vorgeschrieben sei, noch zum Erreichen des Schulabschlusses erforderlich sei. Gegenüber einkommensschwachen Familien knapp oberhalb von Hartz IV stelle ein iPad einen Luxus dar und keinen notwendigen Schulbedarf. Zudem obliege die Ausstattung mit Lernmitteln dem Schulträger, der für Grundsicherungsempfänger bei der Einrichtung von iPad-Klassen kostenfreie Leihmöglichkeiten schaffen müsse. Denn Bedarfe, die der Durchführung des Unterrichts selbst dienten, lägen in der Verantwortung der Schule und dürften weder auf die Eltern noch auf das Jobcenter abgewälzt werden. Dadurch, dass einzelne Schulen eine solche Ausstattung verlangen würden, werde ein iPad noch nicht zum soziokulturellen Existenzminimum eines Schülers. Ferner habe die Schule durch die Bevorzugung der Fa. Apple gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen. Ein solcher Rechtsbruch könne nicht durch den Einsatz öffentlicher Mittel unterstützt werden.
Quelle: Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 02.11.2020 zum Beschluss vom 6. Oktober 2020 – L 7 AS 66/19
Praxistipp: Nur eingeschränkte Übertragbarkeit auf Fälle des SGB XII
Diese Entscheidung ist nach Auffassung unseres Experten Prof. Dr. Peter Becker nur eingeschränkt auf Fälle des SGB XII übertragbar:
- Auch im SGB XII gilt die Aussage: "Kosten für digitale Geräte sind bereits vom Regelbedarf im Sinne des § 20 Abs. 1 SGB II erfasst." Der Regelbedarf = Regelsatz im SGB II und SGB XII sind gleich (§ 27a SGB XII).
- Ebenso übertragbar ist die Aussage: "... sind auch in dem der Klägerin bereits bewilligten sog. Schülerstarterpaket nach § 28 Abs. 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2019 gültigen Fassung (a.F.) Kosten für die digitale Ausstattung von Schülerinnen und Schülern enthalten." Die maßgebliche Norm ist hier § 34 SGB XII.
- Nicht oder nur eingeschränkt übertragbar ist die entscheidende Begründung: "Ein Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II liegt nicht vor." Denn diesen Härtefallmehrbedarf gibt es so nicht im SGB XII. Es besteht nur die Möglichkeit zu einer abweichenden Bemessung des Regelsatz nach § 27a Abs 4 SGB XII. (Lesen Sie hierzu auch die Ausführungen in eGovPraxis Sozialhilfe, beginnend mit Einstiegsinformation zur abweichenden Regelsatzfestsetzung)
Denkbar im SGB XII wäre als Rechtsgrundlage zudem § 73 SGB XII. (Lesen Sie hierzu auch die Ausführungen in eGovPraxis Sozialhilfe, beginnend mit Einstiegsinformationen zur Hilfe in sonstigen Lebenslagen)
Im Übrigen könnte sich derzeit auch auf Grund der Corona-Pandemie ein anderes Bild ergeben, der vorliegende Fall war in 2018 davon noch nicht beeinflusst.