Vergabeverfahren, Bieter, Beteiligung, Datenschutz, Referenzangaben
Recht & Verwaltung15 November, 2023

Konkrete Referenzangaben im Spannungsfeld zum Datenschutz

Referenzen sind in der Praxis der mit Abstand wichtigste Teil der Eignungsprüfung. Im Spannungsfeld zwischen Vergaberecht und Datenschutzrecht steht hierbei die Frage, ob Auftraggeber konkrete Referenzangaben fordern dürfen oder ob sie sich mit anonymisierten Referenzen zufriedengeben müssen.

RA Henning Feldmann


Bedeutung von Referenzen

In der vergaberechtlichen Praxis sind Referenzen nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV bei der Eignungsprüfung von kaum zu überschätzender Bedeutung. Jedenfalls da, wo ein Auftraggeber sich nicht dafür entscheidet, dass ein Vergabeverfahren auch „Newcomern“ am Markt offenstehen soll, gibt kaum etwas Anderes so verlässlich Auskunft über die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit eines Bieters wie Referenzen, mit denen der Bieter Erfahrungen mit dem konkreten Auftragsgegenstand aus der Vergangenheit nachweist.

Eine Referenz ist in der Praxis jedoch auch im Ergebnis nur dann etwas wert, wenn der Referenzauftrag auch erfolgreich und zur Zufriedenheit des Referenzauftraggebers ausgeführt worden ist. Denn nur dann, wenn ein Bieter in der Vergangenheit bereits vergleichbare Aufträge auch erfolgreich und zur Zufriedenheit des Referenzauftraggebers ausgeführt hat, kann der Auftraggeber auch die Prognose treffen, dass er dies auch in der Zukunft wird tun können. Dies bedeutet in der Praxis zwei Dinge:

  • Erstens: anonyme Referenzen ohne Angaben des Referenzauftraggebers helfen dem Auftraggeber kaum. Wenn ein Bieter in einem Vergabeverfahren beispielsweise über Straßenbauarbeiten einen Referenzauftrag lediglich beschreibt mit „Bau einer Straße von 500m Länge inklusive Fahrbahnmarkierungen“, dann hilft dies dem Auftraggeber dann nicht, wenn er weder den Referenzauftraggeber kennt noch weiß, wo diese Straße liegt. Denn dann weiß er nicht, ob die Straße nach den Vorgaben des Auftraggebers gebaut worden ist, ob der Asphalt nach zwei Wochen bereits angefangen hat zu bröckeln oder ob die Fahrbahnmarkierungen gerade aufgebracht worden sind.

  • Aus diesem Grund müssen Referenzen (zweitens) vom Auftraggeber immer überprüft werden können. Der Auftraggeber kann und darf sich nicht nur auf die Angaben der Bieter verlassen, sondern muss in der Lage sein, nachzuprüfen, ob der Referenzauftrag auch zur Zufriedenheit des seinerzeitigen Auftraggebers ausgeführt worden ist.

In der Praxis ist die Überprüfung von Referenzen - häufig schlicht und ergreifend durch einen Anruf beim Referenzauftraggeber - daher gängig und üblich. Doch besteht hier ein Spannungsfeld zum Datenschutz.

Datenschutzrecht

Bieter in einem Vergabeverfahren dürfen die Daten und Kontaktinformationen des Referenzauftraggebers und der dortigen Ansprechpartner nur im Vergabeverfahren angeben, wenn der seinerzeitige Referenzauftraggeber hierin eingewilligt hat. Dies gilt jedenfalls für die Ansprechpartner dort, bei denen es sich um Menschen handelt. Das Datenschutzrecht der DSGVO schützt nur die personenbezogenen Daten von Menschen (rechtlich: natürliche Personen), nicht aber Unternehmensdaten ohne erkennbaren Bezug zu konkreten Mitarbeitern. Häufig fordern Auftraggeber in ihren Referenzformularen aber genau eben solche Angaben: „Ansprechpartner mit Name und Telefonnummer / E-Mail-Adresse“.

Die DSGVO sieht auch keinen Ausnahmetatbestand vor, der es den Bietern erlauben würde, für die Angebotsabgabe in einem Vergabeverfahren auf die Einholung einer Zustimmung bei den konkreten Ansprechpartnern des Referenzauftraggebers zu verzichten. Das Vergaberecht steht daher nicht über dem Datenschutzrecht. Bieter müssen also dann, wenn in einem Vergabeverfahren konkrete Namen und Kontaktdaten beim Referenzauftraggeber gefordert sind, diese beibringen. Das hat bereits das OLG München 2017 entschieden (Beschluss vom 13.03.2017 - Verg 15/16):

„Datenschutzrechtliche Normen gehören nicht zu den Bestimmungen des Vergabeverfahrens i.S. des § 97 Abs. 6 GWB. Lediglich ergänzend ist zu bemerken, dass ein sachliches, im Vergaberecht (national und europarechtlich) allgemein anerkanntes Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Benennung eines Ansprechpartners für Referenzobjekte besteht, da andernfalls die behaupteten Referenzen und damit die Eignung des Bieters nicht überprüfbar wären. Dass sich daraus für die Bieter die Notwendigkeit ergibt, bei den Auftraggebern ihrer Referenzprojekte um die Einwilligung in die Weitergabe von Kontaktdaten nachzusuchen, macht die Anforderung nicht unzulässig.“


Jüngste Rechtsprechung der VK Bund

Dies bestätigt eine aktuelle Rechtsprechung der VK Bund (Beschluss vom 1.06.2023 - VK 1-37/23). Gegenstand dieses Verfahrens war die Vergabe von Anwaltsdienstleistungen. Die Bedingungen des Vergabeverfahrens sah vor, dass die Bieter Referenzaufträge benennen sollten, und zwar mit einer Beschreibung der erbrachten Leistungen, Angaben zum Auftraggeber und konkreter Ansprechpartner. Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, rügte diese Vorgaben mit Hinweis auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht und die besondere Vertrauensstellung von Rechtsanwälten als Organen der Rechtspflege.

Die VK Bund wies den Nachprüfungsantrag zurück. Sie wies hierbei ausdrücklich darauf hin, dass lediglich anonymisierte Mandatsbeschreibungen für die Eignungsprüfung und die Überprüfung von Referenzen nicht ausreichend seien. Es fehlten dann wesentliche Angaben zu den Referenzen, die für eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bieters wichtig sind.

Die VK Bund wies auch speziell den Einwand, diese Anforderung verstoße gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht, zurück. Insoweit gelten laut der VK Bund für Rechtsanwälte dieselben Maßstäbe an für andere Bieter aus anderen Bereichen: wenn man an einem solchen Vergabeverfahren teilnehmen will, muss man eben das Einverständnis des Referenzauftraggebers einholen, dann liegt auch kein Verstoß gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht vor.


Fazit

Die Beteiligung an einem Vergabeverfahren muss für Bieter datenschutzkonform und vergaberechtskonform bzw. in Übereinstimmung mit den Vergabeunterlagen erfolgen. Das bedeutet: Bieter müssen - rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist - bei „ihren“ Referenzauftraggebern das Einverständnis einholen, konkrete Personen und Kontaktdaten zu benennen.

Wenn sie das nicht wollen (etwa weil es im Verhältnis zum Referenzauftraggeber in der Vergangenheit doch „geknirscht“ hat) oder können (weil sie sich zu spät darum kümmern) dann ist das ihr Pech, denn dann können sie sich am Verfahren nicht beteiligen. Das Interesse des öffentlichen Auftraggebers daran, Referenzen bewerten und überprüfen zu können, geht insoweit vor.
Henning Feldmann
Fachanwalt für Vergaberecht bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte PartmbB in Köln
Bildnachweis: baranq/stock.adobe.com
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