Redaktion eGovPraxis Sozialhilfe
Erhalten schwerbehinderte Asylbewerber Analogleitungen nach § 2 AsylbLG, stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt sie Leistungen der Hilfe zur Pflege beziehen können. In Betracht kommen drei Zeitpunkte: Der Zeitpunkt des Beginns der Analogleistungen, der Zeitpunkt der Antragstellung oder der Zeitpunkt des Abschlusses der Klärung, dass die Voraussetzungen vorliegen.
Der Fall
Der Hilfesuchende ist albanischer Staatsbürger und bezieht rückwirkend Analogleistungen ab 01.04.2018 aufgrund eines verpflichtenden Widerspruchsbescheides der Landesdirektion Sachsen. Der Antrag auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege wurde am 29.06.2018 gestellt, das Gutachten des MDK wurde mit Datum des 09.06.2019 erstellt. Der Sozialhilfeträger bewilligte Leistungen ab dem 10.05.2019. Widerspruch und Klage gegen die verspätete Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege blieben ohne Erfolg.
Die Entscheidung
Das LSG gewährte dem Hilfesuchenden Leistungen der Hilfe zur Pflege bereits ab dem 01.04.2018. Denn die Sozialhilfe setze ab dem Zeitpunkt ein, zu dem dem Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Die Bewilligung von Sozialhilfe sei formal nicht von einem Antrag abhängig. Die Sozialhilfeträger seien nach Kenntniserlangung von einem Bedarfsfall verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Leistungsfall vorliegt. Klären Sozialhilfeträger den Sachverhalt unzureichend auf oder machen Leistungsberechtigte ihren Bedarf allein deshalb nicht geltend, weil die Träger der Sozialhilfe ihrer gebotenen Beratungspflicht nicht nachgekommen sind, und erhalten die Sozialhilfeträger deshalb keine Kenntnis vom Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen, hätten Leistungsberechtigte gegen den Sozialhilfeträger einen Sekundäranspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich des von ihnen selbst gedeckten Bedarfes. Da die Familie des Hilfebedürftigen erst ab 01.04.2018 Sozialhilfeleistungen bezieht, seien Leistungen der Hilfe zur Pflege erst von diesem Zeitpunkt an möglich.
Fazit
- Der Anspruch auf Sozialhilfe setzt mit Bekanntwerden der Leistungsvoraussetzungen ein. Das gilt auch für Bezieher von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG.
- Nach Kenntniserlangung von einem Bedarfsfall sind Sozialhilfeträger zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet.
- Die Kenntnis wird durch die positive Kenntnis vom spezifischen Bedarfsfall vermittelt, nicht erst durch den konkreten finanziellen Bedarf.
- Bei unzureichender Aufklärung ist der Leistungsberechtigte so zu stellen, als wäre der Bedarf erkannt bzw. bei ordnungsgemäßer Beratung rechtzeitig geltend gemacht worden.
- Leistungen der Hilfe zur Pflege beginnen für Analogleistungsberechtigte mit dem Beginn der Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Quelle: Urteil des LSG Sachsen vom 18.05.2022 - L 8 AY 4/21
Anmerkung der Redaktion: Lesen Sie hierzu die Ausführungen unserer Autorin Frau Christina Langer zu den Analogleitungen, startend mit Einstiegsinformationen | Analogleistungen sowie im Produkt Sozialhilfe die Ausführungen unseres Autors Prof. Dr. Peter Becker, startend mit Einstiegsinformationen | Antrag / Einsetzen der Hilfe.