Wirksamkeit-insolvenzabhängiger-Lösungsklauseln
Recht & Verwaltung13 April, 2023

Wirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln

Der BGH hat entschieden, unter welchen Umständen Klauseln, die im Falle des Insolvenzantrages oder der Insolvenz des Vertragspartners die Kündigung erlauben, wirksam sind. Damit ist nunmehr weitgehend geklärt, unter welchen Umständen die Kündigung eines Vertrages vertraglich vorgesehen werden kann. 

Prof. Dr. Mark von Wietersheim
Die Entscheidung des 9. Zivilsenats (BGH Urt. v. 27.10.2022 - IX ZR 213/21)  knüpft dabei an ein früheres Urteil des für Bausachen zuständigen 7. Zivilsenats an (BGH, Urt. v. 07.04.2016 - VII ZR 56/15). Sie erging in einem Fall, bei dem ein Busunternehmer mit Schülerbeförderungsleistungen beauftragt war und der Auftraggeber nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters kündigte. Der Unternehmer machte entgangenen Werklohn geltend. 

Ausgangspunkt der Entscheidung ist, dass dem Insolvenzverwalter nach § 103 InsO im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Wahlrecht zustehen soll, ob er den Vertrag weiterführen will oder nicht. § 119 InsO bestimmt, dass eine Regelung, die dem Besteller aus Anlass eines Insolvenzantrages oder der Insolvenzeröffnung eine Kündigung ermöglicht, unwirksam ist. Dies gilt jedoch nicht in allen Fällen, wie der BGH nunmehr klargestellt hat. Dabei setzt er sich umfassend mit den Literaturmeinungen auseinander. Die Entscheidung ist auch zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen und kann damit als Grundsatzentscheidung angesehen werden. 

Fortbestehen der vertraglichen und gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten 

Einleitend stellt der BGH klar, dass vertragliche Kündigungsmöglichkeiten und gesetzliche Kündigungsmöglichkeiten wie z.B. § 648a BGB auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehen. 

Entscheidend ist nach der nun ergangenen Entscheidung, ob mit der Klausel das Wahlrecht des § 103 InsO umgangen werden soll oder nicht. Natürlich hat eine Klausel, die wirksam eine Kündigung erlaubt, mittelbar einen Einfluss auf die Situation des Insolvenzverwalters. Dies alleine reicht jedoch nicht aus, um zwingend zur Unwirksamkeit zu kommen. 

Für die Frage, ob eine unzulässige Umgehung des § 103 InsO vorliegt oder nicht, knüpft der BGH daran an, ob ein berechtigter Grund für eine sofortige Auflösung des Vertrages vorliegt oder nicht. Eine freie, anlasslose Lösungsmöglichkeit kann daher nicht vereinbart werden. Dies würde in Abweichung der Risikolage einseitig das Vertragsrisiko allein auf die zukünftigen Insolvenzgläubiger verlagern. Insoweit sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Vertragspartner begrenzt. 

Maßgeblich ist eine ex-ante Betrachtung, ob für eine insolvenzabhängige Lösung ein sachlicher Grund besteht oder nicht. Dabei kann es auch darauf ankommen, ob das Gesetz eine Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund vorsieht und sich die vertragliche Lösungsklausel eng an diese gesetzliche Lösungsmöglichkeit anlehnt.

Blick auf § 648a BGB bei Werkverträgen

Für den Bereich der Werkverträge spricht der BGH § 648a BGB als zu betrachtende gesetzliche Lösungsmöglichkeit an. Nach dem BGH ist es damit grundsätzlich möglich, ein Insolvenzereignis auch vertraglich als wichtigen Grund einzuordnen und eine Kündigungsmöglichkeit vorzusehen. 

Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Insolvenz eines Vertragspartners zu einer Risikoerhöhung für den anderen, die Kündigung anstrebenden Vertragspartner führt. Dabei kann es etwa, so vom BGH ausdrücklich am Beispiel des Bauvertrags ausgesprochen, um ein Risiko für die weitere Leistungserbringung selber gehen. 

Bei einem solchen Vertrag kann die Zuverlässigkeit des Schuldners, also des zur Leistung verpflichteten Unternehmens, von erheblicher Bedeutung sein. Mit einem Eigeninsolvenzvertrag zerstört der Auftragnehmer in der Regel das für die Vertragsfortführung erforderliche Vertrauensverhältnis, insoweit wird auf die o.g. Entscheidung des 7. Zivilsenats von 2016 verwiesen und diese bestätigt. Der BGH spricht auch Gewährleistungsansprüche oder Wartungsleistungen an, an deren Erfüllung der kündigende Vertragspartner ein berechtigtes Interesse hat.

Im Gegenschluss hält der BGH fest, dass deswegen regelmäßig Lösungsklauseln unwirksam sind, die sich zugunsten des zu einer Geldzahlung verpflichteten Gläubigers auswirken würden. Ein solcher Gläubiger ist bereits durch § 320 BGB und, sofern er vorher leistungspflichtig ist, § 321 BGB geschützt.


Blick auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B 

Der BGH hat die Sache inhaltlich an die Vorinstanz zurückverwiesen. Dies soll feststellen, ob die betroffene Klausel den vom BGH aufgestellten Anforderungen entspricht. Abschließend hat der BGH darauf hingewiesen, dass die streitgegenständliche Klausel § 8 Nr. 1 VOL/B entspricht – dieser wiederum entspricht § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B. Diese Klauseln sind jeweils an den vom BGH aufgestellten Maßstäben zu prüfen, so dass eine Rechtswidrigkeit der VOB/B-Klausel nicht anzunehmen ist, wie schon im genannten Urteil des 7. Zivilsenats 2016 (BGH, Urt. v. 07.04.2016 - VII Zr 56/15) festgestellt wurde.


Fazit

Zusammengefasst sind nach dem BGH Lösungsklauseln dann wirksam, wenn das Gesetz eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässt und die vertragliche Ausgestaltung der wichtigen Gründe durch eine typisierte Interessenbewertung für die darin geregelten Fälle gerechtfertigt ist. 

Für die typisierte Bewertung ist dabei nach der Entscheidung relevant, ob die mit der Insolvenz einhergehenden Risiken die weitere Vertragserfüllung in einem Ausmaß gefährden, dass nach Art der geschuldeten vertraglichen Leistungen und der wechselseitigen Interessen der Parteien bei einer vom Einzelfall losgelösten Betrachtung einen wichtigen Grund dargestellten kann.
Über den zu entscheidenden Fall hinaus geht der BGH darauf ein, dass auch bei einer wirksamen vertraglichen Lösungsklausel eine Kontrolle der Auswirkungen des Kündigungsrechts stattfinden kann.
Es kann in Einzelfällen sein, dass der kündigende Vertragsteil kein schutzwürdiges Interesse an der Ausübung des Kündigungsrechtes hat oder schutzwürdige Belange des Schuldners überwiegen. Für den Regelfall stellt der BGH ausdrücklich fest, dass der Kündigungsberechtigte seine berechtigten Belange wahrnimmt. 

Ingenstau / Korbion
VOB Teile A und B

Kommentar
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Prof. Dr. Mark von Wietersheim
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