Wolters Kluwer hat mit dem Ziel, zukunftsfähige Strukturen für Kitaleitungen zu identifizieren und Veränderungsprozesse anzustoßen, die Langzeitstudie „Zukunftsstudie Kita-Management 2024“ gestartet. Noch bis Ende September können Kitaleitungen an der Studie teilnehmen. Frau Prof. Dr. Edeltraud Botzum, Fakultät für Sozialwissenschaften an der Technischen Hochschule Rosenheim, begleitet die Studie wissenschaftlich und spricht im Interview über ihre Erwartungen an die Ergebnisse der Studie und das Potenzial von Digitalisierung im Kitaleitungs-Alltag.
Sie begleiten die Studie von Wolters Kluwer wissenschaftlich. Welche Erwartungen haben Sie an die Studie und welchen Erkenntniswert erhoffen Sie sich von den Ergebnissen?
Die Zukunftsstudie Kita-Management 2024 zielt darauf ab, Einblicke in den aktuellen Stand und die zukünftigen Potenziale der Digitalisierung im Kitamanagement zu gewinnen. Die gesammelten Daten und Erkenntnisse können Bildungseinrichtungen und Entscheidungsträgern helfen, gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Kitamanagement-Praktiken und damit zur Steigerung der Einrichtungsqualität zu ergreifen. Darüber hinaus kann die Studie als Grundlage für weitere Forschung und Entwicklungen im Bereich der frühkindlichen Bildung und Digitalisierung dienen.
Ein expliziter Teilbereich der Studie ist das Thema Qualitätsmanagement. Hierbei wird untersucht, wie Kitaleitungen systematische Qualitätsentwicklung in ihren Einrichtungen durchführen und wie digitale Tools in diesem Kontext genutzt werden können. Dies kann dazu beitragen, bewährte Praktiken im Qualitätsmanagement zu identifizieren.
Die gesammelten Daten und Erkenntnisse können als Grundlage für zukünftige Strategien und Entwicklungen im Bildungsbereich dienen. Die Beteiligung von Kitaleitungen an der Studie ermöglicht es ihnen, ihre Meinungen einzubringen und etwaige kritische Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen und somit aktiv an der Gestaltung von strukturellen Entscheidungen im Bildungsbereich teilzunehmen.
Wo sehen Sie noch Potenzial für weitere Einsatzmöglichkeiten bei der Verwendung digitaler Tools im Kitaleitungs-Alltag?
Es ist wichtig, dass die Auswahl und Implementierung von digitalen Tools sorgfältig geplant und auf die spezifischen Anforderungen der Kindertageseinrichtung abgestimmt werden. Die genaue Umsetzung hängt dabei auch von individuellen Bedürfnissen und Ressourcen der Einrichtung ab. Die Nutzung digitaler Tools im Kitaleitungs-Alltag bietet durchaus Potenzial für Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung. Diese können sowohl bei der effizienten Verwaltung von Personaldaten, Stundenplänen, Urlaubsanträgen und Schulungen als auch bei der Kommunikation innerhalb des Teams unterstützen. Eine Weiterentwicklung von Kommunikationsplattformen für Eltern kann die Interaktion zwischen Eltern und Einrichtungsleitung erleichtern.
Darüber hinaus kann die Verwendung digitaler Tools zur Durchführung von Qualitätsprüfungen, zur Nachverfolgung von Qualitätsstandards und zur Identifizierung von Verbesserungsbereichen und damit zur Steigerung der Einrichtungsqualität beitragen. Zudem können sie pädagogische Fachkräfte dabei unterstützen, geeignete Bildungsmaterialien und -ressourcen zu finden und den Bildungserfolg der Kinder zu verfolgen.
Die Bereitstellung von Online-Weiterbildungsangeboten für Kitaleitungen und Mitarbeiter:innen kann außerdem den Zugang zu aktuellen Informationen und Schulungsmöglichkeiten verbessern. Zu den Themen Ressourcenorientiertes Arbeiten und Diversity Management in Sozialen Organisationen biete ich z.B. über die vhb (virtuelle Hochschule Bayern) den Erwerb eines kostenfreien Online-Zertifikats an. Es handelt sich hier um Online-Kurse, die für alle Interessierten kostenfrei nutzbar sind, in laufende Kurse kann man sich jederzeit einschreiben, das Lerntempo selbst bestimmen.
Wie sollte die Entwicklung in Sachen Digitalisierung in Kindertageseinrichtungen weitergehen?
Die Digitalisierung kann das Kitamanagement und die Qualität der Betreuung verbessern, wenn sie sorgfältig und pädagogisch sinnvoll umgesetzt wird. Neben der Digitalisierung der Kitaverwaltung, kann der Einsatz digitaler Tools auch im pädagogischen Bereich sinnvoll sein. Und natürlich gibt es Übergangsbereiche, wenn etwa Erzieher:innen über digitale Tools Materialien, zum Beispiel Lernreihen, recherchieren, konzipieren und zusammenstellen können.
Es ist wichtig, dass die Einführung digitaler Tools im Dialog mit den beteiligten Akteur:innen erfolgt sowie sorgfältig und bedacht voranschreitet, wobei die Bedürfnisse der Kinder, Eltern, Mitarbeiter:innen und Kitaleitungen im Mittelpunkt stehen sowie klare Datenschutzrichtlinien und -verfahren beachtet werden. Die Einführung erfordert regelmäßige Schulung und Unterstützung für Kitaleitungen, Mitarbeiter:innen und Eltern, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten die Technologie effektiv nutzen können.
Dabei sollten digitale Tools nicht als Ersatz für pädagogische Praktiken betrachtet werden, sondern als ergänzende Ressourcen, die die pädagogische Arbeit unterstützen. Die Integration digitaler Elemente in den Bildungsprozess sollte pädagogisch sinnvoll und transparent kommuniziert sein. Eine regelmäßige Evaluierung der eingesetzten digitalen Tools ist wichtig, um sicherzustellen, dass sie den beabsichtigten Zweck erfüllen und den Bedürfnissen der Einrichtung entsprechen. Auf Grundlage dieser Bewertung sollten Anpassungen vorgenommen und Verbesserungen implementiert werden. Bei der Entwicklung digitaler Lösungen sollte außerdem darauf geachtet werden, dass sie für alle Kinder, unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten, zugänglich sind. Sie sollten inklusiv gestaltet sein. Auch sollte der Träger beziehungsweise die Einrichtung sicherstellen, dass ausreichende finanzielle Mittel und Ressourcen für die Implementierung und den Betrieb digitaler Systeme zur Verfügung stehen. Die wissenschaftliche Begleitung von Digitalisierungsprojekten kann wertvolle Erkenntnisse liefern und sicherstellen, dass die Einführung von Technologie auf evidenzbasierten Prinzipien basiert.
Sie sind Dozentin an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Rosenheim. Welche Rolle spielen Ihrer Erfahrung nach digitale Themen heute in der Ausbildung zukünftiger Kitaleitungen?
Es ist wichtig zu beachten, dass die Integration digitaler Themen in die Ausbildung von Kitaleitungen je nach Bildungseinrichtung und Land unterschiedlich ist. Grundsätzlich gibt es eine steigende Anerkennung der Bedeutung digitaler Themen in der Ausbildung zukünftiger Kitaleitungen. Digitale Kompetenzen werden als wichtiger Bestandteil der Vorbereitung auf die Leitung von Kindertageseinrichtungen erkannt und sollten in der Ausbildung von Kitaleitungen eine tragende Rolle spielen. Zum Beispiel bei Schulungen zur Nutzung von Software und digitalen Tools für die Verwaltung von Personalressourcen, Finanzen und anderen administrativen Aufgaben. Aber auch bei Praktiken für die Elternkommunikation über digitale Kanäle, da Kitaleitungen in der Lage sein müssen, digitale Kommunikationsplattformen effektiv zu nutzen, um mit Eltern und Mitarbeiter:innen zu interagieren.
Da Kitaleitungen mit sensiblen Daten von Kindern und Eltern umgehen, ist es wichtig, Schulungen zur digitalen Sicherheit und zum Datenschutz anzubieten, um Datenschutzverletzungen zu verhindern. Kitaleitungen sollten ein Verständnis für die pädagogische Nutzung von Technologie in der frühkindlichen Bildung entwickeln, einschließlich der Integration von Tablets, Lern-Apps und anderen digitalen Ressourcen in den Bildungsprozess. Die Ausbildung sollte darauf abzielen, wie digitale Tools zur Verbesserung des Qualitätsmanagements in Kindertageseinrichtungen eingesetzt werden können, einschließlich der Nutzung von Software zur Qualitätsbewertung und -verbesserung. Und sie sollte die Förderung von Forschung und Innovation im Bereich der digitalen Technologien in der frühkindlichen Bildung unterstützen, um Kitaleitungen zu befähigen, auf dem neuesten Stand der Entwicklungen zu bleiben.
Hiermit beschäftigt sich z.B. das interdisziplinäre Studienkolleg digi.prosa (Digitale Projekte in der Sozialen Arbeit), das ich an der TH Rosenheim leite. Es untersucht den Stand der digitalen Projektarbeit im Bereich der Sozialen Arbeit und konzipiert auf dieser Grundlage neue innovative interdisziplinäre Projektformate, die von Studierenden der Studiengänge Soziale Arbeit und Informatik in enger Zusammenarbeit mit konkreten Praxispartnern erarbeitet, umgesetzt und evaluiert werden. Dabei werden Vorhaben verwirklicht, bei denen digitale Technik zum Einsatz kommt und der Nutzen für die jeweiligen Zielgruppen im Mittelpunkt stehen. So entstehen Formate, die neue Impulse im Bereich der Sozialen Arbeit setzen und Studierenden einen praxisnahen und interdisziplinären Einstieg in dieses Thema ermöglichen.
Was raten Sie Kitaleitungen, die der Digitalisierung kritisch gegenüberstehen?
Es ist wichtig zu betonen, dass die Digitalisierung in Kindertageseinrichtungen nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass traditionelle Praktiken ersetzt werden. Vielmehr können digitale Technologien als unterstützendes Werkzeug dienen, um die Arbeit von Kitaleitungen effizienter zu gestalten und die Qualität der Bildung und Betreuung zu erhöhen. Eine offene und schrittweise Herangehensweise kann dazu beitragen, Bedenken zu minimieren und die Integration digitaler Lösungen erfolgreicher zu gestalten. Wenn Kitlaleitungen der Digitalisierung kritisch gegenüberstehen, ist es wichtig, ihre Bedenken zu respektieren und zu berücksichtigen, während gleichzeitig Möglichkeiten zur schrittweisen Integration digitaler Technologien in den Kitaleitungsalltag erkundet werden sollten. Falls es Schwierigkeiten bei der Implementierung digitaler Tools gibt, sollten sich Kitaleitungen Unterstützung von Expert:innen holen, die Erfahrung in der frühkindlichen Bildung und bei der Digitalisierung haben.