Autor:in: Dr. Hans- Heiner Gotzen
Der Leistungsanspruch nach § 74 SGB XII richtet sich auf die Übernahme erforderlicher Bestattungskosten. Damit stellt sich in der Praxis die Frage, wie im konkreten Fall die erforderlichen Bestattungskosten von den nicht erforderlichen Bestattungskosten abzugrenzen sind? Was verbirgt sich also hinter dem unbestimmten Rechtsbegriff der erforderlichen Bestattungskosten, der in der sozialhilferechtlichen Praxis häufig zu Diskussionen im Einzelfall führt?
Grundsatz
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 SGB XII vor, so sind vom Sozialhilfeträger die erforderlichen Kosten der Bestattung zu übernehmen. Was erforderliche Bestattungskosten sind, kann nicht pauschal beantwortet werden. Es handelt sich vielmehr um eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung des Sozialhilfeträgers unter Beachtung religiöser Bekenntnisse (Art. 4 GG) mit Rücksicht auf die nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde, bei der den angemessenen Wünschen der Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs. 2 SGB XII) und ggf. des Verstorbenen (§ 9 Abs. 1 SGB XII) Rechnung zu tragen ist. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 25.08.2011 – B 8 SO 20/10 R den Begriff der erforderlichen Bestattungskosten konkretisiert und hierzu eine zweistufige Prüfung vorgesehen.
Zweistufige Prüfung des Begriffs der erforderlichen Bestattungskosten nach Auffassung des BSG
Nach Ansicht des BSG bezieht sich der Begriff der Erforderlichkeit sowohl auf die Art der Kosten als auch auf die Höhe und ist daher zweistufig zu prüfen.
Art der Kosten
Hinsichtlich der Art der Kosten bezieht das BSG in die übernahmefähigen Kosten nur solche Kosten ein, die unmittelbar der Bestattung (unter Einschluss der ersten Grabherrichtung) dienen bzw. mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind. Ausdrücklich gehören damit solche Maßnahmen nicht zu den sozialhilfehilferechtlich zu übernehmenden Bestattungskosten, die nicht final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind, wie z.B. Todesanzeigen, Danksagungen, Bekleidung etc. Zudem werden nur solche Kosten erfasst, die aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften resultierend notwendigerweise entstehen, damit eine Bestattung überhaupt durchgeführt werden kann oder darf sowie die Kosten, die aus religiösen Gründen unerlässlicher Bestandteil der Bestattung sind. Damit erfolgt die Abgrenzung der erforderlichen von den nicht erforderlichen Kosten hinsichtlich der Art wie folgt:
- Kann/darf auch ohne die hinter der konkreten Kostenposition sich verbergende Handlung eine Bestattung erfolgen? Falls nein, gehören sie zu den erforderlichen Kosten im Sinne des § 74 SGB XII. Falls ja, folgt 1)
- Sind die Kosten aus religiösen Gründen unerlässlicher Bestandteil der Bestattung? Falls ja, gehören auch diese Kosten zu den erforderlichen Kosten im Sinne des § 74 SGB XII. Falls nein, liegen keine Kosten vor, die sozialhilferechtlich zu übernehmen sind.
Höhe der Kosten
Die zuvor nach Art der Kosten als erforderliche Kosten anerkannten Positionen werden sozialhilferechtlich jedoch nicht in unbegrenzter Höhe übernommen. Durch § 74 SGB XII soll nur eine angemessene Bestattung abgesichert werden. Dies ist zur Überzeugung der Rechtsprechung nicht die günstigste oder billigste Bestattung. Hier hinter verbirgt sich vielmehr eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung. Die Ortüblichkeit darf sich dabei nicht an der Situation aller Verstorbenen orientieren, sondern muss sich an Beziehern unterer bzw. mittlerer Einkommen anhand eines regelmäßig objektiven Maßstabs ausrichten. Hierzu sind Ermittlungen des Sozialhilfeträgers zu konkreten Kosten in seinem Zuständigkeitsbereich erforderlich oder Vereinbarungen mit den jeweils zuständigen Bestatterverbänden.
Anwendung der Rechtsprechung im konkreten Einzelfall: Sind Kosten für die Erledigung von Formalitäten zu übernehmen?
Immer wieder setzt sich auch die Rechtsprechung mit der Frage auseinander, welche konkreten Kostenpositionen im Rahmen von Leistungen nach § 74 SGB XII zu übernehmen sind. So hat das BSG in seiner zuletzt ergangenen weitreichenden Entscheidung vom 12.12.2023 – Az. B 8 SO 20/22 R die Frage aufgeworfen, ob die häufig im Kontext von Bestattungskosten vorzufindende Kostenposition „Erledigung von Formalitäten“ eine zu übernehmende Kostenposition ist. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Das Gericht hat eine Übernahmefähigkeit derartiger Kosten im konkret zu entscheidenden Fall bezweifelt. Wie ist dies zu begründen?
Hinter der Kostenposition „Erledigung von Formalitäten“ verbirgt sich letztlich eine Dienstleistung des Bestatters, die darauf gerichtet ist, alle Formalitäten, die anlässlich einer Bestattung erledigt werden müssen, abzusichern. Schaut man auf die Art der Kosten, so wird man feststellen, dass damit Handlungen erfasst sind, die erledigt werden müssen, damit es überhaupt zu einer Bestattung kommt, so dass die erste Stufe des oben vorgestellten Prüfschemas erfüllt ist. Hinsichtlich der dann folgenden zweiten Stufe wird man allerdings eine Übernahme ablehnen, weil gerade von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen erwartet werden kann, die Erledigung der erforderlichen Formalitäten selbst zu übernehmen, soweit keine besonderen Gründe für eine Übernahme bestehen. Ein solcher Grund könnte darin liegen, dass der Leistungsbegehrende Ausländer ist und daher in der Abwicklung von Formalitäten Unterstützung bedarf.
Einzelfallprüfung
Die vorstehenden Erörterungen zeigen deutlich, dass eine Abgrenzung erforderlicher von nicht erforderlichen Bestattungskosten jeweils eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Kostenposition und der konkreten Fallkonstellation erfordert. Dies umso mehr auch gerade deshalb, weil das BSG in seiner Entscheidung vom 25.08.2011- B 8 SO 20/10 R die Gewährung von Pauschalleistungen im Kontext von Leistungen nach § 74 SGB XII ausdrücklich abgelehnt hat.
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