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Recht & Verwaltung26 September, 2024

Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz – neue Form der Leistungserbringung (Auszug)

Klaus Deibel und Dr. Karl-Heinz Hohm

Inhalt und Zweck

Dem Wortlaut der von Art. 15 DÜV-AnpassG umfassten Änderungsvorschriften zum AsylbLG lässt sich keine Legaldefinition des Begriffs der Bezahlkarte im Sinne des AsylbLG entnehmen. Eine solche geht allerdings aus der Begründung des federführenden Ausschusses für Inneres und Heimat hervor. Danach sei unter einer Bezahlkarte im Sinne des AsylbLG eine »guthabenbasierte Karte mit Debitfunktion (ohne Kontobindung)« zu verstehen, die »als Bargeldsurrogat« diene und »eine elektronische Bezahlung in Geschäften und Dienstleistern« ermögliche; soweit eine Bezahlkarte eine Bargeldabhebefunktion beinhalte, stelle der abhebbare Betrag eine Geldleistung dar1. Dementsprechend handelt es sich bei der in Hamburg und in der Stadt Hannover bereits eingeführten »SocialCard« um eine Visa Guthabenkarte, die ohne hinterlegtes Konto funktioniert, bzw. um eine auf einer herkömmlichen Debitkarte basierende Visa Debitkarte, die auf Guthabenbasis geführt wird2. Wegen fehlender Kontobindung wird bei Zahlung mittels einer Bezahlkarte kein Konto sofort belastet; auch ist die asylbewerberleistungsgesetzliche Bezahlkarte keine Kreditkarte, bei der das Geldinstitut dem Karteninhaber einen finanziellen Verfügungsrahmen einräumt und Zahlungen vom Konto zeitversetzt (zumeist am Monatsende) abgebucht werden3.

Die nähere Ausgestaltung der durch Art. 15 DÜV-AnpassG bundesweit ermöglichten Bezahlkarte als neue Form der Leistungserbringung wurde in den diesen Artikel umfassenden Änderungsvorschriften des AsylbLG offengelassen. Diese vom Gesetzgeber gewollte Regelungslücke betrifft sowohl die Form als auch den Inhalt von Bezahlkarten (Ausgabe als Plastikarte oder Bereitstellung zur Smartphone-Nutzung, mit oder ohne Bargeldabhebefunktion, Begrenzung der Höhe des abhebbaren Geldbetrages bei eingeräumter Abhebefunktion, regional begrenzte Nutzung, Ausschluss von Inland- oder Auslandüberweisungen, Deckelung des Kartenguthabens). Auch enthält Art. 15 DÜV-AnpassG keine von den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften zur Zuständigkeit für die Ausführung des AsylbLG abweichende Ermächtigungsvorschrift, die festlegt, wer auf Bundes- bzw. Landesebene für die inhaltliche Ausgestaltung von Bezahlkarten zuständig ist (etwa das Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder die für den Bereich Soziales zuständigen obersten Landesbehörden) und in welcher Form dies zu regeln ist (Landesgesetz, Rechtsverordnung, Verwaltungsvorschrift). Demzufolge bleibt die nähere Ausgestaltung von Form und Inhalt der Bezahlkarten den Städten und Landkreisen der einzelnen Bundesländer überlassen, was nicht ausschließt, dass die Länder bzw. die für den Bereich des AsylbLG zuständigen obersten Landesbehörden zum Zwecke der landeseinheitlichen Handhabung von Bezahlkarten entsprechende Änderungen in den – soweit vorhanden – Ausführungsgesetzen zum AsylbLG vornehmen bzw. Rechtsverordnungen bzw. Verwaltungsvorschriften erlassen.

Die Neuregelungen im AsylbLG zur Bezahlkarte, die den zuständigen Sozialbehörden die Möglichkeit einräumen, Grund- und Analogleistungen sowie Reisebeihilfen mit Hilfe einer Bezahlkarte zu gewähren4, beziehen sich ausschließlich auf die Form der Leistungserbringung und nicht auf den Leistungsumfang. Schon deshalb bilden sie keine Rechtsgrundlage für die Gewährung zusätzlicher, über den notwendigen und den notwendigen persönlichen Bedarf hinausgehender Leistungen5. Der Umfang der Leistungen nach den §§ 2, 3 und 11 Abs. 2 AsylbLG ist mittels einer asylbewerberleistungsgesetzlichen Bezahlkarte nicht erweiterbar.

Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Neuregelungen in §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 2 Sätze 2 und 5, Abs. 3 Sätze 1 und 5 AsylbLG. Die darin jeweils verwendete Formulierung »in Form der Bezahlkarte« bzw. »in Form von Bezahlkarten« bezieht sich ihrem Wortsinne nach allein auf die Art der Leistungsgewährung und nicht auf den Umfang der von diesen Vorschriften umfassten Leistungen. Auch mit den in §§ 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 3 Satze 7 AsylbLG, 11 Abs. 2 Satz 3 AsylbLG enthaltenen Tatbestandssequenzen »mittels der Bezahlkarte gedeckt werden können« bzw. »mittels Bezahlkarte erbracht werden« ist erkennbar nur die Form der Leistungserbringung gemeint. Der Regelungszusammenhang der neuen Vorschriften stützt diese Auslegung. Denn darin wird die Form der Bezahlkarte unmittelbar im Kontext der anderen, nach geltendem Recht bereits möglichen Formen der Bedarfsdeckung genannt (Geld- oder Sachleistungen, Wertgutscheine oder andere vergleichbare unbare Abrechnungen). Der mit der Bezahlkarte (auch) verfolgte Sinn und Zweck (Ausweitung der Ermessensbefugnis der zuständigen Leistungsbehörden bezüglich der Art der Leistungserbringung; dazu sogleich) spricht ebenfalls dafür, den sachlichen Anwendungsbereich der die Bezahlkarte betreffenden Neuregelungen allein auf die Form der Leistungserbringung zu beschränken. Bekräftigt wird dies durch die Begründung des federführenden Ausschusses für Inneres und Heimat6 und die Anknüpfung der Neuregelungen an die zwischen dem Bundeskanzler und den Landeschefinnen und Landeschefs sowie den Landesregierungen untereinander getroffenen Vereinbarungen zur bundesweiten Einführung einer Bezahlkarte als Teil der Entstehungsgeschichte.

Ob das AsylbLG (in seiner bisher geltenden Fassung) bereits die Gewährung von AsylbLG-Leistungen mit Hilfe einer Bezahlkarte ermöglicht hat, weil es sich dabei um eine Leistungsgewährung in Form von unbaren Abrechnungen handele7, erscheint zweifelhaft. Zwar haben die neuen Bezahlkarten mit »unbaren Abrechnungen« (»schriftliche Erklärungen der Leistungsträger, mit denen diese sich verpflichten, demjenigen, der gegen die Erklärung einen bestimmten Gegenstand eintauscht, bis zu einem festgelegten Betrag Geld zu zahlen«, was etwa auf »Kundenkontenblätter«, den sog. »Punktekontoeinkauf«, die »Warenausgabe bei unbarer Verrechnung an Sammelausgabestellen« oder sog. »Akzeptanzstellen« zutrifft8) gemein, dass durch sie eine Bedarfsdeckung in Form »unbarer Zahlungen« eröffnet wird. Soweit Bezahlkarten allerdings etwa mit einer Bargeldabhebefunktion ausgestattet sind und die leistungsberechtigten Personen davon Gebrauch machen, handelt es sich bei ihnen um eine besondere Form der Bedarfsdeckung (Mischform von unbarer Abrechnung und Geldleistung), der es im bislang geltenden AsylbLG an einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage gefehlt haben dürfte. Dies bedarf hier jedoch mit Blick auf die nunmehr geschaffene gesetzliche Grundlage für die bundesweite Einführung einer Bezahlkarte keiner abschließenden Bewertung9.

Mit der neuen Bezahlkarte werden mehrere Zwecke verfolgt. Zunächst soll sie der weiteren Einschränkung von Barauszahlungen an leistungsberechtigte Personen nach dem AsylbLG und damit der Minimierung bzw. Reduzierung des Verwaltungsaufwandes bei den Kommunen dienen10. Diese Zielsetzung nennt der federführende Ausschuss für Inneres und Heimat an erster Stelle mit Verweis auf die Vereinbarung des Bundeskanzlers und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 06.11.202311.

Darüber hinaus soll mit der Bezahlkarte eine zweckwidrige Verwendung der den Grund- und Analogleistungsberechtigten gewährten Leistungen (bspw. Geldzahlungen an Schleuser12) verhindert werden. Damit kann diese Form der Leistungserbringung auch eingesetzt werden, um Geldzahlungen an in Deutschland oder im Herkunftsstaat der leistungsberechtigten Personen lebende Verwandte zu unterbinden (sei es in bar oder im Wege der Inland- oder Auslandsüberweisungen). Schließlich soll mit der Bezahlkarte das Ermessen der für die Durchführung des AsylbLG zuständigen Behörden hinsichtlich der Art der Leistungserbringung erweitert werden, um örtlichen Besonderheiten und unterschiedlichen Lebenslagen Rechnung tragen zu können13. Damit soll die Berücksichtigung von Umständen ermöglicht werden, »aufgrund derer der Einsatz einer Bezahlkarte im Einzelfall nicht zweckmäßig erscheint«, was etwa der Fall sein kann bei Leistungsberechtigten, deren Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Ausbildungsvergütung oder BAföG-Leistungen einem eigenen Girokonto gutgeschrieben wird, sodass eine Überweisung aufstockender Leistungen nach dem AsylbLG auf dieses Konto zweckmäßiger erscheint als die Gewährung dieser Leistungen mittels Bezahlkarte14.
(…)

Anmerkung der Redaktion:
Dieser Text ist Teil des Beitrags „Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz – neue Form der Leistungserbringung“. Den vollständigen Artikel finden Sie in unserem Content Hub zum Download.

1 BT-Drucks. 20/11006, S. 101, zu Art. 15, dritter Absatz.
2 Dazu o. Abschn. I.
3 Zum Funktionsunterschied von Debit- und Kreditkarten s. nur Verbraucherzentrale.de (»Kreditkarte oder Debitkarte. Das sind die Unterschiede«), abgerufen am 25.04.2023 unter https://www.verbraucherzentr ale.de/wissen/geld-versicherungen/kredit-schulden-insolvenz/kreditkarteoder-debitkarte-das-sind-die-unterschiede-65038.
4 Zu den Einzelheiten s.u. III.
5 Anders die Begr. des federführenden Innenausschusses, wonach der Einsatz von Bezahlkarten in den bislang nicht vorgesehenen Fällen auch zusätzliche
Leistungen umfassen kann (BT-Drucks. 20/11006, S. 101, zu Art. 15, zweiter Absatz).
6 gl. BT-Drucks. 20/11006, S. 101, zu Art. 15, zweiter Absatz (»…Gewährung von AsylbLG-Leistungen mit Hilfe einer Bezahlkarte« bzw. »Leistungserbringung mittels Bezahlkarte«), a.a.O., S. 102, erster Absatz (»Die Leistungsform der Bezahlkarte…«).
7 So etwa die Ausführungen des federführenden Ausschusses für Inneres und Heimat in seiner Begründung zu Art. 15, zweiter Absatz, BTDrucks. 20/11006, S. 101.
8 Vgl. Hohm, in: GK-AsylbLG, III – § 3 Rn. 128, Stand: Juli 2021.
9 Zur Beseitigung etwaiger Rechtsunsicherheiten mit der Einführung von Bezahlkarten im AsylbLG hielt daher der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgelegte BezahlkG-Entwurf die Schaffung einer »rechtssicheren Grundlage« für erforderlich, BT-Drucks. 20/10722, S. 1 unter B.
10 BT-Drucks. 20/11006, S. 101, zu Art. 15, erster Absatz, und S. 103, dritter Absatz a.E. In diesem Zusammenhang verweist bspw. der Landkreis Greiz auf seine mit der FAQ »Bezahlkarte für Asylbewerber« gemachten positiven Erfahrungen (weniger Personal für Buchungen und Vorhalt geringerer Mengen Bargeld unter Polizeischutz am Auszahlungstag; deutliche Minimierung der Verwaltungskosten), dazu o. Fußn. 11.
11 Dazu o. Fußn. 2.
12 BT-Drucks. 20/11006, S. 102, zu Art. 15 Nr. 1, zweiter Absatz a.E.
13 BT-Drucks. 20/11006, S. 102, zu Art. 15, Nr. 1, erster Absatz a.E.
14 BT-Drucks. 20/11006, S. 102, zu Art. 15 Nr. 1, vierter Absatz.

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