Die Zukunft des Notariats
Technologie ist ein wichtiger Veränderungstreiber für die digitale Entwicklung im Notariat und kaum einem anderen juristischen Berufsstand wird so oft attestiert, er übe eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung aus. Welche der neueren, digitalen Anwendungsmöglichkeiten schätzen Sie besonders?
Als erstes kommt mir das neue notarielle Online-Verfahren in den Sinn. Die Videobeurkundung bzw. -beglaubigung ist für die Außenwahrnehmung des Notariats besonders bedeutend, während sich das Elektronische Urkundenarchiv mehr „im Hintergrund“ abspielt.
Allerdings wäre ohne das Elektronische Urkundenarchiv die Videobeurkundung gar nicht möglich gewesen, da die in der Videobeurkundung erstellte elektronische Niederschrift erst durch die Verwahrung im Elektronischen Urkundenarchiv zur elektronischen Urschrift wird, was wiederum Voraussetzung für die Erteilung von Ausfertigungen ist.
Das zeigt, dass die neuen Entwicklungen nicht isoliert, sondern im Gesamtkontext betrachtet werden sollten. Sie sind allesamt wichtige Bausteine des digitalen Notariats, genauso wie es etwa das Zentrale Vorsorgeregister, das Zentrale Testamentsregister und die Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs sind.
Aktuell sind Einführung des Elektronischen Urkundenarchivs sowie das Beurkundungsverfahren der GmbH-Gründung mittels Videokommunikation in aller Munde. Rückblickend, wenn Sie wieder am Anfang des Prozesses stünden, was hätte man besser machen oder anders angehen können bzw. sollen?
Zunächst möchte ich betonen, dass es ein großer Erfolg ist, dass wir diese technisch sehr anspruchsvollen Digitalisierungsprojekte erfolgreich realisiert haben. Das Elektronische Urkundenarchiv und die Online-Beurkundung sind zwei Meilensteine der Digitalisierung des Notariats und unterstreichen die Vorreiterstellung unseres Berufsstandes.
Natürlich läuft bei solchen Großprojekten nicht immer alles perfekt, zumal gesetzliche Fristen einzuhalten waren und daher erheblicher zeitlicher Druck bestand. Aus den Erfahrungen haben wir aber gelernt und unsere Schlüsse gezogen. Insbesondere wollen wir uns zukünftig stärker an dem Leitbild „Think big, start small“ orientieren. Gerade bei Digitalisierungsprojekten ist es sinnvoll, zwar große Visionen zu haben, aber dennoch erst einmal klein anzufangen und die Anwendung dann Schritt für Schritt und unter Berücksichtigung der Nutzererfahrung weiterzuentwickeln.
Das Notariat hat sich schon sehr früh und proaktiv an der Digitalisierung beteiligt, z.B. durch die Notarnet GmbH. Dabei scheint es in den eigenen Reihen kaum oder sogar gar keinen Widerstand gegeben zu haben, anders als z.B. bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die vielfach gegen das beA geklagt haben. Warum sind Notare so technikaffin?
Tatsächlich gelingt es uns allgemein sehr gut, hohe Akzeptanz für die berufspolitischen Weichenstellungen zu schaffen. Von zentraler Bedeutung sind dabei unsere Gremien und Ausschüsse, in denen auch Bedenken offen ausgesprochen und intensiv diskutiert werden. Die Entscheidungen sind dadurch transparent und fundiert und werden aus diesem Grund auch allgemein mitgetragen.
Das zeigt sich nicht nur bei der Digitalisierung, sondern auch in anderen Bereichen wie beispielsweise der Geldwäschebekämpfung. Hier standen wir noch vor wenigen Jahren aufgrund der geringen Anzahl an Verdachtsmeldungen durch Notare erheblich in der Kritik. Aus diesem Grund haben wir uns aktiv für eine Erweiterung der Verdachtsmeldepflicht ausgesprochen. Auch wenn damit erheblicher Mehraufwand verbunden ist, werden die neuen Meldepflichten sehr ernst genommen. Der Erfolg lässt sich konkret in Zahlen messen: Lag die Zahl unserer Verdachtsmeldungen im Jahr 2019 noch im unteren zweistelligen Bereich, gaben wir im Jahr 2021 mit knapp 7.000 Meldungen mit weitem Abstand die meisten Meldungen im Nichtfinanzsektor ab.
Technologie ist nicht alles, sie macht aber vieles einfacher, schneller und auch anonymer. Wie müssen sich Ihrer Meinung nach Notare aufstellen, um den digitalen Herausforderungen gewachsen zu sein?
Angesichts der zahlreichen neuen digitalen Verfahren ist unser Berufsstand momentan bereits sehr gut aufgestellt. Wichtig ist aber, dass wir uns nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen, denn Stillstand bedeutet Rückschritt. Hinsichtlich der weiteren Entwicklung bin ich aber sehr zuversichtlich. So hat die Generalversammlung der Bundesnotarkammer erst vor Kurzem die Durchführung eines Forschungsprojekts zum Einsatz Künstlicher Intelligenz im Notariat beschlossen. Dadurch verschaffen wir uns Kompetenz bei dieser Zukunftstechnologie und können uns konstruktiv an der Debatte um den Einsatz dieser Technologie im Rechtswesen beteiligen.
Wenn Sie eine Prognose wagen möchten, welche Themen werden in 25 Jahren in der ZNotP zu lesen sein?
Bill Gates hat einmal gesagt: „Wir überschätzen immer die Veränderungen, die in den nächsten zwei Jahren stattfinden werden, und unterschätzen die Veränderungen, die in den nächsten zehn Jahren stattfinden werden.“ Daher möchte ich keine Prognose wagen, was in 25 Jahren in der ZNotP zu lesen sein wird.
Ich kann Ihnen aber sagen, welche zwei großen Digitalisierungsprojekte wir zeitnah realisieren wollen: Dies ist zum einen die elektronische Urkunde im Präsenzverfahren. Dadurch sollen die Medienbrüche entfallen, die wir bisher – abgesehen von der Online-Beurkundung – haben: Der Urkundsentwurf wird elektronisch erstellt, anschließend für die Beurkundung ausgedruckt und schließlich für die Verwahrung im Elektronischen Urkundenarchiv wieder eingescannt. Eine elektronische Präsenzurkunde würde daher zu einer erheblichen Arbeitsentlastung führen.
Zum anderen sprechen wir uns für ein Gültigkeitsregister aus. Damit könnten zukünftig Ausfertigungen, insbesondere von Vollmachten, auch digital erteilt und geprüft werden. Einen Prototypen für ein solches Register haben wir bereits erfolgreich entwickelt. Nun setzen wir uns dafür ein, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Echtbetrieb geschaffen werden.
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