Der vorliegende Inhalt ist ein Vorabauszug der 7. Auflage von Behrens / Böing / Seemaier / Tölle / Gottwald, Grunderwerbsteuer, die Sie hier bestellen können.
Dr. Stefan Behrens, Rechtsanwalt und Steuerberater, Frankfurt am Main & Marcel Seemaier, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
I. Tatbestandsmerkmal »Zugehörigkeit des Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft« in § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG
Gemeinsamer Bezugspunkt der Ergänzungstatbestände der § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG sind grundbesitzende Gesellschaften. Geregelt wird dies durch die in jedem der genannten Tatbestände enthaltene Formulierung, dass ein inländisches Grundstück zum Vermögen der jeweiligen Gesellschaft gehört. Maßgebend für die Beurteilung der Vermögenszugehörigkeit eines Grundstücks ist der Zeitpunkt, in dem Steuer nach einem der Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG entsteht.
Eine Legaldefinition dieser Vermögenszugehörigkeit sah das GrEStG bisher nicht vor. Nach langjähriger Rechtsprechung richtet sich die Zugehörigkeit inländischer Grundstücke zum Vermögen einer Gesellschaft jeweils ausschließlich nach grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätzen.252 Nach der Rechtsprechung des BFH soll ein Grundstück für alle der genannten Ergänzungstatbestände zum Vermögen einer Gesellschaft gehören, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.253 Diesen allgemeinen Zurechnungsgrundsatz hat die Finanzverwaltung vorerst in ihre Erlasse zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG254 übernommen. Im Anschluss an die BFH-Urteile II R 44/18 vom 01.12.2021 und II R 40/20 vom 14.12.2022 hat sie ihr Verständnis zuletzt in den sog. Zurechnungserlassen vom 16.10.2023 dargelegt.255 Die sich aufgrund dieser Grundsätze ergebenden Unwägbarkeiten, die im Folgenden aufgezeigt werden sollen, haben dazu geführt, dass mit § 1 Abs. 4a GrEStG-E gesetzlich ein Zurechnungsmaßstab verankert werden soll, der an die Stelle der bisherigen Rechtssprechungs- und Verwaltungsgrundsätze treten würde.256
Bei der Vermögenszugehörigkeit handelt es sich um eine Zustandsbeschreibung. Für die praktische Anwendung der Tatbestände ist entscheidend, ob und ab welchem Zeitpunkt ein Grundstück zum Gesellschaftsvermögen gehört (Zurechnung), gleichermaßen aber auch, ob und ab welchem Zeitpunkt ein Grundstück nicht mehr zum Gesellschaftsvermögen gehört (im Folgenden als Wegrechnung bezeichnet). Gleichermaßen zu unterscheiden ist die unmittelbare und die mittelbare Vermögenszugehörigkeit. Während sich die unmittelbare Vermögenszugehörigkeit aus Erwerbsvorgängen direkt an den jeweiligen Grundstücken ableitet (dann Zurechnung nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG), ergibt sich die mittelbare Vermögenszugehörigkeit aus Berechtigungen des Zurechnungssubjekts von Anteilen an solchen Gesellschaften, denen Grundstücke unmittelbar zuzurechnen sind (dann Zurechnung nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG).
II. Zurechnungssubjekte und -objekte
Dem Wortlaut der § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG entsprechend gilt die Zurechnung lediglich für inländische Grundstücke. Der Anwendungsbereich der Tatbestände bestimmt zugleich über die möglichen Subjekte, denen ein Grundstück zugerechnet werden kann. Dementsprechend geht die Finanzverwaltung gem. Tz. 4 der Zurechnungserlasse vom 16.10.2023 davon aus, dass Grundstücke für Zwecke der § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG natürlichen Personen, juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Stiftungen oder Vereinen nach § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG nicht zugerechnet werden.257 Allerdings können auch natürliche Personen, juristische Personen des öffentlichen Rechts, Stiftungen oder Vereine als Anteilserwerber Anteilsvereinigungen i.S.v. § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklichen, was die § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG zugrunde liegende Fiktion des Erwerbs des inländischen Gesellschaftsgrundstücks auslöst, mit der Folge, dass ihnen das Gesellschaftsgrundstück zugerechnet wird.258
III. Unmittelbare Zu- und Wegrechnung aufgrund der Tatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG
Die Zugehörigkeit inländischer Grundstücke zum Vermögen einer Gesellschaft kann sich vorerst aus den Tatbeständen des § 1 Abs. 1 GrEStG ergeben. Aufgrund ihrer Sonderstellung, lediglich sog. Zwischengeschäfte zu besteuern, eignen sich § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG nicht zur Begründung einer Grundstückszurechnung. Die Vermögenszugehörigkeit folgt damit lediglich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 GrEStG. Ob eine Gesellschaft zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks ist, sagt grundsätzlich nichts abschließend darüber aus, ob das Grundstück auch für Zwecke der § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG zu ihrem Vermögen gehört. Ein Grundstück ist einer Gesellschaft vielmehr dann zuzurechnen, wenn sie in Bezug auf das Grundstück einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 – Nr. 4 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Dadurch, dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die Steuerentstehung auf den Abschluss des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks begründet, vorverlagert und damit bereits beim sog. Signing ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird, ist der erwerbenden Gesellschaft auch schon in diesem Zeitpunkt das Grundstück für Zwecke der § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG zuzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Grundstück weiterhin im zivilrechtlichen Eigentum des Erwerbers verbleibt. Auf der Kehrseite hat dies zur Folge, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen einer Gesellschaft gehört, wenn sich diese gegenüber einem anderen Rechtsträger i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unbedingt wirksam zur Übertragung des Grundstücks verpflichtet hat.259 Gleiches gilt in Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG, der gleichermaßen unabhängig von der zivilrechtlichen Eigentumszuweisung eine Grundstückszu- bzw. -wegrechnung mit dem Meistgebot begründet.
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG und § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG knüpfen hingegen an die Auflassung bzw. an den zivilrechtlichen Eigentumsübergang an, womit sich die grunderwerbsteuerrechtliche Vermögenszugehörigkeit i.S.d. § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG in diesen Fällen nach der Auflassung bzw. nach dem zivilrechtlichen Eigentumszuweisung richtet.
Ein Vorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG soll nach Auffassung des BFH jedoch nur dann für Zwecke der § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG die Zurechnung des Grundstücks zum Vermögen der erwerbenden Gesellschaft begründen können, wenn gleichzeitig die Verwertungsbefugnis über das Grundstück auf den Erwerber übergeht.260 Hiermit wird der durch die Inhaberschaft über die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis zum Ausdruck kommenden wirtschaftlichen Bestimmungsmacht über das Grundstück Vorrang gegenüber der zivilrechtlichen Eigentümerstellung eingeräumt und insoweit eine Mehrfachzurechnung des Grundstücks an gleichrangige Gesellschaften verhindert. Verpflichtet sich bspw. eine Gesellschaft, die ein Grundstück, das in ihrem zivilrechtlichen Eigentum steht, treuhänderisch (i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG) zugunsten eines Dritten hält, das Grundstück auf eine weitere Gesellschaft zu übertragen, ist im weiteren Verlauf das Grundstück nicht für Zwecke der § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG der erwerbenden Gesellschaft zuzurechnen.
IV. Unmittelbare Zu- und Wegrechnung aufgrund des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG
Eine unmittelbare Vermögenszugehörigkeit eines Grundstücks kann sich auch aus § 1 Abs. 2 GrEStG ergeben. Erlangt eine Gesellschaft die Verwertungsbefugnis über ein Grundstück und verwirklicht damit einen nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang, oder hat sie die Verwertungsbefugnis inne, ist ihr das Grundstück für Zwecke der § 1 Abs. 2a bis § 1 Abs. 3a GrEStG zuzurechnen.261 Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Grundstück einer Gesellschaft entsprechend der obigen Grundsätze nicht mehr zuzurechnen, wenn ein anderer Rechtsträger in Bezug auf das bisher zum Vermögen der Gesellschaft gehörende Grundstück einen nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Nachdem die Finanzverwaltung vorerst davon ausgehen wollte, dass die Verwirklichung eines unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs nicht zu einer Wegrechnung in Bezug auf den bisherigen Grundstücksinhaber führen soll, sondern vielmehr eine weitere Grundstückszurechnung beim Erwerber der Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG – und damit eine zweite Zurechnung desselben Grundstücks – begründen soll, hat die Finanzverwaltung die Auffassung des BFH in ihren Zurechnungserlassen vom 16.10.2023 übernommen.262
Fußnoten
252 Vgl. BFH-Urteil II R 26/12 vom 11.12.2014, BFHE 247, 343 = BStBl. II 2015, 402; BFH-Urteil II R 65/08 vom 25.08.2010, BFHE 231, 239 = BStBl. II 2011, 225; BFH-Urteil II R 14/02 vom 29.09.2004, BFHE 207, 59 = BStBl. II 2005, 148; vgl. auch z.B. Viskorf/Meßbacher-Hönsch, § 1 GrEStG Rn. 885 ff ., Rn. 993 f., Rn. 1075 ff ., Rn. 1348 f. Vgl. a.a.O., Tz. 889a: Ein Grundstück, dessen Anschaffung erst geplant ist, gehört selbst bei Vorliegen eines »Gesamtplans« (noch) nicht zum Vermögen der Gesellschaft.
253 Nach Ansicht von Behrens/Wachter/Behrens, GrEStG, bereits 1. Aufl . 2018, § 1 Rn. 331 ff ., ist es in allen Fällen ausgeschlossen, das Grundstück einer Tochter- (oder Enkel- etc) Gesellschaft für die Zwecke von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG zugleich auch als zum Vermögen der Mutter-Gesellschaft gehörend zu werten; vgl. auch Brühl, GmbHR 2019, 199 (202). Bei § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG geht es darum, das Grundstück einer fiktiv neuen Personen- bzw. Kapitalgesellschaft zuzurechnen. Es geht nicht darum, das Grundstück dem bzw. einem Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft zuzurechnen; vgl. BFH-Beschluss II B 113/02 vom 11.09.2021 –, BStBl. II 2002, 777, 778 f. Dies muss auch bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Zugehörigkeit von Gesellschaftsgrundstücken von Tochtergesellschaften zum Vermögen der Ober-Gesellschaft beachtet werden.
254 Vgl. Erlasse vom 10.05.2022, BStBl. I 2022, 801, BStBl. I 2022, 821. Vgl. zuvor die gleich lautende Länder-Erlasse zur Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. Anders noch die außer Kraft getretenen gleich lautenden Länder- Erlasse v. 18.02.2014, BStBl. I 2014, 561, Anm. 1.2., wonach »Grundstücke, die der Personengesellschaften nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen sind«, auch für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG zu ihrem Vermögen gehören sollten. Dass damit in den Erlassen v. 12.11.2018 eine Änderung der Verwaltungsauffassung erfolgt ist, wird auch anhand der Verfügung des Landesamts für Steuern und Finanzen Sachsen v. 02.12.2019, Anm. 1.3, deutlich, wonach »die bisher vertretene Auffassung, wonach eine nach § 1 Abs. 3 GrEStG relevante Beteiligungsstruktur ausreichend war, überholt ist«.
255 Vgl. die sog. Zurechnungs-Erlasse vom 16.10.2023, BStBl. I 2023, 1872.
256 RegE eines JStG 2024, Stand: 05.06.2024, Art. 27.
257 Erlass vom 16.10.2023, BStBl. I 2023, 1872, Tz. 4.
258 Vgl. z.B. Behrens/Sparr, DB 2023, 2839; Viskorf/Meßbacher-Hönsch, § 1 GrEStG Rn. 886.
259 Vgl. BFH-Urteil II R 26/12 vom 11.12.2014, BStBl. II 2015, 402, Rn. 18.
260 Vgl. BFH-Urteil II R 40/20 vom 14.12.2022, BStBl. II 2023, 1012.
261 Vgl. BFH-Urteil II R 40/20 vom 14.12.2022, BStBl. II 2023, 1012.
262 Vgl. BStBl. I 2023, 1872, Anm. 2.1, Tz. 5 f.