Der vorliegende Inhalt ist ein Vorabauszug der 3. Auflage von Diehn, BnotO Kommentar, die Sie hier bestellen können.
Dr. Thomas Diehn, LL.M. (Harvard), Notar in Hamburg, früherer Geschäftsführer der BNotK
A. Überblick
§ 78q BNotO-E regelt die Finanzierung des Videokommunikationssystems der Bundesnotarkammer für Urkundstätigkeiten nach § 78p. Für den Aufbau und den Betrieb des sicheren Videokommunikationssystems soll die Bundesnotarkammer Gebühren von den Notaren erheben. Diese werden in einer Gebührensatzung festgelegt, die der Genehmigung durch das BMJ bedarf.
Die Verordnungsermächtigung in Abs. 2 war bereits am 14.08.2021 in Kraft getreten, Art. 31 Abs. 2 DiRUG. Die übrigen Regelungen in § 78q traten am 01.08.2022 in Kraft.
B. Kostenschuldner (Abs. 1 Satz 1)
Abs. 1 Satz 1 sieht vor, dass zur Zahlung der Gebühren für das Videokommunikationssystem an die Bundesnotarkammer der Notar verpflichtet ist. Damit ist der Kostenschuldner festgelegt. In Betracht wäre auch gekommen, wie in § 78j Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bei der elektronischen Urkundenverwahrung den Beteiligten unmittelbar zu verpflichten, da er von dem Erfolg der virtuellen Beurkundung profitiert bzw. diese beantragt hat. Wegen der insoweit eindeutigen gesetzlichen Vorgabe besteht dafür aber keine Satzungskompetenz.1
Eine Finanzierung des Videobeurkundungssystems auf privatrechtlicher Grundlage hat der Gesetzgeber von Anfang an zu Recht ausgeschlossen. Denn die Urkundstätigkeit mit Videokommunikation ist hoheitliche Tätigkeit, für die zwingend die von der Bundesnotarkammer vorgehaltene Infrastruktur zu nutzen ist,2 so dass auch deren Finanzierung öffentlich-rechtlich zu regeln ist.3
C. Auslagenfähigkeit der Gebühren
Nicht in der BNotO geregelt ist hingegen die Frage, ob die vom Notar an die Bundesnotarkammer zu zahlenden Gebühren für die Videoinfrastruktur an die Urkundsbeteiligten auslagenfähig sind. Mit der Kostenschuldnerschaft des Notars ist jedenfalls nicht entschieden, ob der Notar die Gebühren der Bundesnotarkammer als Auslage weiterberechnen kann. Dafür ist das notarielle Kostenrecht allein, namentlich das GNotKG, maßgeblich, das insoweit spezifisch angepasst wurde.
Der Gesetzgeber hat einen neuen Auslagentatbestand in Nr. 32016 KV GNotKG eingefügt. Danach kann und muss der Notar – unabhängig von seinen tatsächlichen Kosten und den tatsächlichen Gebühren der Bundesnotarkammer – pauschal für die Inanspruchnahme des Videokommunikationssystems der Bundesnotarkammer eine Auslage von 25 € pro Beurkundung und 8 € für Beglaubigungen einer qualifizierten elektronischen Signatur erheben, wobei mehrere Beglaubigungen in einem Vermerk diese Auslage nach der Anmerkung zu Nr. 32016 KV GNotKG-2022 nur einmal auslösen.
Da der Gesetzgeber Auslagenpauschalen vorgesehen hat, kommt es auf die konkreten und tatsächlichen Kosten nicht an: Weder ist der Auslagentatbestand auf die Umlage von ggf. niedrigeren tatsächlichen Kosten beschränkt,4 noch können über die Pauschale hinaus höhere Kosten geltend gemacht werden.
Wenn neben Nr. 32016 KV GNotKG weitere Auslagentatbestände erfüllt sind, können diese neben der Pauschale zusätzlich geltend gemacht werden; die Pauschale hat mangels entsprechender Anordnung durch den Gesetzgeber keine Abgeltungs- oder Verdrängungswirkung. Insbesondere entsteht die Pauschale neben den Auslagen für die Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten i.S.d. Nrn. 32004 und 32005 KV GNotKG.5 Raum für Nr. 32015 KV dürfte hingegen nicht bestehen; dort wurde das Videokommunikationssystem im Gegensatz zu den Registern und dem Urkundenarchiv auch nicht erwähnt.
Kosten für die Einrichtung des Videokommunikationssystems können hingegen nicht gesondert umgelegt werden. Es handelt sich um Allgemeinkosten des Amtsbetriebs und damit um allgemeine Geschäftskosten i.S.d. Abs. 1 Vorbemerkung 3.2 KV GNotKG.6 Notare müssen das Videokommunikationssystem auf eigene Kosten einrichten und bereithalten. Diese Verpflichtung besteht unabhängig von der tatsächlichen Nutzung, auf die sich die Umlagefähigkeit beschränkt. Die Notar-Gebühren für die Beurkundung und Beglaubigung sind insoweit auch für das Vorhalten des Betriebs und der Nutzungsmöglichkeit zu entrichten.7
D. Höhe der Gebühren (Abs. 1 Satz 2)
Abs. 1 Satz 2 regelt die Bemessung der Gebühren der Bundesnotarkammer. Ziel der Gebührenerhebung ist die vollständige Finanzierung der Einrichtung, des Vorhaltens und des dauerhaften, sicheren und komfortablen Betriebs des Videokommunikationssystems.8 Die Gebühren sollen damit den Gesamtaufwand abdecken (vgl. § 78g Rdn. 18 ff.).
Die Gebühren sollen getrennt von anderen von der Bundesnotarkammer bereitgestellten EDV-Systemen wie dem Elektronischen Urkundenarchiv, dem Zentralen Vorsorgeregister und dem Zentralen Testamentsregister kalkuliert werden.9 Getrennte Haushalte zu führen ist die Bundesnotarkammer hingegen nicht verpflichtet.
Eine Gewinnerzielung durch die Bundesnotarkammer ist unzulässig.10 Davon zu trennen ist aber die Erzielung eines Jahresüberschusses zur Bildung einer hinreichenden Betriebsrücklage.
E. Satzungsermächtigung (Abs. 2)
Abs. 2 enthält die Satzungsermächtigung der Bundesnotarkammer, für das Videokommunikationssystem eine Gebührensatzung zu erlassen.11 Die Satzungskompetenz umfasst, Tatbestand und Höhe der Gebühren nach Abs. 1 festzulegen sowie das Verwaltungsverfahren zu ihrer Erhebung auszugestalten. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bundesnotarkammer und dem Nutzer der Videoinfrastruktur ist damit nicht privatrechtlicher Natur (vgl. oben Rdn. 5), sondern ausschließlich öffentlich-rechtlich ausgestaltet.
I. Reichweite der Satzungskompetenz
1. Gebühren nach Abs. 1
Der Satzungskompetenz der Bundesnotarkammer sind durch die gesetzlichen Vorgaben Grenzen gesetzt. Allerdings hat der Gesetzgeber den Tatbestand der zu erhebenden Gebühr nicht selbst geregelt. Das Satzungsermessen der Bundesnotarkammer ist daher hier erheblich weiter als sonst. Die Grenzen betreff en den Kostenschuldner und die Gebührenhöhe.
Vorgesehen sind fallbezogene Gebühren nach § 2 Abs. 2 NotViKo-GebS:
- 8,00 € für die Beglaubigung qualifizierter elektronischer Signaturen und
- 25,00 € für Video-Beurkundungsverfahren.
Das entspricht (derzeit) auch der Höhe der Auslagenpauschalen. Auf die Auslagen ist Umsatzsteuer zu erheben, weil Kostenschuldner der Gebühren nach der NotViKo-GebS der Notar ist (§ 1 Abs. 1 NotViKo-GebS).
Erfolgt eine Beglaubigung mehrerer qualifizierter elektronischer Signaturen in einem einzigen Vermerk, entsteht die fallbezogene Gebühr nur einmal.
Zusätzliche Notargebühren entstehen für das Online-Kommunikationsverfahren nicht.12
Ferner fallen für das Videokommunikationssystem monatliche Grundgebühren an, wenn der Notar am 15. Tag eines Monats aufgrund der Eintragung in das Notarverzeichnis an das Videokommunikationssystem angeschlossen ist (§ 1 Abs. 2 NotViKo-GebS). Nur Notariatsverwalter sind von der Grundgebühr ausgenommen. Die Grundgebühr beträgt nach § 2 Abs. 1 NotViKo-GebS:
- 59,00 € pro Monat für jeden Anwaltsnotar und
- 183,00 € pro Monat für jeden hauptberuflichen Notar.
Die Grundgebühren sind hoch und belasten den einzelnen Notar stark, insbesondere bei geringer bis sehr geringer Nutzung des Videokommunikationssystems. Die Bundesnotarkammer hatte die Grundgebühren – vermutlich wegen der geringen Nutzung –in der durch die 125. Generalversammlung zunächst erlassenen NotViko-GebS geringer festgesetzt, was das BMJV genehmigt hatte. Auf der 128. Generalversammlung hat die BNotK die Grundgebühren sodann von 38 € auf 59 € für Anwaltsnotare bzw. von 118 € auf 183 € für hauptberufliche Notare erhöht.13 Das Sonderopfer ist gerechtfertigt, um die hohen Anfangskosten der technologischen Transformation im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege zu decken.
2. Art der Erhebung
Zur Satzungskompetenz gehört die wenig vorgegebene Art der Gebührenerhebung. Die »Art der Erhebung« ist weit zu verstehen. Dazu kann beispielsweise zählen, Vorschüsse zu verlangen oder den Notar zur Teilnahme an Lastschriftverfahren zu verpflichten. Nach Art. 13d Abs. 1 GesRRL hat die Gebührenregelung transparent und diskriminierungsfrei zu erfolgen.
II. Zuständigkeit, Verfahren, Form
Für den Erlass der Gebührensatzungen funktional zuständig ist die Generalversammlung der Bundesnotarkammer, § 83 Abs. 1. Für die Nutzung des Videokommunikationssystems ist eine gesonderte Gebührensatzung zu erlassen. Die Satzungen werden nach § 25 der Satzung der Bundesnotarkammer vom Präsidenten der Bundesnotarkammer ausgefertigt und in der Deutschen Notar-Zeitschrift verkündet. Jede Satzung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen.14
III. Genehmigung
Nach Abs. 2 Satz 2 bedarf in Anlehnung an § 77 Abs. 3 auch die Video-Gebührensatzung der Bundesnotarkammer der Genehmigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Die Genehmigung ist Teil der Rechtsaufsicht. Sie ist zu erteilen, wenn die beschlossene Satzung rechtmäßig ist. Das ist der Fall, wenn die gesetzlichen Vorgaben für die Gebührensatzung eingehalten wurden und ein wirksamer Satzungsbeschluss durch die Generalversammlung der Bundesnotarkammer vorliegt. Im Rahmen der Einschätzungsprärogative des Satzungsgesetzgebers hat die Aufsichtsbehörde keine Überprüfungsbefugnisse. Sie kann die Genehmigung wegen Unzweckmäßigkeit nicht verweigern. Die Bundesnotarkammer hat einen Genehmigungsanspruch. Die Rechtsaufsicht hat keine Kompetenz, eigene Zweckmäßigkeitserwägungen über das Mittel der Genehmigung durchzusetzen.
Es entspricht guter Verwaltungspraxis, Satzungsänderungen im Vorfeld der Generalversammlung der Bundesnotarkammer mit dem BMJ abzustimmen.
Im Wege der Rechtsaufsicht kann das Bundesministerium der Justiz verlangen, dass die Bundesnotarkammer die Höhe der Gebühren überprüft, Abs. 2 Satz 3.15 Die Art der Überprüfung hat der Gesetzgeber nicht vorgeschrieben – sie liegt im Ermessen der Bundesnotarkammer. Die Überprüfungspflicht bedeutet, dass eine erneute Prognose über die erwarteten Entwicklungen anzustellen und die bisher getroffenen Annahmen zu hinterfragen sind. Dabei handelt es sich um Aufgaben der Bundesnotarkammer. Die damit verbundene Einschätzungsprärogative kann das Bundesministerium der Justiz nicht durch eigene Annahmen und Einschätzungen einschränken.16 Die Rechtsaufsicht kann die Überprüfung auch nicht selbst vornehmen.
Fußnoten
1 Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 4: Gebührenschuldner sind ausschließlich die Notare.
2 BT-Drucks. 19/28177, S. 111; Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78p Rn. 16.
3 Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 3.
4 Irrig BT-Drucks. 19/28177, S. 111.
5 BT-Drucks. 19/28177, S. 144.
6 Diehn, Notarkostenberechnungen Rn. 179a; BeckOK BNotO/Hushahn, BNotO, § 78q Rn. 3; Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 5.
7 BT-Drucks. 19/28177, S. 111.
8 BT-Drucks. 19/28177, S. 112; Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 6.
9 Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 6.
10 BT-Drucks. 19/28177, S. 112; Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 6.
11 Es bestehen eindeutig keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Satzungsermächtigung im Hinblick auf das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Denn die Notare als Gebührenschuldner sind mittelbar über die Notarkammern an der BNotK beteiligt (s. § 79 Rdn. 2). Die für den Satzungserlass zuständige Generalversammlung ist also mittelbar durch die Gebührenschuldner, sprich die Notare legitimiert, ebenso Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 8; siehe zu dieser Thematik beim Zentralen Testamentsregister § 78g Rdn. 40 f.: Anders als beim Videokommunikationssystem erstreckt sich die Satzungsbefugnis zur Gebührenerhebung beim Zentralen Testamentsregister – im Ergebnis verfassungsrechtlich unbedenklich – auf Dritte, nämlich u.a. den Erblasser, s.a. Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 8.
12 Diehn, Notarkostenberechnungen, Rn. 1159b f., 1219b f. und 1234b f.
13 BeckOK BNotO/Hushahn, BNotO § 78q Rn. 8.
14 Vgl. Zimmermann/Diehn, § 78e Rn. 11.
15 Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 7.
16 Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mayer, BNotO, § 78q Rn. 7: weiter Einschätzungsspielraum für die BNotK.