Man thinking while sitting on stairs
Recht & Verwaltung08 August, 2024

BGH: Keine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung im Bewerbungsverfahren

Redaktion Wolters Kluwer Online

Die Wiedereinstellung eines Bewerbers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde, kann zulässigerweise wegen seines Alters abgelehnt werden, wenn ein jüngerer qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht. Ein Entschädigungsanspruch wegen einer Altersdiskriminierung besteht in einem solchen Fall nicht.

Sachverhalt: Geltendmachung einer Altersdiskriminierung in einem Bewerbungsverfahren

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens.
Der 1952 geborene Kläger hat die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II in den Fächern Philosophie und Musik abgelegt. Nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer bei dem beklagten Land ist er wegen Erreichens der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung seit Anfang des Jahres 2018 im Altersruhestand. Seitdem war er wiederholt im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse als Lehrer für das beklagte Land tätig.

Kläger im Ruhestand bewarb sich um Vertretungsstelle

Im Dezember 2021 bewarb er sich bei einem Gymnasium des beklagten Landes auf eine Vertretungsstelle, die von der Schulleitung für den Zeitraum vom 01.02.2022 bis zum 09.08.2022 in einem Umfang von 18 Wochenstunden mit der Fächerkombination Deutsch und Philosophie/Praktische Philosophie ausgeschrieben war.

Stelle mit jüngerem Mitbewerber besetzt

Ein weiterer Bewerber für diese Stelle ist 1981 geboren und hat die Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen in den Fächern Geschichte und Philosophie/Praktische Philosophie abgelegt.
Die Schulleitung teilte der Bezirksregierung per E-Mail vom Januar 2022 mit, dass sie den Kläger zwar für besser qualifiziert halte, gleichwohl aber die Besetzung der Vertretungsstelle mit dem Mitbewerber beantrage. Die Stelle wurde schließlich mit dem Mitbewerber besetzt.
Mit seiner Klage hat der Kläger eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung in Höhe von 30.000,00 Euro verlangt. Er sei allein wegen seines Alters nicht eingestellt worden.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom LAG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Das beklagte Land begehrt die Zurückweisung der Revision.

Begründung: Kein Anspruch auf eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung

Mit dem vorliegenden Urteil vom 25.04.2024 - 8 AZR 140/23 - hat das BAG zu einem Entschädigungsanspruch wegen einer Altersdiskriminierung Stellung genommen.
Das BAG hat entschieden, dass dem klagenden Arbeitnehmer kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wegen Altersdiskriminierung zusteht.
Das beklagte Land hat nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG verstoßen.

Der Kläger wurde zwar wegen seines Alters unmittelbar im Sinne von § 3 Abs. 1 GG benachteiligt. Denn das beklagte Land hat hier seine erneute Einstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze abgelehnt.

Behandlung des Klägers gemäß AGG zulässig

Nach Überzeugung des BAG ist die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seines Alters hier allerdings nach § 10 S. 1 in Verbindung mit S. 2 AGG zulässig. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.
Das legitime Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen kann auch die Verweigerung der Wiedereinstellung eines aufgrund einer Altersgrenze bereits ausgeschiedenen Beschäftigten rechtfertigen.
Die Ablehnung des Klägers wegen Überschreitens der Regelaltersgrenze ist hier nach § 10 S. 2 AGG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt. Das Mittel zur Erreichung des nach § 10 S. 1 AGG legitimen Ziels der Generationengerechtigkeit ist angemessen und erforderlich.
Die Ablehnung des Klägers war hier unabhängig von der Arbeitsmarktlage gerechtfertigt, weil ein wesentlich jüngerer Bewerber eingestellt werden konnte, der über die geforderte Formalqualifikation verfügt.
Das Unterlassen einer Auswahlentscheidung anhand der Qualifikationen der Bewerber verstößt auch nicht gegen Art. 33 Abs. 2 GG.

Praktische Bedeutung des Urteils vom 25.04.2024 - 8 AZR 140/23

Das BAG verdeutlicht in diesem Urteil die Voraussetzungen einer Altersdiskriminierung bei einer Ablehnung eines Bewerbers.

Wiedereinstellung könnte Regelung zur Altersgrenze aushöhlen

Nach Auffassung des BAG ist die altersbedingte Ablehnung eines Bewerbers, der die Regelaltersgrenze bereits überschritten hat, gerechtfertigt, wenn einer für den Arbeitgeber geltenden Regelung zur Altersgrenze durch seine Wiedereinstellung die Wirkung genommen wird.
Dies ist der Fall, wenn der Personalbedarf durch die Einstellung eines Bewerbers gedeckt werden kann, der die vorgesehene Altersgrenze noch nicht erreicht hat und die geforderten Qualifikationen aufweist.
Nach der Konzeption der Altersgrenzenregelung soll der jüngere, qualifizierte Bewerber aus Sicht des BAG dann die Möglichkeit der beruflichen Entwicklung erhalten.

Ist ein solcher Bewerber hingegen nicht vorhanden, widerspricht die erneute Einstellung eines Bewerbers, der die Altersgrenze bereits überschritten hat, nicht deren Zweck, weil die erstrebte Generationengerechtigkeit in diesem Fall nicht beeinträchtigt werden kann (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 01.08.2018 - 17 Sa 1302/17).

Bildnachweis:Ari/stock.adobe.com

Back To Top