Die 6 wichtigsten Knigge-Tipps für Bauanwälte
Knigge-Regel Nr. 1: Auf die Baustelle gehen und Nähe zum Mandaten suchen
Nicht der Kanzlei-Schreibtisch allein, sondern auch die Baustelle, der Baucontainer, das Baubüro, die Werkstatt, letztlich also das »Bauobjekt« bzw. der buchstäbliche »Stein des Anstoßes« bei Baumängeln müssen Teil des Arbeitsalltags werden.
»Interessiere Dich für andere, wenn Du haben willst, dass andere sich für Dich interessieren. Respektiere Dich selbst, wenn Du willst, dass andere Dich respektieren sollen.«
Mit dieser Vorgabe ist ein erster Wegweiser aufgestellt für erfolgreiche Bauanwälte. Denn der Bauanwalt, dem die »Bauwelt« verborgen bleibt bzw. der sich ihr verschließt, kann sich weder ein eigenes Bild von Bauwerk und Bauleistung, die Gegenstand juristischer Beurteilung sind, machen, noch den einleitenden Grundsatz beherzigen. Sich für die Arbeit des Bauingenieurs, aber auch des Poliers, Gerätefahrers, Maurers, Installateurs, Monteurs, Bauleiters oder Magaziners vor Ort zu interessieren ist viel mehr als eine ausgedrückten Wertschätzung für deren Arbeit. Gleichzeitig kann man dadurch immer wieder das eigene Wissen aufpolieren, dadurch nicht nur seinen beruflichen Horizont erweitern und so letztlich die optimale Mandatsbearbeitung gewährleisten.
Grundsätzlich sehen Bauanwälte das »Bauproblem« also auch vor Ort und nicht nur in Papierform in ihrem Büro. Dies kann auch mit Blick auf die zum Teil sehr umfangreichen Bau- und Abrechnungsakten gelten. Manchmal ist es besser, wenn der Prophet zum Berg und nicht der Berg zum Propheten kommt, d.h. die gemeinsame Selektion im Büro des Bauleiters oder Baukaufmanns bei Unternehmen oder im Ingenieurbüro des Bauherrn kann nicht nur mühsame Transporte vermeiden helfen, sondern auch der schnelleren und verständlicheren Kommunikation dienen. Ganz abgesehen davon zeigt die Anwaltspraxis häufig, dass Mandanten wesentliche Schriftstücke im Beratungsgespräch nicht griffbereit haben. Ein zusätzlicher Termin ist damit unvermeidbar.
Knigge-Regel Nr. 2: Unverzichtbare Rechtskenntnisse
Hier geht es um die speziellen Regelungen, die in irgendeiner Form bei der Gestaltung, Prüfung, Auslegung und Durchsetzung von Bauverträgen von Bedeutung sein können. Die Aneignung derartiger Kenntnisse ist für angehende Juristen an den entsprechenden Fakultäten der deutschen Universitäten nur an wenigen vorgesehen. So bleibt etwa die VOB oder die HOAI bis zur ersten Begegnung in der Praxis eine große Unbekannte und auch danach meist ein Buch mit sieben Siegeln.
Überblick „Schnittmenge Baurecht“
Geht man aus dem Grobüberblick ins Detail, so ergibt sich folgende Darstellung:
Die Einzelkenntnis vorstehender »Rechts- und Technikschubladen« ist im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Anwaltshaftung gerade in Bausachen, mit denen häufig hohe Streitwerte verbunden sind, unabdingbar: Nichtwissen und Unkenntnis des Bauanwalts bedeutet im Regelfall Fahrlässigkeit gem. § 276 BGB und damit Verschulden aus dem Mandatsvertrag.
Knigge-Regel Nr. 3: Unverzichtbares technisches Grundwissen
Das unverzichtbare notwendige technische Wissen gründet auf drei wesentlichen Säulen:
a) Regeln der Technik
Die VOB kennt – im Unterschied zum Werkvertragsrecht des BGB – an mehreren Stellen den Begriff der »anerkannten Regeln der Technik« (z.B. §§ 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2; 13 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe a) VOB/B). Es handelt sich dabei zunächst um einen Klammerbegriff zwischen Recht und Technik, dessen Bedeutung und dessen Inhalt dem Baujuristen umfassend bekannt sein muss.
aa) Primär werden die sog. technischen DIN-Normen als Regeln der Technik angesehen
bb) „allgemein anerkannte Regeln der Technik“
Der Begriff der »(allgemein) anerkannten Regeln der Technik« wird in keiner Rechtsnorm näher erläutert. Deshalb haben die Rechtslehre und die Rechtsprechung den unbestimmten Rechtsbegriff auszufüllen versucht.
b)Wesentliche technische Grundbegriffe für Baujuristen
Vorab ist jedoch die generelle Zuordnung aller Bauleistungen nachzuvollziehen. Dabei unterscheidet man einmal hinsichtlich der Art der Bauleistung (vgl. § 1 VOB/A) sowie der, manchmal nicht einfachen, Einstufung in die Gewerkevorgaben der VOB/C.
c) Grundvorgaben durch DIN-Normen und Regelwerke
Zum unverzichtbaren technischen Grundwissen zählt die Kenntnis der Entstehung, Verbreitung, Änderung und Aufbereitung von DIN-Normen und Regelwerken. Dazu gibt es einen mit dem DIN-Institut eng zusammenhängenden Verlag: Der Beuth Verlag (www.beuth.de) ist einer der größten technisch-wissenschaftlichen Verlage der Bundesrepublik Deutschland. Seit August 2000 bietet der Beuth Verlag den unmittelbaren, kostenpflichtigen Online-Zugriff auf technische Dokumente verschiedener Herausgeber an, so auch auf DIN-Normen. Damit ist der Beuth Verlag die zentrale Bezugsquelle für Normen, Literatur aus dem Normungsbereich und technische Regeln in Deutschland.
Knigge-Regel Nr. 4: Aktenordnung und Aktenführung in Bausachen
Nur wenige andere Bereiche bringen ebenso wie das Baurecht die Notwendigkeit mit sich, im Regelfall hunderte, oft aber auch tausende von »Fall-Seiten« zunächst auf Relevanz zu sichten, dann zuordnen und schließlich nicht nur zu studieren, sondern vor allen Dingen sofort immer die wesentlichen Seiten griffbereit zu haben – und für das (Schieds-)Gericht rasch zugänglich zu machen.
Der Grund liegt bei Baustreitigkeiten in erster Linie darin, dass von den Baubeteiligten hier schon nach den technischen Vorgaben eine große Zahl an Prüfprotokollen, Liefernachweisen, Deponiescheinen etc. gefordert werden und zudem die Abrechnung nicht nur regelmäßig ein umfassendes Aufmaß voraussetzt – vgl. § 14 VOB/B –, sondern auch eine exakte Aufstellung aller Stundenlohnarbeiten samt Bautagesberichten sowie einem meist umfangreichen Schriftverkehr: Bedenkenmitteilungen, Behinderungsanzeigen und Verzugsetzungsschreiben zählen etwa dazu.
Eine übersichtliche Aktenführung ist bereits »der halbe Prozessgewinn«. Dies umso mehr, wenn dem Gericht entweder in die Schriftsätze eingearbeitet oder mit eigener Dokumentation auch visuell die Problembereiche näher erläutert werden.
Viele Prozesse werden durch »Augenschein« der dem Gericht vorgelegten Bilder zumindest vorab »nach Gefühl« vorentschieden: Wo der Schimmel oberhalb des Rollo-Kastens ersichtlich blüht und den Wand – Decken – Bereich schwärzlich färbt, kann eine gute Nahaufnahme sowohl das Gericht beeindrucken wie dem bestellten Sachverständigen, der die Akte zur Vorbereitung des Ortstermins erhält, eine bessere Vorbereitung ermöglichen.
Spätestens seit Einführung des beA ist es unabdingbar, nach Vorliegen der ausgetauschten Schriftsätze diese samt Anlagen und dem gewechselten Schriftverkehr zu digitalisieren. Damit haben auf jeder Seite alle Beteiligten die kompletten Unterlagen zur Hand und es kommt – gerade auch bei der Vorbereitung einer Besprechung oder eines gerichtlichen Termins – kein Problem hinsichtlich der Aktensortierung auf.
Knigge-Regel Nr. 5: Partnerschaftlicher Umgang (Partner statt Gegner)
Warum bei (vermeintlich oder tatsächlich) unrichtiger Schlussrechnung gleich den Betrugsvorwurf in Schriftform erheben, statt zunächst vernünftig und sachlich miteinander eine Lösung zu suchen? Warum spätestens ab Vertragsschluss im jeweils anderen nur noch den »Gegner«, statt den Vertrags»partner«, mit dem zusammen letztlich ein gemeinsames Ziel – das mangelfreie, vertragsgerechte Bauwerk oder die entsprechende Bauleistung gegen entsprechende Vergütung – angestrebt wird, sehen? - Sachlichkeit und Objektivität ist vielmehr das oberste Gebot für den Bauanwalt.
Knigge-Regel Nr. 6: Es auf den Punkt bringen.
Bauanwälte schreiben so wenig wie möglich und so viel, wie nötig. Dabei gilt es zunächst immer wieder, dem eigenen Mandanten darzulegen, dass es zwar den Grundsatz gibt: »Wer schreibt, der bleibt!«. Dass jedoch weder in der außergerichtlichen noch in der gerichtlichen Auseinandersetzung der »Vielschreiber« gefragt ist, sondern derjenige näher am Erfolg steht, der mit wenigen Worten viel sagt.
Das Handbuch "Der Knigge für den Bauanwalt"
All dieses Grundlagenwissen und noch vieles mehr haben wir für Sie ausführlich in einem Handbuch aufbereitet. Neben unverzichtbaren Rechtskenntnissen sowie bautechnischen Grundwissen kommt auch das Zwischenmenschliche nicht zu kurz.
Kurzum das Handbuch ist das Fundament für jeden Baujuristen!