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Recht & Verwaltung18 Oktober, 2023

Onboarding von Auszubildenden

Ronja Tietje
Mit dem Ausbildungsstart eines jungen Menschen beginnt auch das Onboarding. Doch wie setzt man dies erfolgreich um? Welche Herausforderungen gilt es gemeinsam zu meistern? Und wie vermeidet man frühzeitige Ausbildungsabbrüche?

Für die Auszubildenden beginnt ein neuer Lebensabschnitt und damit ihr Start der beruflichen Karriere. Doch dies gilt auch für die Ausbilder, die mit der Ausbildung zeitintensiv in den beruflichen Nachwuchs investiert.

Nach einer aktuellen Studie des BiBB (Bundesinstitut für Berufsbildung) gibt es allerdings gerade in den freien Berufen im ersten Quartal nach Ausbildungsstart bzw. innerhalb der Probezeit eine Vielzahl an Ausbildungsabbrüchen. Dies ist für alle Seiten eine unangenehme Situation und gerade mit Blick auf den akuten Fachkräftemangel ist es daher umso wichtiger, junge Menschen in der Ausbildung zu halten und sie für den Ausbildungsberuf zu begeistern.

Praxistipps fürs Onboarding

Der erste Monat im neuen Ausbildungsjahr ist nun vorbei und die Auszubildenden haben sich schon - je nach Kanzleigröße - ein wenig in den Kanzleiablauf eingefunden. Doch es gibt sicher noch viele Fragen und einige Ungereimtheiten.

Für ein gutes Einleben wäre es wünschenswert, den Auszubildenden einen festen Ansprechpartner zur Seite zu stellen, der gerade in den ersten Wochen und Monaten systematisch und aktiv auf die Auszubildende zugeht. Gleichzeit auch mögliche Probleme, aber auch Ausrichtung und nächste Schritte im Onboarding-Verfahren anspricht und Feedback einholt. Schon allein eine offensive Ansprache führt dazu, dass die Auszubildende sich wertgeschätzt und in der Kanzlei als Teammitglied willkommen fühlen.

Auszubildenden, die häufig direkt aus dem Schulalltag in die berufliche Arbeitswelt starten, können sich selbst und ihre Arbeitsleistung oftmals noch nicht richtig einschätzen. Regelmäßige Feedbackgespräche sind dabei ein gutes Mittel, um den Auszubildenden eine Rückmeldung und eine Beurteilung über die erbrachte Leistung zu vermitteln. So erhalten die Auszubildenden eine konstruktive Rückmeldung und die Sicherheit, dass die Kanzlei sie unterstützt und gemeinsam an Lösungen für eventuell auftretende Hürden arbeitet. Positive Rückmeldungen über das Erreichen von vorab festgelegten Arbeitszielen (z. B. die korrekte Aktenanlage) wirken sich gleichfalls motivierend aus.

Neben dem konkreten Ansprechpartner ist es oft hilfreich den Auszubildenden einen Paten zur Seite zu stellen, an den sich die Auszubildenden vertrauensvoll wenden können und der sie gerade im ersten Ausbildungsjahr eng betreut. Ein vertrauensvoller Austausch zwischen Auszubildenden, festen Ansprechpartner und Paten rundet das Konzept ab.

Offene Kommunikation ist das A und O

Eine gute und offene Kommunikation ist die Basis für eine gelungene Ausbildung. Gleichzeitig gilt es aber auch die Auszubildenden zu motivieren, damit diese sich als Teil des Teams fühlen. Dies ist nicht nur für die Auszubildenden wichtig, denn Ausbildung macht auch den Ausbildern mehr Spaß, wenn die Auszubildenden motiviert und mit Freude am Ausbildungsleben teilnehmen.

Sicherlich wird diese nicht jeden Tag gelingen. Wichtig ist es im Blick zu behalten, was genau Auszubildende motivieren könnte. Darauf aufbauend die Ausbildung - neben den fachlichen Inhalten - auszurichten. Anbei folgen einige Empfehlungen für die Kanzleipraxis:

  • Binden Sie Ihre Auszubildenden aktiv in den Kanzleialltag ein und zeigen ihnen, dass sie mit der Erledigung der Aufgaben zum erfolgreichen Kanzleiablauf beiträgt. Von Bedeutung ist es, den Auszubildenden den Zweck ihrer Aufgabe zu erklären, denn dann verstehen sie, warum sie diese Aufgabe erledigen sollen.
  • Nehmen Sie Ihre Auszubildenden einmal zu einem Gerichtstermin mit. Dadurch verstehen sie besser den Beruf der Rechtsanwälte und erhalten wichtige Einblicke, warum z. B. eine gute Aktenverwaltung wichtig für den Terminverlauf und die Bearbeitung des Mandates ist.
  • Setzen Sie realistische Ziele unter Zugrundelegung des Ausbildungsrahmenplanes und versuchen diese nachzuhalten. Erfolge wirken motivierend, Über- oder Unterforderung gilt es zu vermeiden. Der ständige Austausch mit den Auszubildenden beugt dem vor. Konstruktives Feedback ist wichtig, nur so können die Auszubildende lernen und die Aufgabe beim nächsten Mal noch besser erledigen.
  • Ermuntern Sie Ihren Auszubildenden, sich aktiv mit eigenen Ideen einzubringen und dadurch die Ausbildung auch direkt mitzugestalten. Hören Sie den Ideen ergebnisoffen zu. Gerade im Bereich der Digitalisierung können Sie sich Kompetenzen der jungen Generation zunutze machen.
  • Transparenz innerhalb der Ausbildung fördert das Verantwortungsbewusstsein. Auszubildende, die keine Informationen erhalten, können nicht mitdenken. Werden die Auszubildende (mit einbezogen, motiviert sie das, mitzugestalten und sie fühlen sich als Teil des Teams.
  • Wiederholung macht den Meister, aber auch das hat seine Grenzen. Schaffen Sie neben immer wiederkehrenden Aufgaben auch immer neuen Input. Das beugt Langeweile und Eintönigkeit vor.

Doch manchmal laufen die Dinge nicht zusammen und die Ausbildung kommt ins Stocken, die Stimmung trübt sich ein. Wenn es also einmal nicht gut läuft, dann ist es wichtig, dass die Auszubildende den Kopf nicht in den Sand steckt. Denn für die meisten Probleme während der Ausbildung lässt sich eine Lösung finden.

Unabdingbar ist es ins Gespräch zu kommen, um herauszufinden, warum und woran es hakt. Sollten alle Gespräche nicht helfen, dann hilft der Ausbildungsberater der örtlichen Rechtsanwaltskammer als außenstehender Dritter weiter. Er kann eventuell Lösungswege aufzeigen, die vorher nicht erkennbar waren. Suchen Sie frühzeitig das Gespräch, und zwar, bevor sich die Fronten zu sehr verhärten.

Herausforderungen der Ausbildung

Oft sind es immer die gleichen Herausforderungen innerhalb der Ausbildung, die Auszubildende schildern. Hier ein paar Aufzählungen:

  • Überstunden: und hier reden wir nicht über 5 Minuten.
  • Aufgaben, die von den Ausbildungsinhalten weit abweichen: Fensterputzen, Hund ausführen, Garten vom Unkraut befreien, Einkäufe für den privaten Haushalt des Chefs erledigen. Die Auszubildenden haben sich für einen anspruchsvollen Beruf entschieden, nicht für eine Aushilfstätigkeit!
  • Ausbildungsvergütung: Die Höhe des Ausbildungsgehalts reguliert den eigenen Lebensstandard.
  • Missverständnisse mit den KollegInnen und/oder Chefs: Wenn es zu einer Konfliktsituation kommt, dann ist es wichtig beide Seiten anzuhören. Hier gilt nicht das Recht des Älteren.
  • Probleme in der Berufsschule: Sehen Sie die Schule als den dualen Partner in der Ausbildung. Suchen Sie Kontakt und führen auch hier Feedbackgespräche über ihre Auszubildenden.

Frühzeitigen Ausbildungsabbruch vermeiden

Ein Ausbildungsabbruch ist für alle Beteiligten eine unschöne Situation. In aller Regel macht er sich schon frühzeitig bemerkbar. Es ist wichtig, diese kleinen Signale zu erkennen und gelegentlich auch zwischen den Zeilen zu lesen. Hier ein paar Warnsignale:

  • Die Auszubildenden wirken lustlos und demotiviert, z. B. bei den täglichen Routineaufgaben. Dies zeigt sich durch Gesten, in der Mimik oder wird sogar verbal geäußert.
  • Die Auszubildenden führen ihre zugewiesenen Aufgaben immer nachlässiger bzw. unzuverlässiger aus. Die Arbeitsleistung wird statt besser und routinierter immer schlechter.
  • Ansteigen von Fehlzeiten.
  • Fehlende Bereitschaft bei der Teilnahme an Kanzleiveranstaltungen.

Ist das Kanzleiteam aufmerksam und gelingt es die Zwischentöne zu erkennen, dann ist eine gute Kommunikation und die Bereitschaft zum Zuhören gefragt, um wieder auf einen guten Kurs zu gelangen und die Ausbildung weiter aktiv zu leben.

Fazit

Ausbildung ist kein Selbstgänger und das gesamte Kanzleiteam, ob nun direkt oder indirekt an der Ausbildung beteiligt, ist gefragt. Das kostet Zeit, ist aber sehr gut investiert. Denn wenn wir es nicht schaffen, junge Menschen für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten zu begeistern, dann wird das Problem des Fachkräftemangels noch gravierender, als es bisher schon vorliegt in unserer Branche .

Tietje, Ronja
Rechts- und Notarfachwirtin Ronja Tietje ist Vorstandsmitglied des Reno Bundesverbandes und Gesellschafterin der Tietje & Schrader Kanzlei-Consulting, Achim.
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