§ 1 GWB zu beachten
Allerdings unterliegt jede Bietergemeinschaft den rechtlichen Grenzen des gesetzlichen Kartellverbots nach § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Dieser lautet:
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.
Unter "wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen" sind keineswegs nur die „eindeutigen“ Fälle von Preis- oder Gebietsabsprachen zwischen Bietern (etwa: „Wir bieten nur im Los 1 an, ihr bietet nur im Los 2 an“) zu verstehen. Im Sinne des Wettbewerbsgrundsatzes sind "wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen" vielmehr weit auszulegen.
Erfasst werden ganz allgemein alle Verhaltensweisen der Bieter, die den Wettbewerb beeinträchtigen. Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern über die Bildung einer Bietergemeinschaft können in diesem Sinne eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs i.S.d. § 1 GWB bewirken, denn die an einer Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen verpflichten sich in der Regel, von eigenen Angeboten abzusehen und mit anderen Unternehmen nicht zusammenzuarbeiten.
Mit anderen Worten: bilden Bieter A, B und C eine Bietergemeinschaft und geben ein gemeinsames Angebot ab, könnte dies zu einer Wettbewerbsbeschränkung führen, weil dem Auftraggeber dann nicht mehr drei Angebote vorliegen (nämlich eines von A, eines von B und eines von C), sondern nur ein Angebot (das der Bietergemeinschaft). Derartige Vereinbarungen sind im Grundsatz aufgrund des gesetzlichen Kartellverbotes nach § 1 GWB verboten.
Angebote von Bietergemeinschaften, die gegen § 1 GWB verstoßen, werden zwingend vom Verfahren ausgeschlossen. Aus diesem Grund ist eine sorgfältige vorherige Prüfung zur Zulässigkeit der Bietergemeinschaft unbedingt notwendig.
Vergaberechtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Bietergemeinschaften
Die Unzulässigkeit von Bietergemeinschaften nach dem Kartellverbot gilt allerdings nicht per se. Denn eine Wettbewerbsbeschränkung tritt nur dann ein, wenn die Mitglieder der Bietergemeinschaft (im obigen Beispiel die Bieter A, B und C) überhaupt ein eigenes Angebot hätten abgeben können und dies auch getan hätten.
Dies erkennt auch die vergaberechtliche Rechtsprechung an. Sie hat verschiedene Fallgruppen entwickelt, in denen die Bildung einer Bietergemeinschaft zulässig ist. Die Bildung einer Bietergemeinschaft ist hiernach kartellrechtlich zulässig, wenn (vgl. BGH, Urt. v. 13. Dezember 1983, KBR 3/83 sowie OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11. November 2011, VII-Verg 92/11)
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jedes der an der Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen für sich genommen objektiv aufgrund seiner betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse bei einer bestimmten Ausschreibung kein eigenes Angebot abgeben könnte, v.a. weil technische Kapazitäten, technischen Einrichtungen und/oder fachliche Kenntnisse, Referenzen o.ä. fehlen; oder
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die Unternehmen für sich genommen zwar grundsätzlich leistungsfähig wären und ein Angebot abgeben könnten (vor allem über die erforderlichen Kapazitäten verfügen), die Kapazitäten aufgrund anderweitiger Bindungen wegen parallel auszuführender Aufträge aktuell jedoch nicht einsetzbar sind; oder
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die beteiligten Unternehmen für sich genommen zwar leistungsfähig sind, aber im Rahmen einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung erst der Zusammenschluss ein Erfolg versprechendes Angebot ermöglicht.
In jeder dieser Fallgruppen führt die Bildung einer Bietergemeinschaft nicht zu einer Wettbewerbsbeschränkung, sondern vielmehr einer Wettbewerbsstärkung. Denn wenn eine der drei Fallgruppen auf jeden der Bieter A, B und C zutrifft, würde der Auftraggeber ohne die Bietergemeinschaft aus A, B und C gar kein Angebot aus dem Kreise dieser Unternehmen erhalten.
Einzelfallprüfung für das betreffende Vergabeverfahren erforderlich
Unternehmen können nicht per se die Entscheidung treffen, sich für jedes oder bestimmte Vergabeverfahren aus einem bestimmten Leistungsbereich zusammenzuschließen. Es ist immer eine Einzelfallprüfung für jedes Vergabeverfahren erforderlich. Die Gründe, aus denen sich Unternehmen zu einer Bietergemeinschaft zusammenschließen, müssen vor Angebotsabgabe sorgfältig geprüft und dokumentiert werden.
Denn die Auftraggeber trifft eine Überprüfungspflicht: erhalten sie ein Angebot einer Bietergemeinschaft, müssen sie prüfen, ob die o.g. kartellrechtlichen Grenzen eingehalten sind oder nicht. Häufig erhalten Vergabeunterlagen insoweit eine Vorgabe, dass eine Bietergemeinschaft bereits mit Angebotsabgabe die Gründe für die Eingehung der Bietergemeinschaft auf einer gesonderten Anlage zum Angebot erläutern muss. Dem muss die Bietergemeinschaft nachkommen. Ansonsten erfolgt eine solche Aufforderung nach Angebotsabgabe, in der Regel mit sehr kurzer Frist von ca. einer Woche. Eine Bietergemeinschaft, die erst dann zu prüfen beginnt, ob ihre Bietergemeinschaft überhaupt zulässig war oder ist, hat etwas falsch gemacht.
Die Gründe für die Eingehung der Bietergemeinschaft müssen gegenüber dem Auftraggeber detailliert offengelegt werden. Dieser ist insoweit zur Verschwiegenheit verpflichtet und darf die hieraus erlangten Informationen nur zum Zwecke der Angebotsprüfung in diesem Verfahren verwenden (vgl. etwa § 5 VgV). Die Bietergemeinschaft muss entweder genau darlegen, warum ein eigenständiges Angebot der Bietergemeinschaftsmitglieder objektiv nicht möglich war. Hierbei muss die Bietergemeinschaft sich genau auf die betreffenden Vorgaben der Ausschreibung beziehen, die ein eigenständiges Angebot unmöglich machen und diese konkret benennen. Oder es muss dem Auftraggeber offengelegt werden, dass, wo und warum die Kapazitäten eines Bieters momentan in anderen Aufträgen gebunden sind und für diesen Auftrag nicht zur Verfügung stehen.
Horizontale und vertikale Bietergemeinschaften
Zusammenschlüsse von Unternehmen, die innerhalb derselben Branche tätig sind und miteinander konkurrieren (horizontale Bietergemeinschaft) sind insoweit meist problematischer als solche aus Unternehmen aus unterschiedlichen Gewerbezweigen (vertikale Bietergemeinschaft). Denn diese stehen üblicherweise nicht im Wettbewerb zueinander.
Hiernach ist z.B. beim Bau einer Brücke eine Bietergemeinschaft aus Unternehmen, die ihren Schwerpunkt beide im Brückenbau haben problematischer als eine Bietergemeinschaft aus einem Unternehmen, das Brücken baut, das aber keine Fundamente gießt, und einem Unternehmen, das Fundamente setzt, aber nicht das Gewerk, das auf das Fundament draufgesetzt wird.
Abgrenzungsschwierigkeiten gibt es häufig bei der letzten Fallgruppe, bei der die Bietergemeinschaft darlegen muss, dass ihre Bildung auf ökonomisch zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Erwägungen beruht und die Bietergemeinschaft erforderlich ist, um ein Erfolg versprechendes Angebot abzugeben. Bei der Beurteilung dieser Frage, ob die individuelle Angebotsabgabe wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig wäre, ist grundsätzlich auf die subjektiven Erwägungen der beteiligten Unternehmen abzustellen.
Dabei ist den Unternehmen eine Einschätzungsprärogative zu gewähren. Nachprüfungsinstanzen können lediglich prüfen, ob die berücksichtigten Erwägungen (objektiv) nachvollziehbar sind (OLG Brandenburg 16.2.2012, Verg W 1/12). Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn eine bundesweite Leistungserbringung gefordert, wenn also beispielsweise eine bestimmte Dienstleistung bundesweit erbracht werden muss und es sich um Unternehmen handelt, die zwar alle diese bestimmte Dienstleistung erbringen könnten, aber regionale Schwerpunkte haben und die Fähigkeit zur bundesweiten Leistungserbringung speziell für diese Ausschreibung aufbauen müssten. Es kommt dann darauf an, wie aufwändig und kostenintensiv dies wäre. Auch Marktanteile und Flächenabdeckung der Unternehmen spielen eine Rolle.
Der Grat zwischen zulässig und unzulässig ist hier sehr schmal. So reicht es für die Rechtfertigung der Bildung einer Bietergemeinschaft jedenfalls nicht aus, wenn ein eigenständiges Angebot für eines oder jedes der Unternehmen mit zumutbarem Aufwand möglich wäre und die Bildung einer Bietergemeinschaft nur eine Verringerung wirtschaftlicher Risiken, eine Kostenersparnis, die Erzielung von Synergieeffekten und dadurch lediglich eine Verbesserung der Zuschlagschancen bezweckt.
Fazit
Die Zulässigkeit von Bietergemeinschaften ist häufiger Streitpunkt in Nachprüfungsverfahren. Soll eine Bietergemeinschaft den Zuschlag erhalten, wird dies häufig von Wettbewerbern angegriffen, die dann die Unzulässigkeit der Bietergemeinschaft rügen. Zudem prüfen Auftraggeber die kartellrechtliche Zulässigkeit einer Bietergemeinschaft. Eine sorgfältige Prüfung im Vorfeld der Teilnahme an einer Ausschreibung ist also dringend von Nöten.
Besteht bereits objektiv für die beteiligten Unternehmen keine Möglichkeit zur Angebotsabgabe, sind Bietergemeinschaften stets zulässig. Auch dies und die Gründe hierfür müssen aber geprüft und von der Bietergemeinschaft dokumentiert und auf Aufforderung gegenüber dem Auftraggeber offengelegt werden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind bei Ausschreibungen mit hohen Auftragsvolumina hiernach häufig gezwungen, sich zur erfolgreichen Teilnahme an einem Vergabeverfahren zusammenzuschließen.
In anderen als den „eindeutigen“ Fällen, in denen objektiv keine Möglichkeit zur eigenständigen Angebotsabgabe gibt, ist es häufig ein schmaler Grat zwischen zulässig und unzulässig. Als Faustformel lässt sich festhalten:
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Bietergemeinschaften aus branchenangehörigen Unternehmen sind grundsätzlich problematischer als solche aus branchenfremden Unternehmen;
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je mehr es sich um regional tätige KMUs handelt, umso eher kann bei hohen Auftragsvolumina eine Bietergemeinschaft gerechtfertigt sein;
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je höher Marktanteil eines jeden Mitglieds ist, umso problematischer wird eine Bietergemeinschaft;
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eine Bietergemeinschaft allein zur Kostenersparnis, Nutzung von Synergien und zur Erhöhung der Zuschlagschancen ist unzulässig. Es muss dokumentiert werden, dass und warum die Bietergemeinschaft erforderlich sowie ökonomisch zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig ist, um ein Erfolg versprechendes Angebot abzugeben.