Anne Haarmann: Rechtsanwältin, Expertin für Kita-Recht und Chefredakteurin „Rechtssicher durch den Kita-Alltag“
Das neue Kitajahr steht vor der Tür. Vor dem ersten Elternabend gibt es unzählige Vorbereitungen zu treffen. Welche Informationen sollten Sie den Sorgeberechtigten geben und was hat Zeit? Welche Einverständniserklärungen dürfen Sie sich bereits jetzt unterschreiben lassen und welche sonstigen Themen sollten Sie bereits zu diesem Zeitpunkt klären?
Der erste Elternabend im neuen Kitajahr stellt häufig schon die Weichen für das ganze Kitaleben zwischen Leitung, Erzieher:innen und Sorgeberechtigten. Ist man sich sympathisch oder ist sofort Antipathie zu spüren? Mit welchen Eltern wird zu rechnen sein und welche haben Sie an diesem Abend wahrscheinlich zum letzten Mal außerhalb der Bring- und Holzeiten gesehen? Neben vielen Fragen der allgemeinen Vorbereitung sollten Sie sich auch einen Fahrplan zu den rechtlichen Fragen überlegen, die im Laufe der Zeit zu klären sein werden. Rechtliche Fragen sind dabei immer ein heikles Thema. Überfrachten Sie die Eltern mit rechtlichen Dingen und Einverständniserklärungen, fühlt sich das für die Eltern schnell so an, als wollten Sie eine pauschale Freizeichnung von jedweder Haftung erreichen, was Misstrauen erweckt. Meiden Sie die rechtlichen Fragen, so bekommen Sie schnell das Problem, dass Sie in den ersten Wochen nahezu jeden Tag irgendein Formular werden herumreichen müssen. Das wiederum sieht nach schlechter Organisation aus. Welche Fragen sollten Sie zwingend klären und was hat noch Zeit?
Sortieren Sie die Themen nach Wichtigkeit
Es gibt eine Vielzahl rechtlicher Themen, die Sie ohnehin und privat im Vorfeld des Elternabends ausschließlich mit den Eltern des betreffenden Kindes klären dürfen. Hierzu gehören alle Fragen, die Erkrankungen, Allergien, Unverträglichkeiten und Medikamentengabe in der Kita betreffen. Diese Themen (nebst Unterzeichnung der erforderlichen Einverständniserklärungen) haben im allgemeinen Elternkreis nichts verloren und sollten im Rahmen der Anmeldung bzw. eines separaten Elterngesprächs behandelt werden. Wichtige Ausnahmen sind allerdings Allergien, über die die anderen Eltern informiert sein sollten oder schwere Erkrankungen, wenn diese in Abstimmung mit den Eltern an alle anderen Eltern kommuniziert werden sollen.
Hierbei ist beispielweise an eine HIV-Infektion zu denken, aber auch bei Diabetes kann ein allgemeiner Hinweis an die Elternschaft erteilt werden, dass ein betroffenes Kind in der Gruppe ist, was die anderen Kinder von der Erkrankung mitbekommen und welche Fragen ggfs. zu Hause gestellt werden könnten. Hinweise auf Allergien sollten Sie vorallem dann in Abstimmung mit den Eltern erteilen, wenn es vergleichsweise leicht ist, das Allergen zu meiden. Hier ist zum Beispiel an Erdnüsse zu denken. Die Eltern können es dann vermeiden, den Kindern diese oder Schokoriegel mit Erdnüssen mitzugeben und so einen Beitrag zur Verringerung der allergiespezifischen Gefahren leisten.
Holen Sie nur die wichtigen Einverständniserklärungen ein
Bei den Einverständniserklärungen sollten Sie differenziert vorgehen. Im Rahmen der Vorstellung Ihrer Kita werden Sie zum Beispiel über kurz oder lang auf geplante Feste und das Vorhandensein einer Homepage zu sprechen kommen. Hier bietet es sich automatisch an, den Schlenker über dort gefertigte Fotos hin zu deren Veröffentlichung und der damit verbundenen Notwendigkeit einer Einverständniserklärung für die Veröffentlichung durch die Eltern kommen. Diese Erklärung können Sie dann je nach Praxis in Ihrer Einrichtung unmittelbar herumgeben oder zur Mitnahme nach Hause auslegen. Zwei Stichworte sollten Sie dabei aber unbedingt sofort nennen: Freiwilligkeit und Widerruflichkeit. Andernfalls entbrennen erfahrungsgemäß unter datenschutzinteressierten Eltern sofort Diskussionen. Hierher gehört auch die Frage, wie allgemeinen mit den Sozialen Medien umgegangen werden soll. Bleibt es beim Schwarzen Brett, soll eine Telefonkette oder E-Mailkette eingerichtet werden oder soll die Kitagruppe eine eigene WhatsApp-Gruppe bekommen?
Einverständniserklärungen zu speziellen Aktivitäten sollten Sie sich nie pauschal unterschreiben lassen. Der Schwimmbadbesuch, die Kitaübernachtung, der Ausflug in den Zoo: die meisten dieser Aktivitäten sind mit aufsichtsrechtlichen Besonderheiten verbunden und bedürfen einer separaten Zustimmung. Die Eltern sollen jedes Mal anhand der konkreten Gegebenheiten entscheiden können, ob sie mit allen eventuellen Risiken einverstanden sind oder nicht. Diesem Anspruch können Sie mit einem Pauschalformular oder einem solchen zum Ankreuzen nicht gerecht werden. Zudem dürfen die Eltern im Laufe des Jahres auch ihre Meinung ändern. Eine pauschal zu Jahresbeginn gegebene Einverständniserklärung würde hier nur zu Streit führen. Sie sollten also die Einverständniserklärungen jeweils erst zeitnah vor dem jeweiligen Ereignis einholen.
Vermeiden Sie am ersten Abend Haftungsfragen
Auf eine Aufbereitung von Haftungsfragen sollten Sie nach Möglichkeit auf dem ersten Elternabend verzichten. Zwar ist es auch für die Eltern durchaus von Interesse, gegen was die Kita versichert ist, ob und wie der Datenschutz der Akten über die Kinder gewährleistet ist, ob es schon Haftungsfälle durch Aufsichtspflichtverletzungen in der Kita gegeben hat und wie diese gelöst wurden – das alles gehört aber nicht zum Kennenlernen und Sie sind insoweit nicht verpflichtet, die Eltern über bestehende Versicherungen etc. von sich aus zu informieren. Ein Anreißen dieser Themen kann zu einer uferlosen Diskussion führen, die letztlich nirgendwo hinführt. Jedem Elternteil fällt sicher noch eine sinnvolle Versicherung oder eine noch bessere Alternative zur Aufbewahrung der Akten ein. Haftungsfragen sind letztlich immer Fragen des Einzelfalls. Sie können weder pauschal noch abschließend aufbereitet werden. Versuchen Sie es also lieber erst gar nicht.
Was Sie aber machen können und sollten ist die Erteilung der Information, was Sie aus haftungsrechtlicher Sicht in der Kita definitiv ablehnen. Bereiten Sie hierzu am besten ein kleines Handout vor, aus dem sich ergibt, was in der Kita per se nicht erlaubt ist. Zu denken wäre hier beispielsweise an Kickboards – dürfen die Kinder diese mitbringen? Dürfen Eltern Kindersitze in der Kita zwischenlagern? Darf Spielzeug von zu Hause mitgebracht werden und welches? Auch hier gibt es sicherlich eine Vielzahl von Gegenständen, die Sie noch nicht bedacht haben, aber anstatt nach und nach alle möglichen Gegenstände zu verbieten, können Sie bestimmte Gegenstände einfach unter Berufung auf die unkalkulierbaren Risiken von vornherein verbieten und dies auch gleich klar kommunizieren.
Die Einhaltung von Standards ist eine Selbstverständlichkeit
Ein Hinweis auf die Einhaltung gesetzlicher Standards (DIN-Normen, Verordnungen etc.) ist weder notwendig, noch angezeigt. Dass Gesetze und Verordnungen zu befolgen sind, versteht sich eigentlich von selbst. Gleichwohl wird gerne darauf verwiesen, dass z.B. die Hygienestandards „dem neuesten Stand“ entsprechen oder die Spielgeräte den „EU-Normen“ entsprechen. Solche Hinweise sind juristisch unnötig. Eine Haftung beginnt nämlich ohnehin genau dort, wo die Standards nicht eingehalten werden. Lassen Sie auf diesem Gebiet lieber die Eindrücke für die Kita sprechen. Helle, saubere Räume, gut sichtbar gekennzeichnete Fluchtwege, saubere Bäder und Küchen.
Mahnen Sie die Einhaltung der Vertragspflichten an
Zu guter Letzt sollten Sie den juristischen Teil des Abends damit beschließen, die Eltern auf den Betreuungsvertrag „einzuschwören“. Das wird Sie zwar nicht vor der einen oder anderen bösen Überraschung schützen, aber Sie können die Gelegenheit des Elternabends in jedem Falle dazu nutzen, die Elterngemeinschaft nochmals klipp und klar darauf hinzuweisen, dass elternseits einige Dinge unbedingt einzuhalten sind.
Weisen Sie insbesondere darauf hin, wann die Bring- und vor allen Dingen die Holzeiten für die Kinder sind. Auch sollten Sie den Eltern klarmachen, welche Bedeutung die Abholberechtigung hat, damit Sie nicht ständig mit fremden Abholern konfrontiert werden und erheblichen Mehraufwand betreiben müssen.
Was für Sie wichtig ist
Während des ersten Elternabends sollten Sie den Fokus keinesfalls zu sehr auf rechtliche Fragen und Einverständniserklärungen lenken. Im Vordergrund steht schließlich der neue Lebensabschnitt des Kindes und was es in Ihrer Kita lernen und erfahren wird. Das rechte Maß zu finden ist natürlich nicht ganz leicht, da den Eltern auch klar sein sollte, dass Sie sich auf die rechtlichen Fragen durchaus verstehen und hier Ihre Standpunkte vertreten. Dies können Sie aber meines Erachtens durch die Dateneinverständniserklärung erreichen. Die Eltern erkennen, dass die Kita auf dem neuesten Stand in Sachen Recht ist. Dadurch drängt sich der Schluss nahezu auf, dass auch sonst alle Belange bei Ihnen in guten Händen sind.
Checkliste: Rechtliches am Elternabend
- Persönliche Themen (Krankheiten, Allergien, familiäre Probleme) sollten mit den entsprechenden Einverständniserklärungen immer im Einzelgespräch abgeklärt werden.
- Hier ist auch zu klären, wie mit der Krankheit umgegangen werden soll bzw. was kommuniziert werden soll.
- Einverständniserklärungen sollten immer einzelfallbezogen eingeholt werden, da eine konkrete Risikodarstellung notwendig ist.
- Ausnahme: Die Einverständniserklärung zur Datennutzung (Fotos etc.) sollte am Elternabend eingeholt werden.
- Sprechen Sie Haftungsfragen nicht an.
- Es ist nicht probat, die Einhaltung gesetzlicher Standards besonders anzupreisen.