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Recht & Verwaltung08 August, 2024

Die Ermittlung des merkantilen Minderwerts bei Baumangel

Eine mögliche Folge eines Baumangels ist der merkantile Minderwert des Bauwerks, d.h. der Betrag, den ein Käufer aufgrund des Mangels weniger zu zahlen bereit ist. Der Schaden setzt nicht voraus, dass der Eigentümer das Objekt tatsächlich zu einem geringeren Preis verkauft hat oder dass er den Verkauf überhaupt beabsichtigt.

Eine mögliche Folge eines Baumangels ist der merkantile Minderwert des Bauwerks, d.h. der Betrag, den ein Käufer aufgrund des Mangels weniger zu zahlen bereit ist. Der Schaden setzt nicht voraus, dass der Eigentümer das Objekt tatsächlich zu einem geringeren Preis verkauft hat oder dass er den Verkauf überhaupt beabsichtigt.
Ein merkantiler Minderwert kann auch nach teilweiser oder gar vollständiger fachgerechter Beseitigung des Baumangels verbleiben. Er liegt vor, wenn eine geringere Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise ein im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben (BGH, Urt. v. 06.12.2012 – VII ZR 84/10, NZBau 2013, 159 m.w.N.).

Ob das geringere Vertrauen nach einer fachgerechten und vollständigen Beseitigung des Mangels objektiv berechtigt ist (vgl. Zöller, IBR 2016, 263), ist rechtlich unerheblich. Der BGH stellt hierzu fest, dass auf dem Markt erzielbare Preise sich nach Angebot und Nachfrage richten und nicht als gerechtfertigt oder ungerechtfertigt bewertet werden können (BGH, a.a.O.).

Bei einem fachgerecht und vollständig beseitigten Mangel ist allerdings besonders genau zu prüfen, ob er Einfluss auf den auf dem Markt erzielbaren Preis hat und ob der Verkäufer zur Unterrichtung der Interessenten verpflichtet ist. Im konkreten Fall war der eigentliche Mangel nicht beseitigt.

Vielmehr war der aufgrund von Planungsfehlern entstandene umlaufende Riss im Mauerwerk nur kaschiert worden, von außen durch eine Wärmedämmung und von innen durch vorgebaute Trockenbauwände. Nach den Feststellungen des Gerichtsgutachters war das Auftreten weiterer Risse nicht auszuschließen. Der Besteller verlangte vom Tragwerksplaner und vom Architekten eine Wertminderung von 150.000,00 €.

Merkantiler Minderwert

Die Ermittlung des merkantilen Minderwerts bereitet in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Der Wert des Gebäudes ohne den Mangel kann nicht ohne weiteres mit den tatsächlichen Verkaufspreisen vergleichbarer und mit vergleichbaren Mängeln behafteter Gebäude verglichen werden, weil sich regelmäßig keine ausreichende Anzahl geeigneter vergleichbarer Objekte findet.

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten müssen die Gerichte sich bemühen, einen eventuellen merkantilen Minderwert, zumindest in Form eines Mindestschadens, nach § 287 ZPO zu schätzen. Hierfür können auch sog. Expertenbefragungen durch den Sachverständigen Anhalte liefern (BGH, a.a.O.).

Inzwischen scheint sich – häufig auch unter Berufung auf die BGH-Entscheidung vom 06.12.2012 – die Expertenbefragung als Grundlage für die Schätzung eines merkantilen Minderwerts etabliert zu haben. Unserem Senat sind mehrere Verfahren untergekommen, in denen Gutachter eine Expertenbefragung durchgeführt oder – im Zusammenhang mit der Schätzung der voraussichtlichen Gutachterkosten – angekündigt haben.

Blick auf die Risiken der Methode

Die Methode birgt indes Risiken und Nebenwirkungen. Das gilt insbesondere dann, wenn nicht nur mit der Veräußerung von Immobilien befasste Experten – Bauträger, Projektentwickler, Immobilienmakler, Finanzierungsinstitute – befragt werden, sondern wiederum Sachverständige für die Bewertung von Immobilien. Das zeigte sich ein einem Fall, den wir zu entscheiden hatten.

Ein Auftraggeber hatte ein selbständiges Beweisverfahren zur Ermittlung des merkantilen Minderwerts wegen Baumängeln eingeleitet. Grundlage war ein Privatgutachten, in welchem der Privatgutachter eine Expertenbefragung u.a. unter den Sachverständigen des entsprechenden Bezirks durchgeführt hatte. Die Teilnehmer der Expertenbefragung waren in dem Gutachten nicht benannt.

Nachdem sich herausstellte, dass der vom Landgericht als Gerichtsgutachter bestellte Sachverständige an der Expertenbefragung teilgenommen hatte, lehnten die Antragsgegner diesen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Auch der Gerichtsgutachter selbst hatte Bedenken gegen seine Beauftragung und empfahl die Beauftragung eines Sachverständigen aus einem anderen Bezirk. Anders als noch das Landgericht hat der Senat dem Ablehnungsgesuch stattgegeben (OLG Köln, Beschl. v. 13.12.2023 – 11 W 23/23, IBR 2024, 207 und 1011 Ulrich).

Die Teilnahme an einer Expertenbefragung kann auch bei einer verständigen Partei den Eindruck erwecken, der Sachverständige habe sich bereits festgelegt und stehe daher der Begutachtung und den im Rechtsstreit vorgetragenen Argumenten nicht mehr unbefangen gegenüber. Unabhängig davon ist es mit der Aufgabe des Sachverständigen, eine eigene Bewertung abzugeben, nur schwer zu vereinbaren, sich der Einschätzung anderer Sachverständiger zu versichern, zumal diese im Rahmen einer Umfrage ihrerseits keine aufwändigen Untersuchungen anstellen und im Gutachten nicht benannt werden.

Beispiel einer sinnvollen Expertenbefragung

Wie eine sinnvolle Expertenbefragung aussehen kann und welche hohen Anforderungen an sie zu stellen sind, zeigt beispielhaft die nach Zurückverweisung durch den BGH von einem anderen Senat des Kammergerichts neu getroffene Entscheidung (KG Berlin, Urt. v. 04.04.2014 – 21 U 18/13, IBR 2017, 505 Manteufel, mit Leseranmerkungen von Zöller und Manteufel; s.a. die Anmerkung von Ulrich zur Entscheidung des OLG Köln in IBR 2024, 1011): Der Gerichtsgutachter hatte ihm bekannte, mit Immobilienverkäufen befasste und vertraute Experten aus mehreren Bereichen (Makler, Bauträger, Projektentwickler, Sachverständige) um ihre Einschätzung gebeten. Im Gutachten waren diese Experten, der Fragebogen des Sachverständigen und die Antworten der Befragten so weit offengelegt, dass das Gericht die Geeignetheit und Unbefangenheit der befragten Experten und das Ergebnis des Gutachtens eigenständig beurteilen konnte.

Eine bloße Befragung unter den Sachverständigen des eigenen Bezirks, denen zudem noch Anonymität zugesichert wird, hat dagegen keinen Mehrwert und führt in einem Privatgutachten nur dazu, dass die befragten Gutachter für ein späteres Gerichtsverfahren verbrannt sind.

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