Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Kerstin Reiserer und Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Johanna Tormählen, Heidelberg
Mit Facebook sind viele Arbeitnehmer mittlerweile groß geworden. Plattformen wie Instagram, X (vormals Twitter) und TikTok sind auf dem Vormarsch und WhatsApp ist aus unserem Alltag nicht mehr hinwegzudenken. Häufig erfolgt der Umgang mit sozialen Medien aber sehr unbedacht. Egal ob Urlaubsbilder bei angeblicher Arbeitsunfähigkeit oder Posts über die neue Nebentätigkeit bis hin zu diffamierenden Textnachrichten über den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Diese Sachverhalte können durchaus einen tauglichen Grund für eine Kündigung oder eine Abmahnung darstellen, wenn der Arbeitgeber davon Kenntnis erlangt. Doch dürfen die über soziale Netzwerke erlangten Kenntnisse überhaupt verwertet und den arbeitsrechtlichen Sanktionen zugrunde gelegt werden?
Mit dieser Frage setzt sich nachfolgender Beitrag auseinander – Anlass dazu bietet insbesondere ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24.08.20231 auf das im weiteren Verlauf einzugehen sein wird.
1. Systematische Überwachung der Arbeitnehmer unzulässig
Eine permanente Überwachung Dritter ist durch Art. 6 der DSGVO grundsätzlich ausgeschlossen. Dieser verlangt das Vorliegen eines Erlaubnistatbestands. Dies gilt selbst für Daten, die öffentlich zugänglich gemacht wurden, beispielsweise auf einem öffentlichen Facebook oder Instagram-Profil.
Im Arbeitsrecht sind hier jedoch einige Besonderheiten zu beachten. Maßgeblich ist vor allem § 26 Abs. 1 BDSG, der die Verarbeitung von Daten im Rahmen der Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ermöglicht. Allerdings steht die Europarechtskonformität dieser Regelung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH durchaus in Frage.2
So oder so ist bei Überwachung von Arbeitnehmern, egal in welcher Form, stets deren informationelle Selbstbestimmung bzw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Gerade einer permanenten Überwachung und damit auch der Verwertung daraus gewonnener Informationen dürften die Rechte des Arbeitnehmers regelmäßig entgegenstehen.
2. Anlassbezogene Überprüfung
Besteht ein konkreter Verdacht bzw. Anlass für den Arbeitgeber, könnte nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls eine andere Bewertung der gegenüberstehenden Interessen vorgenommen werden. Sofern ein hinreichender Verdacht einer Pflichtverletzung besteht, hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, Daten des Arbeitnehmers auszuwerten. Dafür reichen nach der Rechtsprechung des LAG Baden-Württemberg bereits Unstimmigkeiten im Lebenslauf oder sonstige widersprüchliche Angaben des Arbeitnehmers aus.3 In diesem Fall ist also die Verwertung von Informationen aus sozialen Netzwerken grundsätzlich zulässig.
3. Private Chatgruppe - Kenntnis durch Dritte – Urteil des BAG vom 24.08.2023
Doch wie sind die Interessen zu werten, wenn zunächst kein Anlass für den Arbeitgeber zur Kontrolle bestand? Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn er nicht ein öffentliches Profil in sozialen Netzwerken einsieht, sondern über einen Dritten Kenntnis von Chat-Benachrichtigungen erlangt. Ein solcher Fall lag der Entscheidung des BAG vom 24.08.2023 zugrunde.
Der klagende Arbeitnehmer gehörte seit 2014 einer Chat-Gruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Hier wurde sich offen über Vorgesetzte und Arbeitskollegen in menschenverachtender und beleidigender Art geäußert. Durch Aussagen wie „Erst den Polakken umnieten der ist der Schlimmste“ wurde vom Kläger zudem zur Gewalt aufgerufen. Der Arbeitgeber erhielt hiervon zufällig Kenntnis und sprach nach Anhörung des Klägers und des Betriebsrats die fristlose Kündigung aus.
Die Vorinstanzen erlaubten es dem Arbeitgeber, nicht diese Informationen als Kündigungsgrund zu verwerten. Zur Begründung hieß es, der Arbeitnehmer hätte eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen, welche auf seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beruhe.
Nach Ansicht des BAG ist eine Vertraulichkeitserwartung jedoch nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chat-Gruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können.4 Dieser persönlichkeitsrechtliche Schutz ist laut BAG abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chat-Gruppe. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer erwarten könne, deren Inhalt werde nicht weitergegeben.5
In vorliegendem Fall hat das BAG eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung verneint bzw. dem Kläger im Rahmen der Zurückverweisung an das LAG Gelegenheit gegeben, darzulegen, warum eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung vorgelegen habe – u.a. trotz des auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums.
4. Verwertung bei rechtwidriger Erlangung der Daten
Neben der Frage nach der Verwertung bei anlassbezogener und zufälliger Kenntniserlangung stellt sich letztlich noch die Frage nach der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Daten. Erforderlich ist auch hier die Interessenabwägung im jeweiligen Einzelfall. Auch hier kommt es vor allem auf die Vertraulichkeit der Kommunikation an.6
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung geht nicht zwangsläufig von einem Verwertungsverbot aus, auch wenn die Informationen rechtswidrig erlangt wurden. Dies wird nicht zuletzt damit begründet, dass ausdrückliche gesetzliche Verwertungsverbote in ZPO, ArbGG, DSGVO oder BDSG nicht bestehen. Der Arbeitnehmerdatenschutz steht der Verwertung daher nicht entgegen.7
5. Fazit
Der Verwertbarkeit von Informationen aus sozialen Netzwerken liegt damit in allen Fällen eine Interessenabwägung im Einzelfall zugrunde. Den Informations- und Verwertungsinteressen des Arbeitgebers stehen die Schutzinteressen des Arbeitnehmers und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber. Gerade im Arbeitsrecht fehlen ausdrückliche gesetzliche Verwertungsverbote und auch die DSGVO und das BDSG geben nur begrenzt Vorgaben diesbezüglich.
Entscheidend bei der Interessenabwägung dürften vor allem die zwei folgenden Aspekte sein:
- Welche Schutzsphäre des Arbeitnehmers ist betroffen? (Sozial-, Privat- oder Intimsphäre)
- Inwieweit durfte der Arbeitnehmer auf die Vertraulichkeit seiner Daten vertrauen?
Die Verwertung von Informationen aus sozialen Medien ist demnach keineswegs ausgeschlossen. Um jedoch im Streitfalle die Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung nachweisen zu können, sollte die Auswertung sozialer Medien dokumentiert werden. So lässt sich der Streit über eine zulässige Beweisverwertung eindämmen.
Der vorliegende Beitrag ist ein Auszug aus der Zeitschrift ZNotP.