Dr. Lisa Jares: Pädagogische Fachberaterin für Kitas, Redakteurin und Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen in kindheitspädagogischen Studiengängen.
Netzwerkepartner:innen suchen und finden. Der Aufgabenbereich einer Kita besteht aus der Trias Pädagogische Arbeit am Kind, Zusammenarbeit mit den Eltern sowie Kooperation und Vernetzung im Sozialraum. Als multifunktionale Einrichtungen im Stadtteil sind Kitas mit vielfältigen Akteuren, die den Aufgabenbereich der Einrichtung berühren, vernetzt.Um den Bildungsauftrag der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern in Kitas erfüllen zu können, bedarf es der engen Kooperation und Vernetzung mit anderen Institutionen. In den letzten Jahren hat sich der Fokus von Kitas verändert. Es steht nicht mehr ausschließlich das Kind im Fokus, sondern der Blick erweitert sich auf den Lebensraum und die Familie. Durch diese Erweiterung des Blickwinkels und um als niederschwellige Institutionen im Nahraum angenommen zu werden, braucht es ein Netzwerk, aus dem bedarfsorientierte Angebote hervorgehen.
Um zielgruppenorientiert Netzwerkpartner:innen zu akquirieren ist es hilfreich sich zunächst folgende Fragen zu stellen:
- Welche Angebote benötigen die Kinder unserer Kita mit Rücksicht auf ihr Alter, ihr Geschlecht, ihren kulturellen Hintergrund sowie ihren eventuellen Förderbedarf, um sie gemäß ihres Entwicklungsstandes angemessen fördern und unterstützen zu können?
- Was benötigen die Familien aus unserem Sozialraum an Unterstützungsangeboten für die Begleitung und Erziehung ihrer Kinder unter Berücksichtigung ihrer sozialen Verhältnisse, ihres kulturellen Hintergrundes und ihrer eventuellen Berufstätigkeit?
Ausgehend von der Beantwortung dieser Fragen kann der Kontakt zu potenziellen Netzwerkpartner:innen aufgenommen werden, wie z.B. folgenden:
Formen der Netzwerkarbeit
Bei der Netzwerkarbeit von Kitas lassen sich verschiedene Formen der Kooperation unterscheiden. Es ist sinnvoll, sich vorher als Einrichtung darüber bewusst zu werden, um welche Form der Kooperation es sich handeln soll.
Koordination von Aktivitäten
Im Rahmen dieser Kooperationsform tauschen sich die Fachkräfte der Kita mit den Fachkräften der anderen Institution aus. Gemeinsame Angebote finden nicht zwingend statt. Aus dieser zunächst eher unverbindlicheren Form der Kooperation können sich mit der Zeit auch festere Netzwerke entwickeln.
Kooperation mit konkretem Anlass
Bei dieser Form wird eine Kooperation bezogen auf einen konkreten Anlass geschlossen. Ein Angebot wird für die gemeinsame Zielgruppe geplant und durchgeführt. Ein Beispiel für eine anlassbezogene Kooperation wäre die Kooperation zwischen der Kita und dem Sportverein, der ein sportliches Angebot zur Gewaltprävention für die Vorschulkinder in der Kita anbietet.
Anlassübergreifende Kooperation
Bei dieser Form der Kooperation steht kein konkreter Anlass im Mittelpunkt, vielmehr besteht diese Kooperation über einen längeren Zeitpunkt und wird immer wieder aktiviert, wenn sich Themenfelder überschneiden. Das kann zum Beispiel eine Kooperation mit der örtlichen Erziehungsberatungsstelle sein, die bei Bedarf Familien durch Beratungsangebote unterstützt oder Elternabende zu verschiedenen Themen in der Kita anbietet.
Das kooperierende Netzwerk
Die intensivste Form der Kooperation und Vernetzung ist das „kooperierende Netzwerk“. Die beteiligten Akteure entwickeln ein gemeinsames Konzept, in dem die Aufgaben und Verpflichtungen aller Akteure ebenso festgelegt sind wie die geplanten Angebote und die damit verbundenen Ziele. Ein kooperierendes Netzwerk im Sozialraum kann z.B. aus der Familienbildungsstätte, den Grundschulen sowie Kitas bestehen, die gemeinsam Angebote für Kinder und Familien im Stadtteil planen und anbieten.
Wie Netzwerkarbeit gelingt
Eckpfeiler einer guten Zusammenarbeit sind die Aspekte „Abstimmung, Absicherung, Abgrenzung und Anerkennung“ (Jares 2020) sowie ergänzend dazu „Auswertung“.
Abstimmung: Vor dem eigentlichen Beginn der Netzwerkarbeit stehen intensive Aushandlungsprozesse. Unterschiedliche Vorstellungen und Herangehensweisen an die Kooperation, die i.d.R. auf die unterschiedlichen Herkunftsinstitutionen zurückzuführen sind, müssen reflektiert, diskutiert und auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Es sollte eine gemeinsame Vorstellung und Vision der Netzwerkarbeit entstehen. Klare Verbindlichkeiten und Zuständigkeitsbereiche werden in einer kooperativen Planung festgelegt.
! Leitende Fragen im Abstimmungsprozess:
- Was für ein Ziel verfolgen wir mit der Zusammenarbeit?
- Wie soll sich die Zusammenarbeit gestalten und entwickeln?
- Wer bringt welche Kompetenzen mit ein und übernimmt dementsprechende Aufgaben?
Absicherung: Eine gute Netzwerkarbeit sollte immer verbindlich abgesichert sein, z.B. in Form eines Kooperationsvertrages. Das schützt Netzwerke vor einer personenbezogenen Abhängigkeit und verankert sie institutionell. Wenn Kooperationsverträge auf operativer Ebene, z.B. der Trägerebene geschlossen werden, erfahren sie eine besondere Verbindlichkeit.
! Der Kooperationsvertrag trägt zu einer hohen Verbindlichkeit im Netzwerk bei. Inhalte, Ziele, Aufgaben, Pflichten, Zeitrahmen und die geplante Auswertung werden darin verankert.
Abgrenzung: Im Rahmen der Netzwerkarbeit müssen die beteiligten Akteure ihre Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche klar voneinander abgrenzen. Dazu gehört auch die eigenen fachlichen Kompetenzen gut abstecken zu können und Unterstützung einzufordern, wenn es den eigenen Aufgaben- und Kompetenzbereich übersteigt.
! Hohe Fach-, Feld- und personale Kompetenzen aller Netzwerkakteure sind wesentlich für eine gelingende Zusammenarbeit.
Anerkennung: Die unterschiedlichen Sichtweisen und Kompetenzen sowie eventuell auch andere fachliche Herangehensweisen, die durch die differenten Berufsgruppen und Herkunftsinstitutionen in einem Netzwerk aufeinandertreffen, sollten nicht als Konkurrenz, sondern als Blickwinkelerweiterung und Ressource wahrgenommen werden.
! Im Zuge einer multiprofessionellen Netzwerkarbeit sollten andere Berufsgruppen und Institutionen als Ressource wahrgenommen und genutzt werden.
Auswertung: Ein Netzwerk ist nichts statisches, sondern muss sich immer den sich wandelnden Gegebenheiten anpassen. Daher bedarf jedes Netzwerk einer stetigen Evaluation. Die Bedürfnisse und Bedarfe der Zielgruppe können sich verändern, so dass die Akteure regelmäßig überprüfen müssen, ob Bedarf und Angebot noch zueinander passen. Kooperationen haben nur eine Existenzberechtigung, wenn sie auch einen effektiven Nutzen haben.
! Regelmäßig sollte man sich in einem Netzwerk die Frage stellen, ob die Angebote die festgelegte Zielgruppe erreicht haben und das Angebot sein Ziel erfüllt hat um dahingehend Veränderungen anzustoßen.
Zur Netzwerkarbeit verpflichtet
Im § 22a Sozialgesetzbuch VII ist die Kooperation und Vernetzung von Kitas rechtlich geregelt. Hier legt der Gesetzgeber fest, dass die Kita u.a. mit den Eltern sowie mit anderen kinder- und familienbezogenen Institutionen zusammenarbeiten muss, um ihren Auftrag der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern wahrzunehmen. Ebenfalls finden sich in den individuellen Bildungsgesetzen der Bundesländer gesetzliche Vorgaben zur multiprofessionellen Kooperation und Vernetzung. So steht beispielsweise im § 14 Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz - KiBiz NRW), dass Kitas mit Einrichtungen und Diensten, die den eigenen Aufgabenbereich berühren, zusammenarbeiten sollen.
Fazit
Um Familien umfassend bei der Bildung und Erziehung ihrer Kinder zu begleiten, ist die Netzwerkarbeit von Kitas zu einem Grundpfeiler ihrer Arbeit geworden. Im Rahmen eines gelungenen Netzwerkes lassen sich die fachlichen Kompetenzen aller Akteure gut bündeln und zum Nutzen der Familien einsetzen, so dass diese die Institutionen in ihrem Nahraum als zusammenagierende Einheit erleben. Der Aufbau von Netzwerken sollte immer von den Bedarfen der Kinder und Familien aus dem Nahraum geleitet werden. Praxisnah betrachtet lassen sich neue Erfahrungs- und Aneignungsräume schaffen, Räumlichkeiten und Material können gemeinsam genutzt werden und durch die gezielte Wahl von Kooperationspartnern lässt sich eine Profilschärfung der Kita vornehmen.
Literaturangaben
Bassarak, Herbert (2006): Jugendarbeit planen, gestalten und steuern – Grundlagen kommunaler Jugendarbeit, Netzwerkpolitik und Sozialraumorientierung. In: Kolhoff, Ludger; Wendt, Peter Ulrich & Bothe, Iris (Hrsg.): Regionale Jugendarbeit. Wege in die Zukunft. VS Verlag, S. 199-233.
Bauer, Petra (2014): Kooperation als Herausforderung in multiprofessionellen Handlungsfeldern. In: Faas, Stefan und Zipperle, Mirjana (Hrsg.): Sozialer Wandel. Herausforderungen für Kulturelle Bildung und Soziale Arbeit. VS Verlag, S. 273-286.
Jares, Lisa (2022): Familienbildung im institutionellen Kontext von Familienzentren. In: Müller-Giebler, Ute & Zufacher, Michaela (Hrsg.): Familienbildung – Praxisbezogene, empirische und theoretische Perspektiven. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, S. 302-312.
Jares, Lisa: Abstimmung, Absicherung, Abgrenzung & Anerkennung -
Kernelemente einer erfolgreichen multiprofessionellen Zusammenarbeit in Kitas. In: klein&groß – Mein Kita-Magazin, 09/2020, S. 58-59.
Jung, Edita und Gels, Annika (2019): Vernetzung von KiTas im Sozialraum und darüber hinaus. Verfügbar unter: https://www.nifbe.de/images/nifbe/Infoservice/Vernetzung.pdf, Zugriff am 28.08.2022