Jobsharing
Recht & Verwaltung19 Juni, 2023

Teamteaching, Jobsharing oder TopSharing – innovative Leitungsmodelle im Fokus

Dr. Karin E. Oechslein, Mit-Herausgeberin der Pädagogischen Führung (PädF)

Lesezeit: ca. 8 Minuten

Es gibt verschiedene Modelle von Jobsharing in der Schulleitung. Die Herausgeberin der Zeitschrift Pädagogische Führung, Dr. Karin E. Oechslein, stellt im Interview mit Dr. Paul Quan, Co-Schulleiter der Primarschule Balgach, ein Modell aus der Schweiz vor.
Und auch in NRW geht gerade ein Schulversuch in die Verlängerung.

Teamteaching und Jobsharing – Beispiel aus der Schweiz

? Von 2007-2022 waren Sie 15 Jahre Klassenlehrer in der Primarschulstufe in Balgach in der Schweizer und teilten sich davon die letzten 10 Jahre die Arbeit mit Ihrer Frau, im Teamteaching und Jobsharing. Können Sie das bitte genauer beschreiben?

Mit 30 startete ich als Klassenlehrer auf der Mittelstufe (4.-6. Klasse) der Primarschule. Meine Partnerin arbeitete zu dieser Zeit bereits seit 8 Jahren auf der Unterstufe (1.-3. Klasse) in einer anderen Schulgemeinde im Kanton Thurgau. Nach 3 Jahren bekamen wir unser erstes Kind, weshalb sie nach dem Mutterschaftsurlaub nicht mehr in den Schuldienst zurückgekehrt ist. Unregelmäßig übernahm sie danach Stellvertretungen für mich, wenn ich beispielsweise für militärische Wiederholungskurse aufgeboten wurde. Nach der Geburt unseres zweiten Kindes 2012 stieg sie mit zwei Lektionen Teamteaching in meine Klasse wieder in den Schuldienst ein.

Nach den ersten 7 Jahren als Lehrer suchte ich nach Möglichkeiten, um mein Wissen im Bereich der Pädagogik zu erweitern. Mit der Aufnahme des Masterstudiums der Bildungswissenschaften an der Universität Basel musste ich meine Tätigkeit an der Primarschule reduzieren. Natürlich konnten wir uns als junge Familie keine Lohneinbußen erlauben, weshalb wir mit dem Jobsharing starteten. Die Aufteilung des Pensums bewegte sich über die letzten Jahre dabei zwischen 70 zu 30% respektive 60 zu 40%, wobei ich als Klassenlehrer jeweils das größere Pensum übernommen habe.

? Als Co-Schulleiter ab Mai 22 haben Sie dann allein gearbeitet, war das Jobsharing dann nicht mehr möglich?

Mein Schulträger suchte für das laufende Schuljahr 2022/23 eine Co-Schulleitung, die keine zusätzlich Unterrichtsverpflichtung auf der Primarschulstufe hat. Die doppelte Funktion als Lehrerkollege und als vorgesetzter Schulleiter wollte die Schulbehörde soweit möglich vermeiden. Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits einen kleineren Lehrauftrag an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen hatte, entsprachen diese Vorgaben idealerweise meiner Lebenssituation; das Engagement an der PHSG verbunden mit einem fixen Stundenplan als Lehrer an der Primarschule stellten mich oftmals vor terminlichen Herausforderungen. Somit gaben meine Partnerin und ich das Jobsharing per Ende Schuljahr im Juli 2022 auf, damit ich in die Schulleitung einsteigen konnte. Sie unterrichtet seit dem neuen Schuljahr als Klassenlehrerin mit einer neuen Jobsharingpartnerin auf der Unterstufe nach wie vor in der gleichen Schulgemeinde.

? In welchen Bereichen haben Sie sich die Arbeit geteilt?

Für eine Verschlankung der Planung hatten wir uns, wenn möglich, die Unterrichtsfächer aufgeteilt. So zum Beispiel übernahm meine Partnerin das Fach Englisch, die gestalterischen Fächer und auch die Ethiklektionen. Bei gleichen Fächern planten wir die Aufteilung nach Inhalten respektive Kapiteln; in der Mathematik übernahm sie beispielsweise die Geometrie oder im Deutsch die Kompetenzbereiche des Lesens. Für die Elternarbeit war ich als Klassenlehrer zu 100 % zuständig und führte somit auch alle Standortbestimmungs- und Promotionsgespräche.

? Gab es Schwierigkeiten bei der Arbeit, gab es Überschneidungen? Konnten Sie Berufliches und Privates teilen?

Natürlich ist eine enge Zusammenarbeit nicht immer frei von Komplikationen. Dies insbesondere, weil wir auch privat Haushalt und Kindererziehung teilen. Beruflich haben wir uns grundsätzlich professionell verhalten, ohne dass wir eine erzwungende Distanziertheit bemüht haben. Aus meiner Sicht gab es Herausforderungen aus unterschiedlichen Bereichen. Frei vom Anspruch der Vollständigkeit möchte ich ein paar »Schwierigkeiten« nennen:

  • Kollegiales Feedback: Es hat sich gezeigt, dass die emotionale Nähe einer Partnerschaft für uns hinderlich sein kann, um zugänglich für berufliche Kritik zu bleiben. Oft wurde dabei mit dem »Beziehungsohr« zugehört.
  • Überschneidungen Klassenführung: Als Klassenlehrer musste ich lernen, dass ich Konflikte nicht lösen musste, wenn ich nicht vor Ort war. Ich musste ebenso lernen, meiner Partnerin als Ehemann und nicht als Klassenlehrer zuzuhören, wenn sie mir zuhause von der Arbeit in der Schule erzählte. Da wir eine unterschiedliche Handhabung von Konfliktmanagement im schulischen Kontext haben, gab es auch hierbei Diskussionssituationen, über die wir uns einigen mussten.
  • Überschneidung Vorbereitungsarbeiten: Dadurch, dass wir auch das Private miteinander teilen, kam es hierbei zu Überschneidungen, die es bei einem Jobsharing mit einer Drittperson wohl nicht geben würde. So habe ich administrative Arbeiten für meine Partnerin übernommen, die nicht in meinen Zuständigkeitsbereich gefallen sind. Unter dem Strich haben wir so beide eigentlich mehr geleistet und gearbeitet. Die Motivation dahinter lag in einer gedachten effektiven Organisation von Beruf und Privatem (z.B. Haushalt, Kinderbetreuung).

? Würden Sie das Jobsharing für Lehrkräfte und Schulleitungen allgemein empfehlen?

Grundsätzlich ja, jedoch mit der Prämisse, dass die vielgenannte »Chemie« zwischen den Partnerschaften wirklich übereinstimmen muss. Als Co-Schulleiter erlebe ich die Zusammenarbeit mit meinem Schulleiterkollegen als sehr gewinnbringend und entlastend. Der gemeinsame Austausch ist äußerst nützlich und hilfreich. Ob ein Jobsharing allgemein zu empfehlen ist, lässt sich mutmaßlich an zwei subjektiven Indikatoren feststellen:

  1. Bereicherung und Entlastung für die beteiligten Lehr-/Leitungspersonen
  2. Profitabler Lernzuwachs für die Schülerinnen und Schüler

? Herzlichen Dank für das Interview.

TopSharing – innovatives Leitungsmodell als Schulversuch in NRW

TopSharing steht für zwei teilzeitbeschäftigte Schulleitungen an einer Grundschule, die eine Schule in gemeinsamer Verantwortung leiten.

In den Regierungsbezirken Arnsberg und Detmold wird der Schulversuch aktuell durchgeführt. Die Regierungsbezirke Düsseldorf, Köln und Münster können auf Antrag ebenfalls einbezogen werden. Vorgesehen ist die Teilnahme von bis zu 25 Schulen (bis zu fünf pro Regierungsbezirk). Mit diesem Schulversuch beschreitet das Land einen innovativen Weg bei der Besetzung von Leitungsstellen und der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der Schulversuch wird durch die Qualitäts- und Unterstützungsagentur – Landesinstitut für Schule evaluiert.

Die Dauer des Schulversuchs betrug zunächst 5 Jahre (Schuljahre 2018/19 bis 2022/23). Um eine entsprechende Evaluation zu gewährleisten, wird die Dauer des Schulversuchs über den 31. Juli 2023 hinaus auf insgesamt 10 Jahre verlängert. Der Modellversuch endet damit am 31. Juli 2028.

Erprobungsziel

Teilzeit, Telearbeit, Jobsharing und andere Arbeitsorganisationsformen stehen der Übernahme und Wahrnehmung von Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben grundsätzlich nicht entgegen und sind in Leitungsfunktionen für beide Geschlechter zu fördern (§ 13 Abs. 8 LGG). In dem Schulversuch soll geklärt werden, ob die Zahl potentieller Interessentinnen und Interessenten für ein Schulleitungsamt erhöht werden kann, indem ermöglicht wird, eine Grundschule durch zwei Teilzeitkräfte gleichberechtigt in gemeinsamer Verantwortung zu leiten (= TopSharing). Dabei soll auch untersucht werden, ob durch dieses Modell der Anteil Teilzeitbeschäftigter in Schulleitungsfunktion erhöht werden kann.

Ab dem 01.08.2022 werden auch stellvertretende Schulleitungen in den Schulversuch einbezogen. Damit kann ab diesem Zeitpunkt für die verbleibende Dauer des Schulversuchs die Wahrnehmung dieser Funktion in gemeinsamer Verantwortung unter den aktuellen Rahmenbedingungen (u.a. 120% gemeinsamer Stellenanteil, Erhöhung der Leitungszeit um 2 Stunden je teilnehmende Schule) erprobt werden.

Es sollen Erkenntnisse gewonnen werden, welche besonderen Voraussetzungen die Bewerberinnen und Bewerber mitbringen müssen und unter welchen Rahmenbedingungen ein solches Modell kooperativer Leitung funktionieren kann. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Schaffung flexiblerer Arbeitszeitmodelle für Lehrkräfte in Teilzeit zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege. Auch soll untersucht werden, welche Rolle unterschiedliche Ausgangssituationen und Anforderungen im städtischen und im ländlichen Raum spielen. Schließlich soll die Übertragbarkeit des Modells auf andere Schulformen in den Blick genommen werden.

Fast drei Viertel der Lehrerinnen und Lehrer können sich das Modell TopSharing gut vorstellen. Bei den Schulleiterinnen und Schulleitern sind es 54%, bei den Konrektorinnen und Konrektoren 58%.

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Studienbericht 2022

Wolters Kluwer Zukunftsstudie Schulmanagement 2022 – Digitalisierung im Schulleitungsalltag

Bildnachweis: Maria Vitkovska/stock.adobe.com

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