Autor:in: Gerda Sandner, Programmleiterin Schulmanagement & Schulrecht, Wolters Kluwer Deutschland GmbH
Unangekündigte Stegreifaufgaben: Ein Segen oder Fluch für das Lernen?
In Bayern sorgt aktuell eine Diskussion über die Berechtigung und mögliche Abschaffung unangekündigter Stegreifaufgaben (Exen) für Aufsehen. Während Befürworter dieser Methode sie als wichtigen Bestandteil der schulischen Lernkontrolle verteidigen, fordern Kritiker deren Abschaffung aufgrund von Stress und Ungerechtigkeit. Doch was steckt wirklich hinter diesen überraschenden Prüfungen? Ein Blick auf die Vor- und Nachteile zeigt, warum diese Diskussion viele Facetten hat und welche Rolle Stegreifaufgaben im schulischen Alltag tatsächlich spielen können.
Die Vorteile: Mehr als nur Kontrolle
Einer der größten Pluspunkte unangekündigter Stegreifaufgaben ist die Möglichkeit der regelmäßigen Lernkontrolle. Schüler und Schülerinnen müssen sich kontinuierlich mit dem Lernstoff auseinandersetzen, da sie nicht genau wissen, wann der nächste Test kommt. Dies fördert nicht nur das langfristige Lernen, sondern verhindert auch, dass Schüler und Schülerinnen nur für Prüfungen „büffeln“ und danach das Gelernte schnell wieder vergessen.
Zudem bieten diese Tests eine gerechte Leistungsmessung, da sie den aktuellen Wissensstand der Schüler und Schülerinnen in einer spontanen Situation erfassen. Hier zeigt sich, ob der Stoff wirklich verstanden wurde oder ob das Lernen eher oberflächlich war. Dies gibt den Lehrkräften die Möglichkeit, Schwächen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls nachzusteuern. Schüler und Schülerinnen profitieren davon, da sie nicht nur für die nächste angekündigte Prüfung arbeiten, sondern den Stoff kontinuierlich verinnerlichen.
Interessanterweise kann diese Form der Prüfung auch Schülern und Schülerinnen helfen, die unter großem Druck bei geplanten Prüfungen leiden. Prüfungsangst ist für viele eine Herausforderung, doch in spontanen Tests kann dieser Stress in manchen Fällen geringer sein, weil keine lange Vorbereitungszeit und hohe Erwartungen im Raum stehen.
Die Nachteile: Stress und Ungerechtigkeit?
Auf der Kehrseite der Medaille steht der erhöhte Stress, den unangekündigte Stegreifaufgaben bei vielen Schülern und Schülerinnen auslösen können. Der ständige Druck, dass jederzeit ein Test geschrieben werden könnte, führt bei einigen zu einer angespannten Lernatmosphäre, die sich negativ auf die Schulleistungen auswirken kann.
Hinzu kommt, dass nicht jeder Schüler / jede Schülerin gleich lernt. Individuelle Lernstile spielen hier eine große Rolle: Manche brauchen mehr Zeit und Struktur, um den Stoff zu verinnerlichen. Diese Schüler und Schülerinnen könnten durch Überraschungstests benachteiligt werden, da sie sich nicht gezielt vorbereiten konnten. Mangelnde Vorbereitung kann schnell zu schlechten Ergebnissen führen, selbst wenn das Wissen grundsätzlich vorhanden ist – es fehlt nur an der Möglichkeit, sich gezielt darauf vorzubereiten.
Auch wird kritisiert, dass unangekündigte Tests oft zu oberflächlichem Lernen führen können. Der Gedanke, jederzeit getestet zu werden, verleitet manche Schüler und Schülerinnen dazu, den Stoff nur flüchtig zu wiederholen, statt sich wirklich in die Tiefe einzuarbeiten. Damit könnte der eigentliche Lernzweck verfehlt werden.
Schließlich besteht das Risiko, dass Schüler und Schülerinnen durch den ständigen Druck den Spaß am Lernen verlieren. Motivationsverlust ist eine der größten Gefahren, wenn unangekündigte Prüfungen zu oft eingesetzt werden. Der Lernprozess sollte neugierig und positiv gestaltet werden, doch Stegreifaufgaben könnten diese Lernfreude untergraben.
Fazit: Das richtige Maß finden
Unangekündigte Stegreifaufgaben haben durchaus ihre Berechtigung. Sie fördern nachhaltiges Lernen und geben Lehrkräften die Möglichkeit, den Lernfortschritt ihrer Schüler und Schülerinnen realistisch einzuschätzen. Doch sollten sie mit Bedacht eingesetzt werden, um unnötigen Stress zu vermeiden und alle Lernstile zu berücksichtigen. In der richtigen Dosierung können Überraschungstests wertvolle Werkzeuge im Unterricht sein – aber sie sind kein Allheilmittel. Lehrkräfte sollten darauf achten, eine Balance zwischen strukturiertem, angekündigtem Lernen und spontanen Überprüfungen zu finden, um das Beste aus beiden Welten zu nutzen.
Insgesamt liegt der Schlüssel in der richtigen Mischung: Stegreifaufgaben können sowohl motivieren als auch überfordern. Ein ausgewogener Einsatz kann jedoch dafür sorgen, dass sie ihren positiven Beitrag zur Bildung leisten – ohne dass dabei der Spaß am Lernen verloren geht.
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