Burn-Out und Erschöpfungszustände rechtzeitig erkennen und vorbeugen
Das Problem: Die Zahl psychischer Erkrankungen hat in Zeiten steigender Arbeitsbelastung stark zugenommen. Das gilt leider in besonderem Maße auch und gerade für den Lehrerberuf. Das Wohlergehen Ihres Kollegiums sicherzustellen, sollte dabei nicht nur Pflichterfüllung sein, sondern ein echtes Anliegen, um einen dauerhaften Krankenstand zu verhindern. Was können Sie hier tun?
Aus der Praxis
Jeder hat mal einen schlechten Tag oder auch eine schlechte Phase, in der alles über den Kopf zu wachsen scheint und zu viel zu werden droht. Meistens helfen ein paar Tage Urlaub oder auch nur ein entspanntes Wochenende. Manchmal sind die Belastungen aber so hoch, dass dem psychischen Stress nichts mehr entgegengesetzt werden kann. Die Leistung sinkt ab und eine Negativ-Spirale aus Schlechtleistung, Kritik, wenig Anerkennung und daraus resultierender weiterer Schlechtleistung beginnt, die im schlimmsten Fall in einem sog. Burn-Out als Unterfall der Depression endet. Was dann folgt, ist oft eine monatelange Krankschreibung. Welche rechtlichen Pflichten treffen Sie als Schulleiter, für das Wohlergehen Ihrer Kollegen zu sorgen?
Das sagt das Recht
Seit September 2013 ist im Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) vorgeschrieben, dass Unternehmen verpflichtet sind, besondere psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu berücksichtigen. In § 4 Nr. 1 ArbSchG heißt es: „Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“ . Ein Unternehmen muss also die möglichen psychischen Belastungen jetzt genauso prüfen, wie er das beispielweise bei Gefahrstoffen tut. Hierfür ist die Durchführung einer Gefährdungsanalyse bzw. Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Nr. 6 ArbSchG vorgeschrieben. Schulen sind nun keine Unternehmen im Sinne dieses Gesetzes, gleichwohl besteht in den Bundesländern Konsens, dass eine solche Gefährdungsbeurteilung auch in den Schulen durchgeführt werden soll. Da Sie als Schulleiter in der Regel für den Arbeits- und Gesundheitsschutz verantwortlich sind, obliegt es also Ihnen, diese Beurteilungen richtig anzugehen.
Wie funktioniert eine Gefährdungsbeurteilung praktisch?
Stress verursachen kann in der Schule natürlich so ziemlich alles. Und das nicht zu knapp: Die Schüler selbst sind ein ständiger Stressfaktor, dazu kommen die Eltern und Kollegen und vielleicht noch allgemeine Unzufriedenheitsfaktoren. Um die Kollegen wirklich effektiv vor Stress zu schützen, müsste man die Schule wahrscheinlich einfach schließen.
Da diese Lösung nicht im Sinne des Erfinders ist, gibt es verschiedene Modelle, wie an die Beurteilungen richtig heranzugehen ist. Eine feste gesetzliche Vorgabe gibt es hierzu aber nicht. Am wichtigsten ist wahrscheinlich erst einmal eine Vorfrage: Wie sieht es bei Ihnen im Kollegium aus? Wie ist die Stimmung? Gibt es schon Kollegen, die sich wegen psychischer Erkrankungen haben krankschreiben lassen und wenn ja, waren es überdurchschnittlich viele? Wenn eigentlich alles paletti ist, sollten Sie zwar trotzdem nicht untätig sein, aber es besteht dann auch kein Grund, eine umfangreiche Beurteilung um der Beurteilung Willen zu machen.
So geht man die Gefährdungsbeurteilung an
Selbst wenn Sie eigentlich den Eindruck haben, dass alles in Ordnung ist, sollten Sie grundsätzlich zumindest eine kurze und anonyme Befragung im Kollegium durchführen. Stress ist nämlich auch durchaus eine subjektive Angelegenheit, die individuell sehr unterschiedlich aufgefangen wird. Manche Kollegen sprechen vielleicht auch gar nicht über die Dinge, die sie bedrücken. Die konkrete Ausgestaltung des Fragebogens sollten Sie zuerst angehen, damit Sie diesen in der Folge bereits präsentieren können. Alternativ können Sie den Bogen auch gemeinsam mit den Kollegen aus dem Lehrerrat erarbeiten. Da die Gefährdungsbeurteilung aber eine originäre Leitungsaufgabe ist, sollten sie diese nicht vollständig delegieren. Ein Muster eines solchen Fragebogens finden Sie weiter unten.
Danach ist eine Abstimmung zwischen Ihnen und dem Lehrerrat sinnvoll, damit dieser über Ihre Pläne zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung informiert ist und ggf. erste Anregungen und Meinungen kundtun kann. Je schneller Sie die Sache anleiern können, umso besser. Stoßzeiten gilt es dabei natürlich zu vermeiden: Sowohl für Sie als auch für das Kollegium entsteht eine unnötige Unruhe und Mehrbelastung, wenn Sie die Gefährdungsbeurteilung in die Zeit der Zeugnisberatungen, Abi-Klausuren, Klassenfahrtzeit, etc. legen. Zudem sollte bereits hier verbindlich abgeklärt werden, wer die Fragebögen letztlich auswertet. Auch diese Aufgabe kann der Lehrerrat oder Dritte übernehmen, Sie sollten sich dabei aber immer die Funktion des Supervisors einräumen. Und vergessen Sie auch andere Personen an Ihrer Schule – wie den Haumeister oder das Sekretariat – nicht. Auch diese sollten in die Beurteilung mit einbezogen werden, wobei Sie hier durchaus die Fragestellung etwas anpassen sollten. Auch bei sehr großen Einrichtungen sollten Sie Befragung nach Organisationseinheiten aufteilen und die Frage etwas spezieller zuschneiden.
Checkliste Vorplanung
- Überlegen Sie sich, wie Sie den Fragebogen einteilen wollen. Gibt es einen für alle oder wollen Sie in Lehrkräfte/sonstige Arbeitskräfte unterteilen oder auch die Lehrkräfte nochmals unterteilen?
- Beachten Sie andere zeitintensive Phasen an der Schule und führen Sie Analyse nicht in einer „Stoßzeit“ durch.
- Die konkrete Gestaltung kennt keine gesetzliche Vorgabe. Wenn Sie unsicher sind, suchen Sie im Internet Vorlagen für Ihr Bundesland. Diese finden Sie häufig bei den GUV.
- Stimmen Sie Ihre Vorarbeit mit dem Lehrerrat ab.
- Delegieren ist in Maßen erlaubt. Die Gefährdungsanalyse ist aber Leitungssache.
Informieren Sie das Kollegium
Nach den Vorarbeiten können Sie den Fragebogen am besten im Rahmen einer Lehrerkonferenz austeilen, bei der Sie erläutern, warum und wie genau Sie eine Gefährdungsanalyse durchführen wollen. Besonders wichtig ist es dabei, den Kollegen Anonymität zuzusichern (und diese auch einzuhalten). Die Fragebögen sind also nicht namentlich auszufüllen und dürfen auch sonst nicht kenntlich gemacht sein (fortlaufend nummeriert o.ä.). Zudem ist die Mitarbeit natürlich freiwillig.
Ob Sie die Fragebögen unmittelbar in der Konferenz ausfüllen lassen, ist eine Geschmacksfrage. Da die Mitwirkung freiwillig ist, setzen Sie die Kollegen hier einem gewissen Beobachtungsdruck aus, wenn das Ausfüllen unmittelbar erfolgen soll. Andererseits haben Sie eine deutlich höhere Rücklaufquote, wenn die Formulare nicht erst mit nach Hause genommen werden. Wenn sich die Möglichkeit bietet, kann die Konferenz unterbrochen werden oder Sie bitten die Kollegen, eine ohnehin beabsichtige Pause zum Ausfüllen zu nutzen. Für die Auswertung der Fragebögen bieten manche Bundesländer (soweit diese Fragebögen anbieten) auch gleich eine Auswertungssoftware an (zum Beispiel NRW unter: www.schulministerium.nrw.de/BP/Lehrer/ArbeitsUndGesundheitsschutz/index.html ). Ansonsten muss eben von Hand ausgewertet werden oder Sie halten eine findige Computer-AG an, eine kleine Software zu schreiben.
Ergebnisbeurteilung und Handlungsstrategien
Die Auswertung kann im Wesentlichen drei Ergebnisse haben:
- Es ist alles soweit in Ordnung. Vielleicht haben Sie einen oder zwei „Ausreißer“, die sich insgesamt schlecht fühlen.
- Es gibt partiellen Verbesserungsbedarf auf einem bestimmten Gebiet.
- Es herrscht ein allgemeines Klima der Überlastung.
Die Ergebnisse der Fragebögen sollten Sie wiederum zunächst mit dem Lehrerrat abstimmen, um dort zu entscheiden, ob und wenn ja welche Art von Maßnahmen ergriffen werden sollen. Soweit im Großen und Ganzen alles in Ordnung ist (also Ergebnis 1), ist es ausreichend, wenn Sie das Kollegium anlässlich einer späteren Konferenz auffordern, dass sich die betreffenden Kollegen direkt an Sie wenden möchten, um deren spezifische Probleme zu besprechen.
Bei dem Ergebnis 2 oder 3 sind dagegen in der Regel Maßnahmen zu ergreifen, die Sie zunächst mit dem Lehrerrat und später mit der Lehrerkonferenz abstimmen sollten.
Bei klar definierten und abgrenzbaren Problemen in der Schule, die zu psychischen Belastungen führen, kann man schulintern aktiv werden. Dies kann geschehen durch Arbeitsgruppen, die Vorschläge entwickeln, wie man einem konkreten Problem begegnen kann. Bei Konfliktkonstellationen innerhalb des Kollegiums kann man sich an dieser Stelle aber auch externer Hilfe, wie etwa eines Mediators oder Teambuilding-Maßnahmen bedienen.
Ist das Problem insgesamt struktureller Natur ist es immer sinnvoll, wenn die Schule sich externer Hilfe bedient. Auch dieser Schritt sollte aber in Abstimmung mit der Lehrerkonferenz beschlossen werden. Insbesondere sollte hier über die Art der Hilfeleistung befunden werden. Sodann muss eine Steuerungsgruppe gebildet werden, die wiederum Ansprechpartner für die externen Kräfte ist und die Ergebnisse innerhalb der Schule transformiert.
Mein Rat
Die Gefährdungsbeurteilung ist sicher kein Hexenwerk, auch wenn es sich zunächst sehr formalistisch anhört. Im Kern geht es darum, nicht nur körperliche, sondern eben auch seelische Gefährdungen zu erkennen und frühzeitig zu bekämpfen. Und schließlich ist ein glückliches Team meistens auch ein besseres Team. Wichtig für Sie ist es zudem, Ihr Vorgehen rund um die Gefährdungsbeurteilung ordentlich zu dokumentieren. Dies ergibt sich aus § 6 ArbSchG . Nicht zuletzt sollten Sie einen Rahmen festlegen, innerhalb dessen Sie eine neue Gefährdungsbeurteilung durchführen wollen. Je weniger „Stress“ an der Schule herrscht, umso großzügiger können Sie hier sicher sein. Es sollte aber gerade für akute Belastungssituationen immer ein konkreter Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Dies gilt vor allem für Fälle des Mobbings oder anderer psychischer Krisensituationen. (Referenz: Schulrecht heute Spezialausgabe 3/19)
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