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Recht & Verwaltung18 März, 2021

Kita-Teams generationengerecht führen

Von Hanna Heinrich, selbstständige Psychologin und Trainerin und
Julia Punk, s
ystemische Beraterin und selbstständige Psychologin 

Wie Sie sich den Veränderungen des Arbeitsmarkts stellen

Diverse Arbeitsteams erfordern von Kitaleitungen zunehmend individuell angepasste Führung und Personalentwicklung. Demografischer Wandel, Globalisierung und Digitalisierung verändern unsere Gesellschaft und mit ihr nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch personelle Organisationsstrukturen. Wie können Kitaleitungen diesen Herausforderungen gerecht werden und welche psychologischen Prozesse und Faktoren sind entscheidend, um die Zusammenarbeit in diversen Teams erfolgreich zu gestalten?

Generationenvergleiche und -konflikte sind so alt wie die Menschheit selbst. Bereits in Keilschriften aus der Sumerer-Zeit beklagten die älteren Generationen das Übel der Jugend, gefolgt von Philosophen und Schriftstellern jeglicher Epoche. 
Aus der Forschung wissen wir, derartige Auseinandersetzungen sind zentral für die Entwicklung von Kollektiven. Die Suche nach dem Ursprung bringt uns unmittelbar zur Frage „Was prägt uns, macht uns zu dem Menschen, der wir sind?“ und damit zu einer der bekanntesten psychologischen Debatten aller Zeit: Der Diskussion um den Einfluss von Anlage und Umwelt. 
In der psychologischen Nature-vs.-Nurture-Debatte bezeichnet man den Erwerb von Wertesystemen durch die Auseinandersetzung mit einer bestimmten Umwelt, Erziehung, Technik, Musik, Politik, Denkweise oder Zeit als Sozialisation. Personen einer Alterskohorte, die in wichtigen Entwicklungsphasen ihres Lebens prägende Ereignisse teilen, lassen sich folglich in Generationen clustern und vergleichen. Eine Vielzahl an Forschungsstudien zeigt, Personen verschiedener Generationen werden unterschiedlich sozialisiert und entwickeln unterschiedliche generationenspezifische Wertesysteme.

Personen verschiedener Generationen werden unterschiedlich sozialisiert und entwickeln unterschiedliche generationenspezifische Wertesysteme.

Als gelernte, zeitlich relativ stabile Konstrukte an Regeln und Prinzipien helfen uns Wertesysteme im Alltag (meist unbewusst), Konflikte zu lösen, Alternativen abzuwägen und Entscheidungen zu treffen. Wenngleich die Generation allein natürlich nicht für persönliche Wertehierarchien verantwortlich ist, so konnten durch generationale Vergleiche mittlerweile dennoch diverse generationenspezifische Merkmalscluster identifiziert werden. Um Stereotypisierung vorzubeugen ist hervorzuheben, dass in solchen Studien natürlich immer die Mehrheit einer Generation beschrieben wird, die einzelnen Werte und Vorstellungen aber keinesfalls für jeden Vertreter dieser Generation zutreffend sein müssen.

Generationenspezifische Wertesysteme

Aktuell werden in Deutschland sechs verschiedene Generationen beschrieben, deren generationenspezifische Wertesysteme nachfolgend kurz skizziert werden sollen. Die älteste Generation der Traditionalisten (Geburtsjahrgänge ca. 1935 – 1945) befindet sich mittlerweile vollständig im Ruhestand und somit nicht mehr auf dem heutigen Arbeitsmarkt vertreten. Viele Organisationen profitierten allerdings jahrelang von dem immensen Erfahrungswissen dieser Generation. Harte Arbeit, ein gewisser Pragmatismus, Loyalität und Ehre sowie uneingeschränkter Respekt vor Autoritäten sind zentrale Werte dieser Generation, die in vielen Studien als eher materialistisch charakterisiert wird.

Eine deutliche Verschiebung hin zu postmaterialistischen Werten ist in der nachfolgenden Generation, der Wirtschaftswundergeneration (Geburtsjahrgänge ca. 1946 – 1955) zu beobachten. Das Heranwachsen in einem expandierenden Wohlfahrtsstaat mit hoher persönlicher und ökonomischer Sicherheit bescherte dieser Alterskohorte rosige berufliche Aussichten. Forderungen nach gesellschaftlichen Veränderungen und Partizipation wurden laut. Werte wie Idealismus sowie der starke Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung wurden bedeutend und läuteten einen Paradigmenwechsel ein, getreu dem Motto "Arbeiten um zu leben" und nicht "Leben um zu arbeiten". Viele der Wirtschaftswundergeneration sind heute im fortgeschrittenen Erwerbsalter oder bereits in Rente. Ihren Schatz an Erfahrungswissen zu wahren und Wissensverluste zu vermeiden, stellt für Führungskräfte derzeit eine zentrale Herausforderung dar.

Die nächste Generation der so genannten Baby Boomer (Geburtsjahrgänge ca. 1956 – 1965) ist die aktuell personenstärkste in unserer Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Prägend für ihre berufliche Sozialisation war die Phase der wirtschaftlichen Stagnation in Deutschland. Ereignisse wie die beginnende Massenarbeitslosigkeit, die Ölkrise oder die Widerstände der RAF machten ihre persönliche und berufliche Zukunft ungewiss und Sicherheit infolgedessen zu einem ihrer bedeutendsten Werte. Im Teamkontext zeigt sich, die starke Konkurrenz, mit der sich die Kinder dieser geburtenstarken Jahrgänge bis spät ins Berufsleben konfrontiert sahen, hat ihnen zu hoher Sozialkompetenz verholfen. Baby Boomer zeichnen sich in vielen Studien durch hohe Team- und Kooperationsfähigkeit aus und eignen sich in diversen Teams in der Praxis daher beispielsweise hervorragend für Vermittlerrollen oder als Tandem-Partner.

Trotz des wirtschaftlichen Wohlstands der 80er Jahre erlebte die folgende Generation X (Geburtsjahrgänge ca. 1966 – 1980) in Zeiten der zunehmenden Arbeitslosigkeit verstärkt berufliche Unsicherheit. Die andauernde Staatskrise, die Wiedervereinigung und die Anfänge der Globalisierung führten zum Wunsch nach Wohlstand, Karriere und Sicherheit. Materialistische Werte und Eigenschaften wie Ehrgeiz, Selbstständigkeit, Individualismus und Zuverlässigkeit traten in den Vordergrund. Viele der Generation X befinden sich heute auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, bekleiden Führungspositionen, haben sich fest in der heutigen Arbeitswelt etabliert und diese in den vergangenen Jahren maßgeblich mitgestaltet. 

Ein Umbruch und radikaler Paradigmenwechsel wird für die nächsten Jahre mit der Generation Y (Geburtsjahrgänge ca. 1981 – 2000) prognostiziert. Diese nächste große Generation auf unserem Arbeitsmarkt wurde in ihrer bisherigen Sozialisation vor allem von einem Gefühl der Grenzenlosigkeit geprägt. Bedingt durch die fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung eröffneten sich den ersten "Digital Natives" bereits früh gänzlich neue Chancen, ihren beruflichen und privaten Lebensweg sehr flexibel zu gestalten. Doch mit den neuen Möglichkeiten wuchsen auch die Unsicherheiten und der Wettbewerbsdruck. So sind Flexibilität, Mobilität und Innovation heute längst zu Kernanforderungen an junge Erwerbstätige geworden. Sinnhaftigkeit, Freiheit, Entfaltung sowie kulturelle Offenheit und Toleranz sind bedeutsame Werte dieser Generation. In ihrer aktuellen Lebensphase stehen viele vor der Herausforderung die geforderte berufliche Flexibilität bzw. Mobilität und private Stabilität und Sicherheit zu vereinen.

Die derzeit jüngste Generation in Deutschland, die Generation Z (Geburtsjahrgänge ca. ab 2000) wird sich erst in den nächsten Jahren fest auf dem Arbeitsmarkt etablieren. Herangewachsen im Zeitalter der digitalen Transformation sind sie noch stärker als ihre Vorgängergeneration beeinflusst von sozialen Medien und modernen Kommunikations- und Informationstechnologien. Gesellschaftlich geprägt wurde die Generation Z in ihrer bisherigen Sozialisation (die noch andauert) vor allem durch die Globalisierung, politische Unsicherheiten, Terrorismusgefahr und den Klimawandel. Werte wie hohe Disziplin, Anpassungsbereitschaft, Akzeptanz und die Sehnsucht nach Halt und Aufgehobensein scheinen zentral. So darf man gespannt sein, was die wissenschaftlichen Studien der nächsten Jahre zeigen.

Tipp

Zweifellos ist es lohnenswert, sich einmal ganz bewusst die Frage zu stellen: "Welche gesellschaftliche oder private Umwelt hat mich persönlich geprägt? Welche Werte sind durch diese Einflüsse für mich zentral geworden?"

Was zeichnet eine gute Führungskraft aus?

In der modernen Forschung wird Führung heute zunehmend als dynamischer Prozess gesehen, in dem Führungskraft und Mitarbeiter*innen in wechselseitigem Austausch stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Führungskräfte müssen folglich in der Lage sein, eigene Werte und Einstellungen zu reflektieren und sich individuell auf Teammitglieder einzustellen. Studien zeigen, dass es dabei lohnenswert ist, generationenspezifische Präferenzen zu kennen und zu berücksichtigen. Denn auch in der Frage, was eine gute Führungskraft auszeichnet, gehen die Vorstellungen der verschiedenen Generationen deutlich auseinander.

Während Traditionalisten klares, zielorientiertes Führungsverhalten bevorzugen, das ihrem Bedürfnis nach Hierarchien nachkommt und ihnen ermöglicht, ihre Lebens- und Arbeitserfahrungen würdigend einzubringen (erfahrungsorientierte Führung) wünscht sich die Wirtschaftswundergeneration vielmehr Partizipation. Sie schätzen Führungsverhalten, das auf Sinnvermittlung ausgelegt ist und ihnen erlaubt, Dinge kritisch zu hinterfragen. Für ihr sehr großes Erfahrungswissen und ihre hohe Arbeitsmoral erwartet diese Generation von Kolleg*innen, gleichermaßen wie von Führungskräften, Wertschätzung und Einbindung, bevorzugt über persönliche Kommunikationskanäle.

Die Babyboomer wiederum gelten als deutlich konsens- und kompromissfähiger als ihre Vorgänger, zeichnen sich jedoch auch durch starkes Durchsetzungsvermögen in schwierigen Situationen aus. Mit ihrer Erfahrung und hohen Sozialkompetenz sind sie prädestiniert, mögliche Konflikte und Unstimmigkeiten aus dem Weg zu schaffen und eine für alle tragbare Lösung zu finden. Führungskräfte sollten darauf achten, Babyboomern kontinuierlich Entwicklungschancen aufzuzeigen und sie in ihrer Umsetzungsfähigkeit bestärken, z.B. durch Vergleiche mit anderen Mitarbeiter*innen.

Gänzlich anders als ihre Vorgänger ist die Generation X weniger an Konsens und Partizipation interessiert, vielmehr fordern sie von ihrer Führungskraft Klarheit, Direktheit, Ehrlichkeit und Delegationsfähigkeit. Dies gilt in der Kommunikation von Anforderungen, Erwartungen und Teamzielen ebenso wie bei der Frage nach persönlichen Karriereperspektiven. Auch ist zu beobachten, dass Vertreter dieser Generation vermehrt nach wirtschaftlichem Wohlstand streben. Folgt man der eher materialistisch geprägten und auf Sicherheit bedachten Wertehierarchie der Generation X, bieten sich also auch materielle Motivationsanreize an.

Bei der Generation Y hingegen, haben Sinnhaftigkeit, individuelle Entfaltung und die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben hohe Priorität. Stärker noch als andere sind sie auf direkte Führung angewiesen, da sie sich gerade erst auf dem Arbeitsmarkt positionieren und Lebens- und Arbeitserfahrung sammeln. Von ihren Führungskräften erwarten sie klare, herausfordernde, visionäre Ziele und Perspektiven sowie die Freiheit und Flexibilität, Aufgaben auf ihre Weise und in ihrem Tempo zu erledigen. Um sie zu motivieren, ist Überzeugungsarbeit nötig, denn stärker als bei allen anderen Generationen hängt Leistung in der Generation Y mit der Frage nach dem Sinn zusammen. Gepaart mit ihrem Wunsch nach Vernetzung, Kooperation und Teamarbeit bietet ihr Knowhow zu modernen Technologien und Medien enormes Potenzial für die Arbeit in einem generationengemischten Team. Studien zeigen, durch demokratisches und transparentes Führungsverhalten kann man sie auch langfristig als äußerst motivierte und leistungsstarke Mitarbeiter*innen gewinnen.

Empfehlungen für lebensphasenorientierte Personalarbeit und -politik

Lebensphasenorientierte Personalarbeit und -politik fokussiert die Entwicklung und Erhaltung der nachhaltigen Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit aller Mitarbeiter*innen, die Vereinbarkeit von Lebens- und Berufssituationen und den Umgang mit Demografie- und Generationeneffekten. Ziel ist es, Mitarbeiter*innen langfristig an die Organisation zu binden und gleichzeitig die Arbeitgeberattraktivität für potenzielle Nachwuchskräfte zu erhöhen. Alle diese Aspekte sind auch für die Leitung und Entwicklung von Kindertagesstätten von höchster Bedeutung. Wie aber kann die Umsetzung in der Praxis gelingen? Bei der Entwicklung und Festlegung geeigneter Maßnahmen werden wichtige Parameter der jeweiligen Teillebenszyklen berücksichtigt. So werden alle Altersgruppen gefördert, nicht nur "High Potentials". Lebenslanges (aber altersgerechtes) Lernen wird ermöglicht und auch gefordert, um die Arbeitsmarktfähigkeit gezielt zu erhalten. Denn wie zahlreiche Studien verdeutlichen, ist die Leistungsfähigkeit weniger vom Alter als von Arbeitsaufgabe und -bedingungen, Qualifikation und innerer Einstellung abhängig. Analysen altersspezifischer Unterschiede zeigen über die Arbeitslaufbahn hinweg keine allgemeine Leistungsverringerung, sondern vielmehr eine Umschichtung innerhalb des Fähigkeits- und Leistungsprofils. Arbeits- und Lernbedingungen zu schaffen, die den Bedürfnissen und Potenzialen der verschiedenen Generationen gerecht werden, stellen schon heute einen Kernaspekt der Personal- und Führungsarbeit dar. Die Bandbreite an potenziellen Maßnahmen ist groß. Mögliche Ansatzpunkte wären etwa die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort, familienfreundliche Strukturen, Förderung von Work-Life-Balance, intergenerative Zusammenarbeit oder Wissenstransfer. 

Fazit

Angesichts der immer diverser werdenden Gesellschaft stellen generationengerechte Führung und lebensphasenorientierte Personalarbeit und -politik zweifelsohne eine Thematik dar, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das Wissen über die unterschiedliche Psychologie der einzelnen Generationen kann Führungskräften in Kitas helfen, ihre Beschäftigten besser zu verstehen, individuelle Stärken gezielter zu nutzen, die Kommunikation im Team zu verbessern und so das Miteinander zu bereichern.

 

Hanna-Heinrich-Kita-Artikel2
Selbstständige Psychologin und Trainerin, Lehrende Hochschule Döpfer, Regensburg und Köln


Hanna Heinrich

 
Julia-Punk-Kita-Artikel2

Systemische Beraterin und selbstständige Psychologin, Leiterin des Referats für Personalentwicklung, KJF Regensburg

 

Julia Punk

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