HOAI 2021: Möglichkeiten und Arten der Honorarvereinbarung
Der „Kommentar zur HOAI“ geht ausführlich und verständlich auf komplexe Fragen zum Honorarrecht ein. Der hier folgende Textauszug der Neuauflage befasst sich im Rahmen von § 7 HOAI (Honorarvereinbarung) mit den Möglichkeiten und Arten der Honorarvereinbarung.
7. Möglichkeiten und Arten der Honorarvereinbarung
a) Mögliche Honorarvereinbarungen
Weder die HOAI noch das ArchLG enthalten Vorschriften darüber, welche Arten von Honorarvereinbarungen zulässig sind. In § 1 Abs. 1 ArchLG sind zwar Parameter für die Honorarberechnung genannt. Diese dienen jedoch zur »Honorarorientierung«, letzten Endes also zur Festlegung der Orientierungswerte (§ 2a Abs. 1 S. 1 HOAI), und auch dazu, den Basishonorarsatz und den oberen Honorarsatz zu bestimmen.
Eine Verpflichtung für die Vertragsparteien dahin gehend, ihr Honorar auf dieser Grundlage zu vereinbaren, besteht aber nicht. Den Vertragsparteien stehen alle Möglichkeiten der Honorarvereinbarung zur Verfügung:
- Die Vertragsparteien können – wie im Übrigen auch unter der Geltung der alten HOAI – völlig von den Abrechnungsgrundsätzen der HOAI und des ArchLG abweichen und ein Pauschalhonorar vereinbaren.
- Ebenso können die Vertragsparteien Zeithonorar auf der Grundlage des Ansatzes bestimmter Stunden von Büroinhabern, Ingenieuren bzw. Architekten und Mitarbeitern vereinbaren. Stundensätze enthält die HOAI nicht.
- Möglich ist es auch, dass früher vorgesehene Baukostenvereinbarungsmodell im Wege der vertraglichen Honorarvereinbarung zu nutzen. Die Regelung des § 6 Abs. 3 HOAI a.F. war zwar unwirksam56, dennoch konnte schon zu Zeiten der Geltung der HOAI a.F. eine entsprechende Vereinbarung in wirksamer Form getroffen werden.57 Dies gilt nach wie vor weiter.
- Möglich sind auch Honorarvereinbarungen, welche z.T. an Parameter der HOAI anknüpfen. So ist es denkbar, dass als Basis bestimmte anrechenbare Kosten oder eine bestimmte Honorarzone oder auch bestimmte Prozentsätze für erbrachte Leistungen herangezogen werden.
- Den Vertragsparteien bleibt es auch unbenommen, ein Bonus- und/oder Malushonorar, welches früher in der HOAI vorgesehen war, zu vereinbaren. Es genügt auch diesbezüglich die Textform. In diesem Zusammenhang ist auch an Prämien oder Beschleunigungshonorare zu denken.
Im Unterschied zu früher findet keine Kontrolle mehr auf Mindest- und Höchstsatzbasis statt. Lediglich die Frage der Wirksamkeit in AGB und die Frage der Sittenwidrigkeit von Honorarvereinbarungen stehen noch im Raum (dazu Rdn. 35 ff ., 72 f.). Voraussetzung für eine vom System der HOAI abweichende Honorarvereinbarung ist die Einhaltung der Wirksamkeitsvoraussetzungen (dazu Rdn. 16 ff.).
b) Honorare zwischen Basishonorarsatz und oberem Satz
Für die Honorarvereinbarung gelten hier die allgemeinen Grundsätze (vgl. oben Rdn. 16 ff.). Die Argumente für die Festlegung des Honorarrahmens zwischen Basishonorarsatz und oberem Satz können sich aus verschiedenen Umständen der konkreten Aufgabe, der Schwierigkeit, des notwendigen Arbeitsaufwandes, des künstlerischen Gehalts des Objekts sowie Einflussgrößen hinsichtlich der Zeit, der Umwelt, der Institutionen, der Nutzung oder der Herstellung oder aus sonstigen für die Bewertung der Leistung wesentlichen fachlichen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten ergeben. Aufwandsbezogene Einflussgrößen können sein:
- standortbezogene Einflussgrößen betreffend das Grundstück (unebene Oberfläche des Grundstücks, mittleres Gefälle des Grundstücks, starkes Gefälle (Hanglage), schlechter Baugrund (Grundwasser, Wasserhaltung) und betreffend Einordnung (Baulücke, Anbau, Integration alter Bausubstanz, Denkmalschutz);
- herstellungsbezogene Einflussgrößen (besondere Gründung, konventionelle Bauweise, Verfestigung usw.);
- zeitbezogene Einflussgrößen (kurze oder lange Planungszeit, kurze oder lange Bauzeit, Bindung an Ablaufpläne, Festtermine usw.);
- ökonomische Aspekte (besondere Finanzierungsbedingungen, Festpreis, Kostenrichtwerte);
- Einflussgrößen aus Randbedingungen wie Institutionen (viele einzelne Unternehmer, Generalplaner, Generalunternehmer, Generalübernehmer, einmaliges Bauvorhaben des Bauherrn, öffentliche Hand als Bauherr) oder betreffend den organisatorischen Ablauf (öffentliche Ausschreibung, beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe, Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, Bauabschnitte) oder sonstiges, wie Winterbau usw.
Diese Parameter und Umstände sind natürlich nur Beispiele und es können durchaus andere Umstände hinzutreten, die für den Ansatz eines Honorars zwischen Basishonorarsatz und oberem Honorarsatz maßgebend sein können.
c) Honorare unterhalb des Basishonorars
Wegen des Wegfalls des Mindestpreischarakters können heute ohne jede Begründung auch Honorare unterhalb des Basishonorars vereinbart werden. Voraussetzung ist lediglich die Einhaltung der Wirksamkeitsvoraussetzungen (vgl. Rdn. 16 ff.). Darüber hinaus kann sich der Auftragnehmer in seltenen Fällen auf die Unwirksamkeit einer Honorarvereinbarung in AGB (vgl. Rdn. 35 ff.) oder wegen Sittenwidrigkeit (vgl. Rdn. 72 ff.) berufen.
d) Honorare oberhalb des oberen Honorarsatzes
Schon unter der Geltung des Mindest- und Höchstpreischarakters war die Honorarvereinbarung außerhalb des Honorarrahmens der Honorartafeln frei, formlos und ohne zeitliche Beschränkung möglich58 (§ 7 Abs. 2 HOAI 2013). Die Fälligkeit des Honorars tritt hier unter den gleichen Voraussetzungen ein wie bei Honoraren innerhalb des Rahmens (§ 15 Rdn. 4 ff.). Entsprechendes gilt auch für den Verjährungsbeginn (§ 15 Rdn. 50 ff.). Ob der Rahmen der Honorartafel verlassen ist, entscheidet sich allein danach, ob die Kostenberechnung oberhalb der höchsten Werte liegt. Diesbezüglich kann die Frage, ob ein einheitliches Objekt oder mehrere einzelne Objekte vorliegen, eine entscheidende Rolle spielen (vgl. § 11 Rdn. 16 ff.).
Haben die Parteien keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen, dann stellt sich die Frage nach der Honorarermittlung. Vom Grundsatz her gilt hier die übliche Vergütung (§ 632 Abs. 2 BGB). Eine Extrapolation – Fortschreibung der Honorartafel über den Honorarrahmen hinaus – kommt nicht infrage, weil alle Honorartafeln in sich abgeschlossen sind und keine Parameter dafür enthalten, wie sich das Honorar bei höheren anrechenbaren Kosten entwickeln soll. Es können auch nicht die Honorarsätze für den höchsten Tafelwert zugrunde gelegt werden.59 Ebenso wenig kommt es infrage, dass der Auftragnehmer zunächst das Honorar selbst festlegt (§§ 315 f. BGB) und der Auftraggeber dann eine Überprüfung im Gerichtsverfahren (nach § 319 BGB) auf »Billigkeit« herbeiführen kann.60 Auch dies hat der BGH zutreffenderweise abgelehnt. Richtig ist es, im konkreten Fall die übliche Vergütung zu ermitteln.
Zu klären ist dann noch, wie die übliche Vergütung zu ermitteln ist. Im Streitfall wird dann die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig sein. Soweit sich dieses an den von öffentlichen Auftraggebern entwickelten, fortgeschriebenen Honorartafeln61 orientiert, ist es für die Entscheidung zugrunde zu legen.62 Das gilt vor allem bei Verträgen mit der öffentlichen Hand. Hier sind dann die in den betreff enden Bundesländern entwickelten Tabellen heranzuziehen, wie z.B. die Richtlinien der Staatlichen Hochbauverwaltung Baden-Württemberg, (RiFT), der obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Inneren oder der Runderlass des Ministeriums Bauen und Wohnen NRW. Auch der AHO hat erweiterte Honorartafeln für alle Leistungsbilder entwickelt und veröffentlicht.63 Alle diese Tafeln führen zu ähnlichen Werten.
Hält sich der geltend gemachte Honoraranspruch im Rahmen dieser Werte, dann liegt er im Rahmen der üblichen Vergütung. Die gegenteilige Meinung64, wonach völlig abweichend von diesen Tabellen die Erfahrungen und Berechnungen bzw. Erkenntnisse des konkret beauftragten Sachverständigen maßgebend sein sollen, ist unzutreffend. Für die Üblichkeit kommt es auf die »gelebte Praxis« an, wie sie im Lauf eines längeren Zeitraums geübt wurde.65
Haben die Vertragsparteien während der Verhandlungen unterschiedliche Interpolationskurven für Werte über 25.000 000 € vorgelegt, ist eine Einigung aber nicht erfolgt, so gilt – als Minimalkonsens – der niedrigere Wert.66
e) Honorare unterhalb der Tafelwerte
Eine Regelung für Honorare unterhalb des niedrigsten Tafelwertes der anrechenbaren Kosten gibt es schon seit der HOAI 2009 nicht mehr. Die Parteien sind diesbezüglich in der Honorarvereinbarung völlig frei und können auch mündlich eine wirksame Honorarvereinbarung treffen. Das Erfordernis der Textform gilt für diese Fälle nicht. Eine zeitliche Beschränkung für die Vereinbarung besteht ebenfalls nicht.
Ohne Honorarvereinbarung steht dem Auftragnehmer die übliche Vergütung zu, die sich in aller Regel über Stunden und einen angemessenen Stundensatz ermitteln lassen wird. Die Honorare sind durch den Basishonorarsatz für die niedrigsten in der Tabelle enthaltenen anrechenbaren Kosten auch nicht gedeckelt. Dafür gibt es keinen Grund, weil die HOAI auch in diesem Bereich unanwendbar ist.
Kommentar zur HOAI, 15. Auflage
Sie wollen mehr lesen? Die Neuauflage von Locher/Koeble/Frik „Kommentar zur HOAI“ ist ab sofort im Online-Modul Werner Privates Baurecht Premium verfügbar. Im Modul-Test können Sie den Titel sofort online lesen.56 BGH Urt. v. 24.04.2014 – VII ZR 164/13, BauR 2014, 1332 = NJW 2014, 2354.
57 Koeble/Zahn Die neue HOAI 2021, C Rn. 96 ff .
58 Vgl. aus der neueren Rechtsprechung OLG Celle BauR 2019, 1968.
59 BGH BauR 2004, 1640 = NJW 2004, 2588 = NZBau 2004, 509.
60 So KG NZBau 2000, 257.
61 Vgl. dazu das Heft 14 (August 2016) des AHO mit den erweiterten Honorartafeln; siehe auch Flemming BauR 2014, 469.
62 OLG Düsseldorf BauR 2002, 1726; KG Urt. v. 18.11.2003 – 7 U 132/03 – berichtet in IBR 2004, 327 (Seifert), Nichtannahmebeschl. Des BGH v. 11.11.2004 – VII ZR 165/03; BayObLG NZBau 2002, 348 (349); Jochem, § 7 Rn. 14; Wirth/Galda in KMV, § 7 Rn. 45 ff ; Werner in Werner/Pastor, Rn. 765.
63 AHO-Schriftenreihe Nr. 14, Stand August 2016, HOAI-Tafelfortschreibung Erweiterte Honorartafeln.
64 KG NZBau 2005, 522 – berichtet bei IBR 2004, 377 (Eich), 11.
65 So mit Recht Eich a. a. O.; Wirth/Galda in KMW, § 7 Rn. 45 ff .
66 So mit Recht KG DAB 1990, 754.