Rechtsgrundlagen der Schulpflicht
Schulpflicht versus Grundgesetz
Umstritten ist, ob sich die Schulpflicht auch aus dem Grundgesetz ergibt.2 Die Klärung dieser Frage ist deshalb wichtig, weil die Schulpflicht mit dem durch Art. 4 Abs. 1 GG vorbehaltlos gewährleisteten Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit kollidieren kann, dessen Schranken allein aus dem Grundgesetz herzuleiten sind. Berufen sich Eltern, die erreichen wollen, dass ihr Kind vom Schulbesuch freigestellt wird, auf dieses bundesverfassungsrechtlich verbürgte Grundrecht, kann ihnen die Schulpflicht nur dann entgegengehalten werden, wenn sie ihrerseits bundesverfassungsrechtlich, also im Grundgesetz, verankert ist.3 Für das Bundesverfassungsgericht ergibt sich die Schulpflicht aus dem „verfassungsrechtlich anerkannten staatlichen Erziehungsauftrag“, also aus Art. 7 Abs. 1 GG4; das Bundesverwaltungsgericht spricht von „der durch Art. 7 Abs. 1 GG gedeckten Begründung einer allgemeinen Schulpflicht“.5
Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag
Die Fundierung der Schulpflicht in Art. 7 Abs. 1 GG wird durch Art. 7 Abs. 2 GG bestätigt. Da die Eltern nach dieser Vorschrift berechtigt sind, über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen, folgt hieraus zugleich, dass der in Art. 7 Abs. 1 GG wurzelnde staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag im Regelfall die Pflicht zum Schulbesuch einschließt.6 Im Übrigen wird die Spannung zwischen Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 GG dadurch entschärft, dass Eltern, die ihr Kind aus religiös-weltanschaulichen Gründen von der öffentlichen Schule fernhalten möchten, aufgrund der Privatschulfreiheit eine ihren Auffassungen entsprechende private Ersatzschule wählen können.7
Indem der Staat Schulpflicht anordnet, ist er seinerseits verpflichtet, die Voraussetzungen für ihre Erfüllung zu schaffen. Durch Bereitstellung der erforderlichen Schulen muss er, in der Regel mithilfe der kommunalen Schulträger, dafür sorgen, dass die Schulpflichtigen eine öffentliche Schule auch tatsächlich besuchen können (Beschulungspflicht).
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Schulpflicht
Die Schulpflicht greift nachhaltig in die Grundrechte der Schüler/-innen und Eltern ein. Sie hat zugleich hohe staats- und gesellschaftspolitische Bedeutung. Deshalb bedarf sie – über die nur sehr allgemein gehaltenen Verfassungsbestimmungen hinaus – jedenfalls in den Grundzügen der Regelung durch förmliches Gesetz. Die Voraussetzungen und Grenzen der Schulpflicht sowie die Art ihrer Erfüllung sind in allen Ländern durch formell-gesetzliche Vorschriften festgelegt. Außer im Saarland, das ein besonderes Schulpflichtgesetz erlassen hat, ist die Materie überall im Rahmen der allgemeinen Schulgesetze geregelt.8
Über Beginn und Dauer der Schulpflicht ist dem Grundgesetz und den Landesverfassungen nichts zu entnehmen.9 Nach den gesetzlichen Bestimmungen der Länder müssen Kinder und Jugendliche vom 6. Lebensjahr an10 mindestens zwölf Jahre die Schule besuchen; in den meisten Ländern können auch Volljährige, die sich in der Berufsausbildung befinden, schulpflichtig sein.11
Schulpflicht für Ausländer
Die Schulpflicht hängt nicht von der Staatsangehörigkeit ab.12 Deshalb besteht sie auch für Ausländer und Staatenlose; Ausnahmen gelten, soweit völkerrechtliche Grundsätze oder zwischenstaatliche Vereinbarungen entgegenstehen (z.B. bei Diplomatenkindern).
Schulpflicht für Flüchtlinge und Asylbewerber / Asylsuchende
Angesichts der Bedeutung des Schulbesuchs für die Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen und für den Zusammenhalt der Gesellschaft geht es seit einiger Zeit vor allem um die Frage, ob auch Kinder und Jugendliche, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, schulpflichtig sind.13
Asylbewerber/-innen (Asylsuchende), denen mit der Stellung des Asylantrags der Aufenthalt im Bundesgebiet zur Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 55 AsylG gestattet ist14, sind nach den schulrechtlichen Bestimmungen Baden-Württembergs, Bayerns, Berlins, Brandenburgs, Hessens, Rheinland-Pfalz‘, des Saarlands und Thüringens ausdrücklich der Schulpflicht unterworfen.15 In den anderen Ländern ergibt sich diese Rechtsfolge aus den allgemeinen schulgesetzlichen Bestimmungen, die die Schulpflicht an die Wohnung (den Wohnsitz) oder den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen.16
Die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den Asylantrag hat Folgen für den aufenthaltsrechtlichen Status der Flüchtlinge und damit auch für das Bestehen der Schulpflicht. Folgende Entscheidungsalternativen kommen in Betracht: Anerkennung der Asylberechtigung mit einer zunächst auf drei Jahre befristeten Aufenthaltserlaubnis (Art. 16a GG, § 2 AsylG, §§ 25 Abs. 1, 26 Abs. 1 Satz 2 AufenthG); Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention mit einer gleichfalls zunächst auf drei Jahre befristeten Aufenthaltserlaubnis; Zuerkennung des subsidiären Schutzes bei Vorbringen stichhaltiger Gründe für die Annahme eines dem Flüchtling drohenden ernsthaften Schadens im Herkunftsland mit einer zunächst auf ein Jahr befristeten Aufenthaltserlaubnis; Feststellung eines Abschiebungsverbots, vor allem bei erheblicher konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Flüchtlings im anderen Staat, mit einer Aufenthaltserlaubnis von mindestens einem Jahr.
Ist keine dieser Voraussetzungen für ein Bleiberecht erfüllt, erlässt das BAMF mit der ablehnenden Entscheidung über den Asylantrag eine schriftliche Abschiebungsandrohung. Der Antragsteller ist zur Ausreise verpflichtet; er hat das Bundesgebiet binnen einer Frist von 30 Tagen zu verlassen (§ 38 Abs. 1 AsylG). Allerdings kann die Ausländerbehörde die Abschiebung unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend aussetzen. Zur Anordnung dieser Duldung ist sie verpflichtet, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist; über die Duldung stellt sie dem Ausländer eine Bescheinigung aus. Die Duldung begründet keinen rechtmäßigen Aufenthalt; sie dient ausschließlich dazu, dem Ausländer zu bescheinigen, dass er behördlich registriert ist und von der Durchsetzung der Ausreisepflicht für den Zeitraum der Duldung abgesehen wird.17
Schulpflicht mit Aufenthaltsgenehmigung, Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, Duldung und Abschiebeverbot
Im Hinblick auf die Schulpflicht der verschiedenen Flüchtlingsgruppen ergibt sich Folgendes: Kinder und Jugendliche, die asylberechtigt sind, denen Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde, die subsidiären Schutz genießen oder denen ein Abschiebungsverbot zugute kommt, verfügen über eine Aufenthaltserlaubnis; diese ist zwar befristet und je nach Gruppenzugehörigkeit unterschiedlich lang, beträgt aber mindestens ein Jahr und kann verlängert werden. Bei ihnen ergibt sich die Schulpflicht schon aufgrund der Wohnung oder/und des gewöhnlichen Aufenthalts im jeweiligen Bundesland. Für junge Flüchtlinge, deren Aufenthalt im Bundesgebiet aufgrund der Aussetzung der Abschiebung geduldet wird, beruht die Schulpflicht zumeist auf ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften oder Rechtsverordnungen.18 Doch auch in den Ländern, in denen es insoweit an gesetzlichen Vorschriften fehlt, ist davon auszugehen, dass die geduldeten Personen das die Schulpflicht begründende Tatbestandsmerkmal der Wohnung oder des gewöhnlichen Aufenthalts erfüllen; das wird zumeist durch Verwaltungsvorschriften klargestellt.19 In einigen Ländern bleiben junge Flüchtlinge, auch wenn sie aufgrund der Ablehnung des Asylantrags zur Ausreise verpflichtet sind und nicht über eine Duldungsbescheinigung verfügen, weiterhin, und zwar bis zur Erfüllung der Ausreisepflicht, schulpflichtig.20
Nach den in der Mehrzahl der Länder geltenden schulrechtlichen Vorschriften sind diese statuslosen Kinder indes nicht in die Schulpflicht einbezogen; daher ist die Frage zu klären, ob sie wenigstens das Recht haben, die Schule zu besuchen.21 Das ist in Berlin und Hessen der Fall.22 Doch steht den nicht schulpflichtigen statuslosen Kindern dieses Schulbesuchsrecht auch in den anderen Ländern aufgrund des zumeist durch die jeweilige Landesverfassung gewährleisteten Rechts auf Bildung sowie nach Maßgabe völkerrechtlicher und supranationaler Normen zu.23
Bis vor wenigen Jahren waren Schulen und Schulbehörden nach § 87 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG a.F. verpflichtet, die Ausländerbehörde unverzüglich zu unterrichten, wenn sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis vom Aufenthalt eines Ausländers erlangten, der keinen erforderlichen Aufenthaltstitel besaß und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt war. Aus Angst vor Entdeckung riskierten es daher viele illegal in Deutschland lebende Eltern erst gar nicht, ihr Kind in der Schule anzumelden. Umgekehrt lehnten Schulleiter/-innen und Schulämter in nicht wenigen Fällen die Einschulung statusloser Kinder wegen Fehlens einer Meldebescheinigung ab, zumal sie fürchteten, dass sie sich andernfalls wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet strafbar machten. In dieser Hinsicht ist eine deutliche Verbesserung der Rechtslage zu verzeichnen: Seit Ende November 2011 sind die Schulen nicht mehr verpflichtet, die Ausländerbehörden davon zu unterrichten, dass statuslose Kinder und Jugendliche zu ihren Schülern zählen.24
Integration von Flüchtlingskindern
p> Es gibt verschiedene Verfahren zur Förderung der schulischen Integration von Flüchtlingskindern. So sind beispielsweise in Hessen Schüler/-innen nichtdeutscher Herkunftssprache zur Teilnahme am Unterricht einer Intensivklasse oder eines Intensivkurses, alternativ zur Teilnahme an einem Deutsch-Förderkurs verpflichtet.25
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Fußnoten:
1 Zumeist mit der lakonischen Formel „Es besteht allgemeine Schulpflicht": Art. 14 Abs. 1 bw Verf., Art. 129 Abs. 1 bay Verf., Art. 30 Abs. 1 bbg Verf., Art. 30 brem Verf., Art. 56 Abs. 1 Satz 1 hess Verf., Art. 15 Abs. 2 Satz 2 Verf. M-V, Art. 4 Abs. 2 Satz 1 nds Verf., Art. 8 Abs. 2 Satz 1 nrw Verf., Art. 102 Abs. 1 Satz 2 sächs Verf., Art. 25 Abs. 2 Verf. LSA, Art. 8 Abs. 1 sh Verf., Art. 23 Abs. 1 thür Verf.
2 Bejahend Helmut Fetzer, Die Zulässigkeit der Schulpflicht nach Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz, RdJB 1993, 91; Rolf Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz. Kommentar (2. Aufl., 2004), Art. 7 Rn. 27; Hasso Hofmann, Grundrechte und Grundpflichten, HdbStR IX, § 195 Rn. 21; Josef Isensee, Die verdrängten Grundpflichten des Bürgers – Ein grundgesetzliches Interpretationsvakuum –, DÖV 1982, 609 (617 f.); verneinend Guy Beaucamp, Dürfte ein Bundesland die Schulpflicht abschaffen?, DVBl. 2009, 220; Frauke Brosius-Gersdorf, in: Dreier, Grundgesetz. Kommentar (3. Aufl., 2013), Art. 7 Rn. 35; Rolf Stober. Grundpflichten und Grundgesetz, Berlin 1979, S. 37 ff.; Hinnerk Wißmann, in: Bonner Kommentar, Art. 7-III Rn. 81; zweifelnd Markus Thiel, in: Sachs, Grundgesetz. Kommentar, Art. 7 Rn. 12 ff.
3 Fetzer (Fn. 5), S. 94.
4 BVerfG, RdJB 1993, 113; vgl. auch BVerfG, NVwZ 2003, 1113 und FamRZ 2006, 1094.
5 BVerwG, RdJB 1993, 113 m. Anm. von Friedhelm Hufen, JuS 1993, 156. S. auch BVerwGE 94, 82 (84): „Damit der Staat seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag … wirksam und umfassend wahrnehmen kann, darf er eine allgemeine Schulpflicht einführen …“ Siehe auch die beiden Urteile des BVerwG vom 11.9.2013 (BVerwGE 147, 362 [366] und NJW 2014, 804 [806]): Der Staat könne seinem umfassend zu verstehenden Bildungs- und Erziehungsauftrag in der Schule, die eine für das Gemeinwesen unerlässliche Integrationsfunktion zu erfüllen habe, „nicht gerecht werden, ohne eine allgemeine Schulpflicht einzuführen, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit daher außer Frage steht“.
6 Fetzer (Fn. 5), S. 94 f.; ähnlich Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz. Kommentar (2. Aufl., 2004), Art. 7 Rn. 27. Andere Autoren leiten die bundesverfassungsrechtlich begründete Schulpflicht aus Art. 7 Abs. 5 GG ab, wonach eine private Volksschule auf Antrag der Erziehungsberechtigten zuzulassen ist, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. So Isensee (Fn. 5), S. 617 f., und ihm folgend Hofmann (Fn. 5), Rn. 21.
7 BVerwG, RdJB 1993, 113 (114).
8 §§ 72 ff. bw SchG, Art. 35 ff. BayEUG, §§ 41 ff. bln SchulG, §§ 36 ff. BbgSchulG, §§ 52 ff. BremSchulG, §§ 37 ff. HmbSG, §§ 56 ff. HSchG, §§ 41 ff. SchulG M-V, §§ 63 ff. NSchG, §§ 34 ff. nrw SchulG, §§ 56 ff. rp SchulG, § 26 ff. sächs SchulG, §§ 36 ff. SchulG LSA; §§ 20 ff. sh SchulG, § 17 ff. ThürSchulG (alle mit ergänzenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die u.a. Einschulungsverfahren, Schulreifetests, Früheinschulung, Zurückstellung, Sprachstandsfeststellungen betreffen).
9 Vgl. BVerfGE 34, 165 (187).
10 In einigen Ländern von einem noch früheren Zeitpunkt an.
11 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Schulpflicht für Volljährige bezweifelt Wolfram Höfling, Berufsschulpflicht für Erwachsene? – Eine verfassungsrechtliche Anfrage, NVwZ 1985, 550: Wenn das Elternrecht mit der Volljährigkeit des Kindes ende, erscheine es systemwidrig, dem Staat weiterhin ein Erziehungsmandat zuzubilligen; so auch Rux/Niehues, Schulrecht, Rn. 170 ff. Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, dass dem Staat gegenüber Volljährigen in der Berufsschule zwar kein Erziehungsauftrag mehr zusteht, dass die Berufsschulpflicht aber an das auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten bezogene Ausbildungsziel gekoppelt sein kann. So Friedhelm Hufen, Der verfassungsrechtliche Rahmen des Berufsbildungsrechts nach dem Grundgesetz, RdJB 2003, 58 (66); vgl. auch Horst Mirbach, Berufsschulpflicht für Volljährige – verfassungswidrig?, RdJB 2002, 434 (440 ff.).
12 Hofmann (Fn. 5), Rn. 40.
13 Dazu Roman Lehner, „Bildungswege für junge Flüchtlinge in Deutschland"– Eine Problemskizze, RdJB 2016, 121; Barbara Weiser, Recht auf Bildung für Flüchtlinge. Rahmenbedingungen des Zugangs zu Bildungsangeboten für Asylsuchende, Flüchtlinge und Migranten mit Duldung (schulische oder berufliche Aus- und Weiterbildung), Beilage zum ASYLMAGAZIN 2013, Heft 11; Mercator-Institutfür Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache/Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln (Hrsg.), Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche im deutschen Schulsystem. Bestandsaufnahme und Empfehlungen, Köln 2015; Robert Bosch Stiftung GmbH (Hrsg.), Themendossier Zugang zu Bildungseinrichtungen für Flüchtlinge: Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen, Stuttgart 2015. Zur Einbeziehung ausländischer Kinder und Jugendlicher in die Schulpflicht grundlegend Christine Langenfeld, Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten. Eine Untersuchung am Beispiel des allgemeinbildenden Schulwesens in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 2001, S. 39 ff. – Zum Asylverfahren und zu den je nach Entscheidung über den Asylantrag unterschiedlichen Folgen für den Rechtsstatus von Flüchtlingen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.), Ablauf des deutschen Asylverfahrens. Ein Überblick über die einzelnen Verfahrensschritte und rechtlichen Grundlagen, Nürnberg 2016. Dazu auch Andreas Heusch/Nicola Haderlein/Klaus Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, München 2016.
14 Ein Asylantrag gilt nach § 14a Abs. 1 AsylG auch als für jedes minderjährige ledige Kind des Ausländers gestellt. Unbegleitete Minderjährige, die irregulär in das Bundesgebiet eingereist sind, können selbst keinen Asylantrag stellen, da sie mangels Volljährigkeit nicht über die gemäß § 12 Abs. 1 AsylG zur Vornahme von Verfahrenshandlungen erforderliche Handlungsfähigkeit verfügen. Sie werden von der Polizei dem örtlich zuständigen Jugendamt übergeben, das sie nach § 42 SGB VIII in Obhut nimmt. Das Jugendamt stellt in einem Klärungsverfahren u.a. das Alter des Flüchtlings fest und veranlasst ggf. beim Familiengericht die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers, der den Asylantrag für den unbegleiteten Minderjährigen stellt.
15 § 72 Abs. 1 Satz 3 bw SchG: ab sechs Monaten nach dem Zuzug aus dem Ausland; Art. 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayEUG: ab drei Monaten nach Zuzug; § 41 Abs. 2 bln SchulG; § 36 Abs. 2 BbgSchulG; § 46 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 hess VO zur Gestaltung des Schulverhältnisses vom 19.8.2011 (ABl. S. 546), zul.g.d. VO vom 29.4.2014 (ABl. S. 234): ab Zuweisung zu einer Gebietskörperschaft; § 34 Abs. 6 Satz 1 nrw SchulG: ab Zuweisung zu einer Gemeinde; § 56 Abs. 2 Satz 1 rp SchulG: ab Zuweisung zu einer Gemeinde; § 1 Abs. 1 Satz 2 saarl SchPflG, § 17 Abs. 1 Satz 2 ThürSchulG: ab drei Monaten nach Zuzug.
16 § 52 BremSchulG (Wohnung), § 37 Abs. 1 HmbSG (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt), § 41 Abs. 1 SchulG M-V (gewöhnlicher Aufenthalt), § 63 Abs. 1 NSchG (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt), § 26 Abs. 1 Satz 1 sächs SchulG (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt), § 36 Abs. 1 SchulG LSA (Wohnung), § 20 Abs. 1 Satz 1 sh SchulG (Wohnung). – „Wohnung“ ist nach § 20 Bundesmeldegesetz jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird; darunter fällt auch die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft. Einen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hat nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Nach der zutreffenden Auffassung des VGH München ist von einem gewöhnlichen Aufenthalt im schulrechtlichen Sinne auszugehen, wenn zum Zeitpunkt des Schulbesuchs eine Beschulung des Kindes für einen sinnvollen Zeitraum möglich erscheint; davon wird im Allgemeinen auszugehen sein, wenn es hinreichend wahrscheinlich ist, dass das betroffene Kind das kommende Schuljahr durchlaufen kann (Urteil vom 23.7.2002, BayVBl 2003, 116). Demnach unterliegen auch in Sachsen junge Asylsuchende schon wegen des gewöhnlichen Aufenthalts im Lande der Schulpflicht. Umso mehr verwundert es, dass nach Abschnitt I. 1.1 Satz 4 der VV zum Unterricht für ausländische Schüler an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen im Freistaat Sachsen vom 6.3.1992 (MBl. S. 25), zul.g.d.VV. vom 7.8.2003 (MBl. S.146) für Kinder von Asylbewerbern/-innen nur ein Recht auf Schulbildung bestehen soll. Widersprüchlich auch Nr. 2.2 des RdErl. des Kultusministeriums LSA über die Beschulung von Kindern deutscher Spätaussiedler/-innen sowie ausländischer Bürger/-innen vom 26.7.2001 (SVBl. S. 250): Danach unterliegen zwar Kinder ausländischer Bürger/-innen der Schulpflicht, nicht aber die Kinder von Asylbewerber/-innen; diese sind allerdings nach Nr. 2.2 des RdErl. auf Antrag der Erziehungsberechtigten an einer Schule aufzunehmen.
17 Einem jugendlichen Ausländer, der geduldet ist, kann im Übrigen unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis für eine Berufsausbildung erteilt werden (s. im Einzelnen § 18a AufenthG).
18 § 72 Abs. 1 Satz 3 bw SchG, Art. 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BayEUG, § 41 Abs. 2 bln SchulG, § 36 Abs. 2 BbgSchulG, § 46 Abs. 1 Satz 1 hess VO zur Gestaltung des Schulverhältnisses, § 34 Abs. 6 Satz 2 nrw SchulG, § 56 Abs. 2 Satz 2 rp SchulG, § 1 Satz 2 saarl SchPflG, § 17 Abs. 1 Satz 2 ThürSchulG.
19 So z.B. Nr 1 Satz 5 hmb Richtlinie für den Umgang mit Schulpflichtverletzungen vom 23.4.2013 (MBlSchul 2013, S. 28); Nr. 5 Satz 1 VV über die Beschulung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache in Mecklenburg-Vorpommern vom 31.8.2016; Nr. 3.1.1 RdErl. des nds. Kultusministeriums vom 1.12.2016 (SVBl. S. 705); Nr. 2.1 RdErl des Kultusministeriums LSA über die Beschulung von Kindern deutscher Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie ausländischer Bürgerinnen und Bürger vom 26.7.2001 (SVBl. S. 250).
20 § 72 Abs. 1 Satz 3 bw SchG, Art. 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayEUG, § 34 Abs. 6 Satz 2 nrw SchulG, § 56 Abs. 2 Satz 2 rp SchulG, § 1 Abs. 1 Satz 3 saarl SchPflG.
21 Zu Schulpflicht und Schulbesuchsrecht statusloser Kinder im Blick auf die Rechtslage im Jahr 2010 Felix Hanschmann, Unsichtbare Kinder – Der zynische Ausschluss nicht dokumentierter Kinder und Jugendlicher vom staatlichen Schulwesen, RdJB 2010, 80.
22 Abschnitt II.9 Abs. 1 Satz 3 bln AV Schulbesuchspflicht vom 19.11.2014 (ABl. S. 2235); § 46 Abs. 3 hess VO zur Gestaltung des Schulverhältnisses.
23 Nach Art. 28 UN-Kinderrechtskonvention, Art. 2 Satz 1 Zusatzprotokoll zur EMRK, wonach niemandem das Recht auf Bildung verwehrt werden darf, oder nach Art. 14 Abs. 2 AufnahmeRL – Richtlinie 2013/33/EU: „Die Mitgliedstaaten gestatten minderjährigen Kindern von Antragstellern und minderjährigen Antragstellern in ähnlicher Weise wie den Staatsangehörigen den Zugang zum Bildungssystem, solange keine Ausweisungsmaßnahme gegen sie selbst oder ihre Eltern vollstreckt wird.“
24 Nach § 87 Abs. 1 und 2 AufenthG i.d.F.d.G vom 26.11.2011 (BGBl. I S. 2258) sind Schulen sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen von der Meldepflicht ausgenommen.
25 §§ 45 ff. hess VO zur Gestaltung des Schulverhältnisses. S. auch die Übersicht zu den unterschiedlichen schulorganisatorischen Modellen der Unterrichtsorganisation für nach Deutschland zugewanderte Kinder und Jugendliche in: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache/Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln (Hrsg.), (Fn. 16), S. 43 ff.