Stimme
Recht & Verwaltung13 Juni, 2023

Die Stimme als akustische Visitenkarte von Jurist:innen

von Ute Bolz-Fischer M.A., Stimmbildnerin und Stimmcoach

Wer als AnwältIn arbeitet, weiß, dass das Vertrauen von MandantInnen ein hohes Gut ist. Es zu gewinnen, zählt zu den Hauptaufgaben von BerufsträgerInnen. Dafür gibt es kein Patentrezept. Doch ein entscheidendes Instrument dafür ist die Stimme, auch wenn sie als Gamechanger oft unbemerkt bleibt. Der Trackrecord der Stimme ist unsichtbar – deshalb wird die Arbeit mit ihr oft vernachlässigt. Doch AnwältInnen leben davon, dass sie einen nachhaltigen Eindruck bei ihren MandantInnen, KollegInnen, GeschäftspartnerInnen und in Verhandlungen hinterlassen. Wer als engagiert, durchsetzungsstark und kompetent wahrgenommen wird, dem traut man eine erstklassige Vertretung der eigenen Interessen zu. Auch Sympathie spielt eine große Rolle, wenn es um Mandatsvergabe geht – selbst im B2B- Kontext gehen derartige Entscheidungen immer mit einem Bauchgefühl einher. Schließlich können Rat- oder Vertretung Suchende rein juristisches Know-how selten beurteilen. Entscheidend ist meist der erste Eindruck, der dieses Bauchgefühl maßgeblich prägt.

Die Rolle der Stimme

Um diesen ersten Eindruck möglichst positiv und professionell ausfallen zu lassen, wird unter AnwältInnen bereits einiges getan. Die Einrichtung der Kanzleiräumlichkeiten und auch der Dresscode in der Branche werden davon bestimmt, eine gute Außenwirkung zu erzielen. Darüber hinaus ist es jedoch häufig die Stimme, die darüber entscheidet, wie man wahrgenommen wird. Dieses Faktum machen sich Verantwortliche jedoch selten bewusst.

Menschen, die tief und langsam sprechen, wirken häufig ein wenig zu gemütlich und träge, um einen engagierten und kompetenten Eindruck zu hinterlassen. Wer jedoch im Gegensatz dazu zu hoch, zu schnell und mit schrillem Unterton spricht, wird als nervös, fahrig, unkonzentriert und nicht kompetent wahrgenommen.

Die Stimme zahlt also massiv darauf ein, welchen ersten Eindruck das Gegenüber von einem Menschen bekommt. Stimmliche Probleme werden häufig nicht rational, wohl aber auf einer unbewussten Ebene erfasst – und bewertet. Dabei gibt es viele Problemstellungen, die auftreten können.

Die Stimme im Digitalen

Besonders in der Zeit seit der Corona-Pandemie haben digitale Kommunikationsformen an Bedeutung gewonnen. Durch sie ist auch das Gewicht einer guten und trainierten Sprechstimme gestiegen. Der Grund dafür liegt in der digitalen Übertragung des Stimmklangs: Er muss zum „Transport“ komprimiert werden. Das bedeutet, dass obere und untere Klangfrequenzen gleichermaßen abgeschnitten werden. Nur mittlere Frequenzen werden davon verschont. Was in seiner technischen Formulierung so nüchtern daherkommt, bedeutet für Zuhörende auf der anderen Seite der Leitung: Eine Stimme, die klangvoll und ausgebildet ist, kommt auch gut an, aber jedes stimmliche Problem wird durch die technische Übertragung verstärkt.

Der optimale Stimmgebrauch

Stimmliche Herausforderungen reichen von einfachen Ermüdungserscheinungen am Ende eines langen Arbeitstags, die sich in Räuspern und Heiserkeit äußern, bis hin zu gravierenden Problemen wie Lispeln oder Stottern. Dazwischen gibt es vielfältige Nuancen von einer Fistel- oder Reibeisenstimme bis hin zum gelegentlichen Frosch im Hals. Je nach Problemstellung braucht es mehr oder weniger Training, um sie in den Griff zu bekommen. Mit der richtigen Herangehensweise können sie aber alle in Schach gehalten werden. Die Stimme ist wie ein Muskel trainierbar. Niemand muss sich mit stimmlichen Problemen einfach so abfinden.

Die gute Nachricht ist, dass jeder Mensch zu Beginn seines Lebens genau „richtig“ schreit, vor sich hinbrabbelt und ab einem gewissen Zeitpunkt auch spricht. Die optimale Stimmlage ist dem Menschen angeboren, wird aber im Laufe des Lebens durch kulturelle Formung und ungünstige Angewohnheiten sozusagen „verlernt“. Ziel jeder Arbeit mit der Stimme ist es also, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen und die sogenannte Indifferenzlage oder Wohlfühllage der Stimme herauszuarbeiten.

Diese Indifferenzlage ist jedem Menschen eigen und unverwechselbar. So ist zu erklären, warum man beispielsweise die Synchronstimmen von Leonardo DiCaprio oder Julia Roberts auch dann erkennt, wenn sie als Stimmen anderer Schauspieler über die Lautsprecherboxen des Kinos übertragen werden. Oder warum der Lieblingsmoderator schon beim Anschalten des Empfängers sofort identifiziert werden kann. Diese Unverwechselbarkeit, die mit dem Eindruck von Authentizität einhergeht, können sich AnwältInnen im Umgang mit MandantInnen zunutze machen. Sie dient sozusagen als akustische Visitenkarte im Arbeitsalltag. Sie wie einen Schatz zu heben, bedarf der Arbeit mit der Stimme und des gezielten Trainings.

In der Atmung liegt die Kraft

Guter Umgang mit der eigenen Stimme beginnt weit vor dem gesprochenen Wort und setzt schon bei der Atmung an. Die meisten Menschen atmen oberflächlich in den Brustkorb. Im schlimmsten Fall ziehen sie die Schultern dabei hoch. Vorteilhafter ist die tiefe Bauchatmung, die Luft bis weit in den Körper hineinströmen lässt. Diese Art zu atmen hat zur Folge, dass die Energie zum Sprechen nicht mehr aus dem Hals- und Rachenraum kommt. Dadurch wirkt man Heiserkeit und Ermüdungserscheinungen der Stimme sowie schlechtem Stimmklang entgegen. Die so gewonnene Kraft lässt die Stimmbänder frei schwingen und verursacht Weite im Rachenraum, was die Klangproduktion fördert. Tiefe Bauchatmung erschließt darüber hinaus Resonanzräume im Körper, die den Klang der Stimme tragen und eine gewisse Mühelosigkeit produzieren. Daraus folgt außerdem eine bessere Kontrolle über die Lautstärke beim Sprechen, die vielen Menschen schwerfällt.

Durch Stimmbildung zur klangvollen Stimme

In den wenigsten Fällen reicht jedoch das Verändern der Atmung aus, um stimmliche Defizite zu eliminieren. Der effektivste Weg zu einer Premium- Stimme ist die Arbeit mit gesungenen Tönen. Das mag für viele AnwältInnen auf den ersten Blick merkwürdig wirken. Es gibt jedoch einen guten Grund für die Wahl dieses Mittels: Durch das Singen von Tönen werden Muskeln trainiert und Verhaltensweisen einstudiert, was sich beim Sprechen hörbar auswirkt. Durch Gesang wird die Stimme klangvoller, authentischer und differenzierter.

Wer dem Gesang mit Vorbehalten gegenübersteht, dem seien noch folgende Informationen an die Hand gegeben:

Singen hat aktive Entspannung zur Folge. Durch Gesang wird im menschlichen Körper das Glückshormon Oxytocin ausgeschüttet. Oxytocin eliminiert das Stresshormon Kortisol im Körper. Kurz gesagt: Singen macht glücklich und wirkt entspannend – ein großer Benefit im stressigen Arbeitsalltag von AnwältInnen.

Die Stimme hilft AnwältInnen zu größerem Erfolg auf der Karriereleiter. Als Premium-Visitenkarte sollte sie zur Grundausstattung von JuristInnen gehören, um Kompetenz, Engagement und Selbstsicherheit auszustrahlen. So werden AnwältInnen zur Stimme ihrer MandantInnen.
Bildnachweis: InputUX/stock.adobe.com
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