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Recht & Verwaltung08 Juni, 2021

Der Sekundärmarkt für Security Token aus EU-Sicht

Rechtsanwalt Thomas Nägele, Vaduz*
Der Sekundärmarkt für Security Token ist aktuell im Entstehungsprozess. Eine grosse Rolle spielt dabei das Aufsichtsrecht. Beim Handel, der Abrechnung und Abwicklung von
Security Token durch den Einsatz von DLT-Systemen stellen sich aus aufsichtsrechtlicher Perspektive zahlreiche neue Fragen.

I. Einleitung

In den letzten Jahren haben sich sog. Security Token Offerings (STO) zunehmend als beliebte Methode der Kapitalbeschaffung erwiesen: Im Rahmen eines STO bieten Unternehmen interessierten Anlegern selbst erzeugte, digitale Token auf Blockchain-Systemen an, die mit bestimmten Rechten, z.B. einer Beteiligung am Unternehmensgewinn, verknüpft sind. Insoweit hat sich gezeigt, dass die der Tokenisierung zugrunde liegenden Distributed Ledger Technologien1 (DLT) gut für den Primärmarkt geeignet sind.

Allerdings hängt die Attraktivität von Security Token2 letztlich davon ab, ob diese auf einem funktionierenden Sekundärmarkt gegen herkömmliche oder virtuelle Währungen getauscht werden können. Da Security Token als Wertpapiere, und damit als Finanzinstrumente gemäss Anhang I, Abschnitt C MIFID-II3 gelten, unterliegen sie entsprechend dem EUweit harmonisierten Aufsichtsrecht denselben Regeln wie klassische Finanzinstrumente.4

Der regulatorische Rahmen rund um Wertpapieremission und Wertpapierhandel wurde allerdings lange vor der Entwicklung der DLT-Systeme für den traditionellen Finanzmarkt geschaffen. Für Security Token-Dienstleister sind diese Hürden meist zu hoch und mit Blick auf ihr Geschäftsmodell auch nicht angemessen. Eine positive Entwicklung der Security Token-Branche wäre jedoch sowohl im Sinne der Wirtschaft als auch der Anleger. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet daher sowohl den bestehenden Spielraum als auch möglichen Reformbedarf.

II. Technologische und aufsichtsrechtliche Grundlagen

1. Blockchain/Distributed Ledger Technologies
Der Begriff »Blockchain«5 wurde in Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin geprägt und steht für die Technologie, auf der diverse Kryptowährungen wie bspw. Bitcoin, Ether, Dash oder Litecoin basieren. Stark vereinfacht beschreibt Blockchain eine Kette von Blöcken, welche Transaktionsdaten enthalten. Dabei werden die Blöcke chronologisch nacheinander gereiht und mittels Prüfsumme des vorhergehenden Blockes verkettet.6 Damit eine Manipulation durch eine Minderheit möglichst ausgeschlossen wird, entsteht aus diesen Transaktionsdaten ein Hauptbuch, das von einer möglichst grossen Anzahl von Nutzern auf ihren jeweiligen Rechnern dezentral gespeichert wird (sog. verteiltes Hauptbuch, engl. Distributed Ledger). Die entsprechende Technologie wird als Distributed Ledger Technologies (DLT) bezeichnet. Die meistgenutzten7 Blockchains sind die Bitcoin-8 und Ethereum-9 (ETH – Ether/Ethereum) Blockchain.

2. Token
Aus technischer Sicht unterscheidet man bei den auf einer Blockchain gespeicherten digitalen Informationseinheiten zwischen Token und Coins.10 Coins11 sind dem Protokoll einer Blockchain inhärent.12 Ein Token liegt einem Blockchain-Protokoll nicht unmittelbar zugrunde, sondern kann relativ einfach und in beliebiger Anzahl mittels eines Smart Contracts erzeugt, verwaltet und über die zugrunde liegende Blockchain übertragen werden. Dabei kann die Person, die den Token erzeugt, dessen Ausgestaltung jeweils festlegen. Token können unterschiedlichste Funktionen haben.13

3. Smart Contract
Der Begriff »Smart Contracts« bezeichnet Computerprogramme bzw. einen Programmcode auf DLT-Systemen. Diese legen technisch über ihre Programmierung fest, welche Bedingungen für die Ausführung von Folgeaktivitäten erfüllt sein müssen und bewirken eine automatisierte Abfolge von Rechenschritten, die in einem dezentralen Netzwerk unveränderlich gespeichert werden.14 Smart Contracts funktionieren im Allgemeinen nach dem Prinzip: Wenn Bedingung A erfüllt ist, wird Operation B automatisch ausgeführt.15

4. Security Token
Aufsichtsrechtlich betrachtet, dienen Token als eine Art Container, die in der digitalen (Blockchain-)Welt eine Vielzahl an bestehenden Rechten repräsentieren können. In der aufsichtsrechtlichen Praxis habt sich – wie im Markt – eine Reihe von Token-Kategorien herausgebildet. Eine dieser Kategorien bezeichnet Wertpapier(ähnliche) Token (auch »Equity Token«, »Security Token«, »Investment Token« oder »Asset Token«):16 Inhabern solcher Token stehen mitgliedschaftliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche vermögenswerten Inhalts zu, die denen eines Aktieninhabers oder Inhabers eines Schuldtitels vergleichbar sind. Als Beispiel können Ansprüche auf dividendenähnliche Zahlungen, Mitbestimmung, Rückzahlungsansprüche oder Verzinsung dienen. Security Token stellen damit grundsätzlich Wertpapiere i.S.d. ProspektVO dar.

III. Die 3 Phasen des Sekundärmarktes

Sekundärmärkte sind alle börslichen und ausserbörslichen Märkte, die der Zirkulation von bereits emittierten Wertpapieren durch wiederholte Kauf- und Verkaufsvorgänge dienen. Die relevantesten Märkte sind nach wie vor die Börsen.17 Sie erfüllen wichtige volkswirtschaftliche Funktionen, indem sie Liquidität bereitstellen, der Kapitalbeschaffung dienen, die gehandelten Titel bewerten und als Konjunktur- und Branchenbarometer dienen.18 Üblicherweise läuft die Transaktion von Finanzinstrumenten über zentral organisierte Märkte, insbesondere Börsen, in drei Phasen ab:

• Phase 1: Abschluss des Geschäfts (Handel oder engl. »trading«)
• Phase 2: Abrechnung des Geschäfts (engl. »clearing«)
• Phase 3: Abwicklung (Belieferung) des Geschäfts (engl. »settlement«).19 

Zwischen Abschluss und Abwicklung vergehen bei Wertpapieren in der Regel drei Tage. Abrechnung und Belieferung werden zusammen auch als Nachhandels- (engl. post-trade-)Phase bezeichnet. Sie umfasst alle Aktivitäten zur Übertragung der Rechte aus der abgeschlossenen Transaktion.20 Wertpapiere werden zur Eigentumsübertragung nicht mehr physisch übergeben, sondern durch elektronische Kontobuchungen vollzogen.21

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Bildnachweis: bongkarn/stock.adobe.com

*Thomas Nägele, Mag. iur., LL.M., ist geschäftsführender Partner der NÄGELE Rechtsanwälte GmbH, Lehrbeauftragter der Universität Liechtenstein, Präsident der CRYPTO COUNTRY ASSOCIATION (CCA) e.V.,
Liechtenstein.

1 Distributed Ledger Technologies ist der Überbegriff für Technologien, welche verteilte Hauptbücher einsetzen. Das Hauptbuch (oder sonstige Informationen) werden dabei von einer Vielzahl von Parteien gehosted und die Daten abgeglichen, wobei Änderungen an den Daten aufgrund des verwendeten Konsensus Mechanismus bestätigt werden müssen; vgl. Lin JBLP 2019, 58 Fn. 6.
2 Bezogen auf die Sichtweise des Fürstentums Liechtenstein.
3 RL 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.05.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU Text von Bedeutung für den EWR, ABl. EG 2014/173, 349.
4 Daher sind z.B. bei öffentlichen Angeboten von solchen Token insb. die Prospektvorschriften zu prüfen. Vgl. schon Langer/Nägele IWB 2018, 1, 4.
5 Den Begriff »Blockchain« findet man im Bitcoin Whitepaper von 2008 nicht, dafür erklärt es die Funktionsweise des Systems als chain of blocks: Vgl. Nakamoto (Pseudonym), Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System (Nakamoto 2008), https://bitcoin.org/bitcoin.pdf [21.04.2021].
6 Langer/Nägele IWB 2018, 1.
7 Gemessen am Handelsvolumen; 24 Hour Volume Rankings (Currency) (coinmarketcap 24h volume), https://coinmarketcap.com/currencies/volume/24-hour/ [14.04.2020].
8 Vgl. Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 2020, https://bitcoin.org/en/bitcoin-paper [02.04.2020].
9 Vgl. Ethereum is a global, open-source platform for decentralized applications (ethereum.org), https://ethereum.org/ [14.04.2020].
10 Marek, Blockchain rules, 2019, Rn. 9.5.
11 Bekannteste Beispiele sind bitcoin und Ether.
12 Marek, Blockchain rules, 2019, Rn. 9.6.
13 Nägele, Sekundärmarkt für Security Token, 2020, S. 8.
14 Priska/Völkl, Blockchain rules, 2019, Rn. 5.1.
15 Priska/Völkl, Blockchain rules, 2019, Rn. 5.1.
16 BaFin-Merkblatt »Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, 6, GZ: WA 51-Wp 7100–2019/0011 und IF 1-AZB 1505–2019/0003.
17 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 2019, Rn. 74.
18 G. Leser/G. Leser/Habsburg-Lothringen, Finanzinstrumente – Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Fonds und Derivate im Überblick. inkl. virtuelle Währungssysteme (Blockchain, ICO, Bitcoin, Ethereum und andere Kryptowährungen), 2019, S. 7.
19 Schwark/Zimmer/Kumpan, Kapitalmarktrechts-Kommentar. Börsengesetz mit Börsenzulassungsverordnung, Wertpapierprospektgesetz, Wertpapierhandelsgesetz, Wertpapiererwerbs und Übernahmegesetz, 2019, § 21 BörsG Rn. 3.
20 Schwarz, Globaler Effektenhandel. Eine rechtstatsächliche und rechtsvergleichende Studie zu Risiken, Dogmatik und Einzelfragen des Trading, Clearing und Settlement bei nationalen und internationalen Wertpapiertransaktionen, 2016, S. 90.
21 Schwarz (s. Fn. 20), S. 29 f.

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