Projektphase_Bau
Recht & Verwaltung12 Juni, 2024

Effektives Anti-Claim-Management (Teil 2): Fokus auf Störungsmanagement

Kommt es bei einem Bauprojekt zu Verzögerungen, so ist ein wirksames Termin- und Störungsmanagement von großer besondere Bedeutung, um Ursachen und Verantwortlichkeiten zu bewerten und Bauzeitnachträge sachgerecht zu prüfen.

Analog zur Angebotskalkulation, die im Zuschlagsfall zur Auftragskalkulation wird und die der Auftragnehmer zunächst einmal nach eigenem Ermessen anlegen kann (Kalkulationsfreiheit!), besteht bei der Terminplanung für Auftragnehmer eine weitreichende Dispositionsfreiheit. Mit anderen Worten: Nach Vertrag ist der Auftragnehmer natürlich verpflichtet, die vereinbarten Termine (zumeist Beginn- und Fertigstellungstermin sowie ggf. einige Zwischentermine) einzuhalten.

Der Weg zur Erreichung der vereinbarten Termine ist dagegen (in der Regel) Sache des Auftragnehmers. Es liegt dabei in seinem Ermessen, mit welchem Bauverfahren (z.B. Ortbeton oder Fertigteile oder Halbfertigteile) oder mit welchem und wieviel Gerät und Personal er die Bauausführung betreibt, um die vereinbarten Terminziele zu erreichen.

Hieraus folgt, dass der Auftraggeber – außer den vereinbarten Terminen – ohne Weiteres keine Aufschlüsse über den vom Auftragnehmer geplanten Bauablauf, d.h. die Abfolge und Dauer der einzelnen Bauleistungen hat. Ohne Weiteres steht der Auftraggeber damit z.B. vor den praktischen Problemen, die Leistungserbringung des Auftragnehmers in den Kontext der Gesamtausführung „einzubetten“ oder den Auftragnehmer bezüglich seiner Leistungserbringung zu überwachen.

Frühzeitiger Aufklärungsbedarf

Aus der bauvertraglich angelegten Dispositionsfreit ergibt sich für den Auftraggeber im Sinne eines effizienten Anti-Claim-Managements auch in puncto Termine frühzeitiger Aufklärungsbedarf, um die Bauausführung insgesamt koordinieren und steuern sowie die Leistungserbringung des Auftragnehmers terminlich bewerten zu können, u.a.:

  • Wie kann die Leistungserbringung eines Auftragnehmers im Zusammenhang mit den Leistungserbringungen der übrigen Auftragnehmer so zusammengefügt werden, dass ein insgesamt abgestimmter Bauablauf erreicht wird?
  • Liegt der Auftragnehmer mit seiner Leistungserbringung „im Plan“, leistet der Auftragnehmer also termingerecht?
  • Existieren im Falle von (auftraggeberseitigen) Behinderungen Ausweichmöglichkeiten, die der Auftragnehmer zur Verhinderung von Stillständen nutzen kann bzw. muss?
  • Welche Terminfolgen ergeben sich aus (auftraggeberseitigen) Behinderungen für die vertragliche vereinbarten Termine?
  • Ab wann befindet sich der Auftragnehmer mit seiner Leistungserbringung in Verzug?

Ohne entsprechende vertragliche Regelungen, wird es einem Auftraggeber kaum gelingen, die für ihn wichtigen Informationen nach Vertragsschluss vom Auftragnehmer in der von ihm gewünschten Form zu erhalten.

Übergabe eines Detailterminplans

Im Sinne des präventiven Anti-Claim-Managements ist der Auftraggeber deshalb gut beraten, vertraglich zu vereinbaren, dass nach Vertragsschluss vom Auftragnehmer eine aussagekräftige Terminplanung übergeben wird, aus der der Weg zur Erreichung der vertraglich vereinbarten Termine nachvollziehbar wird (Übergabe Detailterminplan).

Dieser Detailterminplan kann auftraggeberseitig dann, sowohl für die Erarbeitung eines Gesamtterminplans verwendet wird, als auch für die Überwachung der Bauausführung und die Fortschreibung der vertraglich vereinbarten Termine nach auftraggeberseitigen Behinderungen.

Letztgenannte Maßnahmen sind dem proaktiven Anti-Claim-Management zuzuordnen, das es dem Auftraggeber ermöglicht, während der Bauausführung in Terminangelegenheiten den Überblick zu behalten und im Falle von Bauablaufverzögerungen die richtigen Schlüsse zu ziehen und Maßnahmen zu ergreifen. Im Bereich Termin- und Störungsmanagement umfasst das proaktiven Anti-Claim-Managements damit folgende Einzelmaßnahmen:

  • Kontinuierlicher (z.B. monatlicher) Abgleich des tatsächlichen Bauablaufes (Ist-Bauablauf) mit dem Detailterminplan (Soll-Ablauf) zur Feststellung von Soll-Ist-Abweichungen (Verzögerungen).
  • Analyse eingetretener Verzögerungen hinsichtlich Ursachen und Verantwortlichkeiten, also: Ist die Verzögerung auf auftragnehmerseitige Leistungsdefizite oder auftraggeberseitige Behinderungen zurückzuführen?
  • Bei auftragnehmerseitigen Leistungsdefiziten: Ggf. Abhilfeaufforderung gem. § 5 Abs. 3 VOB/B.
  • Bei auftraggeberseitigen Behinderungen: Behinderungsbedingte Fortschreibung der vertraglich vereinbarten Termine gem. § 6 Abs. 4 VOB/B.
  • ei einer vom Auftragnehmer zu verantwortenden Überschreitung eines Vertragstermins: Inverzugsetzung als notwendige, vertragliche Voraussetzung zur Durchsetzung von Verzugsansprüchen (Vertragsstrafe, Schadensersatz, Kündigung).

Mit einem proaktiven Termin- und Störungsmanagement lassen sich, die in der Praxis häufig anzutreffenden Situationen vermeiden, in denen die vereinbarten Termine überschritten sind, während sich Auftraggeber und Auftragnehmer gegenseitig die „Schuld“ für die Verzögerungen und Terminüberschreitungen geben, ohne dass dafür jeweils eine sachgerechte und nachvollziehbare Erklärung im Sinne der obigen Prinzipien geliefert würde.

Fazit

Am Beispiel des Termin- und Störungsmanagements zeigt der Beitrag auf, wie ein effektives Anti-Claim-Management umgesetzt werden kann. Dabei spielen sowohl ein Präventives, als auch ein Proaktives Anti-Claim-Management eine wichtige Rolle.

 

Prof. Dr.-Ing. Thomas Sindermann

Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Baupreisermittlung und Abrechnung im Hoch- und Ingenieurbau sowie Bauablaufstörungen (IHK zu Köln)
Professur für Bauprojektmanagement an der IU -Internationale Hochschule

www.sindermann-baubetrieb.de
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