Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online
Recht & Verwaltung14 Juni, 2023
BGH: Kein Verlust von Schadensersatzansprüchen durch formularmäßige Abtretungsklausel
Die bei einem Verbund eines Kaufvertrags mit einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank enthaltene Bestimmung "Abtretung von sonstigen Ansprüchen der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an den Darlehensgeber ab, (der) diese Abtretung annimmt: - gegen die … (Verkäuferin) gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die … (Verkäuferin). Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen." unterliegt der Inhaltskontrolle und ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam. Diese Klausel verstößt gegen § 361 Abs. 2 S. 1, § 355 Abs. 3 S. 1, § 358 Abs. 4 S. 5 BGB.
Sachverhalt
Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin aufgrund der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Dieselfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.Im März 2019 erwarb der Kläger von der Beklagten als Verkäuferin auf Vermittlung eines Händlers einen Mercedes GLC 250 zu einem Kaufpreis von 55.335,89 Euro als Neuwagen. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse: EURO 6c) ausgerüstet. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 9.140 Euro an die Beklagte. Den Kaufpreis finanzierte er außerdem in Höhe von 46.195,89 Euro teilweise noch valutierend bei der Mercedes-Benz Bank, der Darlehensgeberin. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsinformation beigefügt, wonach es sich bei dem Kaufvertrag über das Fahrzeug um einen verbundenen Vertrag handelt. Dem Darlehensvertrag lagen zudem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Darlehensgeberin zugrunde. Dort hieß es unter anderem:
"Abtretung von sonstigen Ansprüchen
Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an den Darlehensgeber ab, (der) diese Abtretung annimmt:
- gegen die … (Verkäuferin) gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die … (Verkäuferin). Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen."
Der Kläger hat die beklagte Fahrzeugherstellerin in den Vorinstanzen unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag und unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs auf Zahlung nebst Verzugszinsen an sich sowie auf Freistellung von restlichen Darlehensraten Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Anwartschaftsrechts auf Rückübereignung des Fahrzeugs in Anspruch genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, und das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlich gestellten Anträge weiter, insofern er sie auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.
Begründung
Mit dem vorliegenden Urteil vom 24.04.2023 - VIa ZR 1517/22 - hat der BGH zur Wirksamkeit einer Abtretungsklausel in einem Dieselverfahren Stellung genommen, bei dem der Fahrzeugkauf finanziert worden war.Der BGH hat entschieden, dass die vereinbarte Sicherungsabtretung aller Ansprüche gegen die Fahrzeugherstellerin mit Ausnahme etwaiger Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag einer Inhaltskontrolle nicht standhält und unwirksam ist. Nach Auffassung des BGH ist der Kläger hier aktivlegitimiert und kann daher seine Ansprüche geltend machen.
Bei der Sicherungsabtretung von Ansprüchen gegen die beklagte Fahrzeugherstellerin "gleich aus welchem Rechtsgrund" handelt es sich um eine vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung, die Bestandteil des Darlehensvertrags geworden ist. Diese Allgemeine Geschäftsbedingung unterliegt auch der Inhaltskontrolle.
Nach Auffassung des BGH hält die Abtretungsklausel jedoch einer Inhaltskontrolle nicht stand, da sie zulasten des Klägers als Verbraucher und Vertragspartner zweier verbundener Verträge von einseitig zwingenden Vorschriften abweicht.
Aus dem Darlehensvertrag ergibt sich nach Ansicht des BGH, dass der Kaufvertrag und Darlehensvertrag verbundene Verträge sind.
Nach Überzeugung des BGH verstößt die Klausel gegen § 361 Abs. 2 S. 1, § 355 Abs. 3 S. 1, § 358 Abs. 4 S. 5 BGB.
Gemäß § 361 Abs. 2 S. 1 BGB darf von den Vorschriften des Untertitels 2 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen des Titels 5 des Buchs 2 Abschnitt 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht zum Nachteil des Verbrauchers, also des Klägers, abgewichen werden. Nach Auffassung des BGH weicht die Abtretungsklausel jedoch von diesen (halb-) zwingenden gesetzlichen Vorgaben ab.
Praktische Bedeutung
Der BGH hat in diesem Urteil klargestellt, dass die formularmäßige Abtretung von Ansprüchen des Käufers an die Finanzierungsbank in einem Dieselverfahren unwirksam sein kann. Damit hat er die Rechte betroffener Fahrzeugkäufer und Darlehensnehmer gestärkt.Nach Auffassung des BGH führte nämlich die Abtretungsklausel in Fällen, in denen die Fahrzeugherstellerin als Verkäuferin den Kaufpreis vereinnahmt hat, das Widerrufsrecht aber noch fortbesteht und vom Käufer und Darlehensnehmer später ausgeübt wird, dazu, dass der Käufer und Darlehensnehmer entgegen § 358 Abs. 4 S. 5 BGB eine von ihm aus eigenen Mitteln erbrachte Anzahlung auch dann nicht einredefrei herausverlangen oder mit einem Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung auch dann nicht gegen einen Anspruch des Darlehensgebers auf Wertersatz aufrechnen kann, wenn er seiner Vorleistungspflicht genügt hat. Daher entspricht die Klausel nach Überzeugung des BGH nicht den genannten gesetzlichen Vorgaben.
Rechercheplattform
Wolters Kluwer Online
Zugriff auf über eine Million täglich aktualisierte Entscheidungen und die umfassende Datenbank mit dem gesamten verfügbaren EU- und Bundesrecht von Wolters Kluwer.
Bildnachweis: Blackosaka/stock.adobe.com