Zum Sachverhalt
Die Parteien stritten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die von ihm an der Universität ausgeschriebene Stelle mit dem Kläger zu besetzen. Der schwerbehinderte Kläger war zunächst seit 2010 auf der Grundlage von sieben befristeten Arbeitsverträgen bei dem Universitätsklinikum beschäftigt. Seit dem 01.04.2016 ist er auf der Grundlage von zwei befristeten Arbeitsverträgen mit dem Beklagten bei der Universität beschäftigt.
Im Januar 2022 schrieb der Beklagte eine Stelle für einen technischen Assistenten an der Universität aus. Danach war die Stelle für zwei Jahre befristet mit der Option auf eine Vertragsverlängerung. Der Kläger bewarb sich auf diese Stelle. Die Personalabteilung lehnte den Antrag ab, aufgrund der Vorbeschäftigungszeiten sei ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis an der Universität nicht mehr zumutbar.
Der Kläger meint, sein Anspruch auf die begehrte Stelle folge aus Art. 33 Abs. 2 GG. Er sei der am besten geeignete Bewerber. Dem Beklagten sei es verwehrt, sich auf die lange Dauer der bereits erfolgten Befristungen zu berufen. Er könne nicht mit Erfolg geltend machen, das Arbeitsverhältnis mit ihm könne möglicherweise nicht mehr wirksam befristet werden, weil eine solche Kettenbefristung wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam sein könne.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Zur Entscheidung:
Das BAG stellt heraus, dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, die Stelle einer technischen Assistenz mit dem Kläger zu besetzen.Nach Art. 33 Abs. 2 GG habe jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Daraus folge ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl für jedes öffentliche Amt (sogenannter Bewerbungsverfahrensanspruch). Zu den öffentlichen Ämtern i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG zählten nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtige.
Öffentliche Arbeitgeber hätten im Rahmen ihrer Organisationsgewalt diejenigen Vorentscheidungen zu treffen, die zur Existenz eines öffentlichen Amtes führen. Es bestehe dabei aber kein subjektives Recht auf Ausbringung einer bestimmten Planstelle. Der Dienstherr entscheide vielmehr nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten. Die Entscheidung, eine ausgeschriebene Stelle nur befristet zu besetzen, sei dabei Teil der dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsentscheidung.
Das gelte auch für die Entscheidung, Bewerber vom Auswahlverfahren auszuschließen, bei denen eine weitere Sachgrundbefristung wegen der Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge und/oder der Anzahl der Verlängerungen nach der Rechtsprechung des BAG die Gefahr eines institutionellen Rechtsmissbrauchs begründe. Öffentliche Arbeitgeber seien nicht verpflichtet, ihr Organisationsermessen in einer Weise auszuüben, die sie dem Vorwurf des institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzten.
Da vorliegend das LAG zutreffend davon ausgegangen sei, dass für den Fall einer weiteren Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers für zwei Jahre die naheliegende Möglichkeit bestehe, dass diese Befristung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein könnte, und der Beklagte die Entscheidung getroffen habe, nur Bewerber zu berücksichtigen, bei denen nicht diese naheliegende Möglichkeit bestehe, erfülle der Kläger die Voraussetzungen für seine Einbeziehung in den Bewerberkreis nicht.
Praktische Bedeutung:
- Der Personenkreis, bei dem im Falle einer weiteren Befristung die naheliegende Möglichkeit des Rechtsmissbrauchs besteht, ist nach der Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge bzw. der Anzahl der Verlängerungen nach der Rechtsprechung des BAG eindeutig abgrenzbar (vgl. BAG 23.05.2018 - 7 AZR 16/17 - Rn. 31; BAG 26.10.2016 - 7 AZR 135/15 - Rn. 26).
- Wären öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, Bewerber aus diesem Kreis in die Auswahl für eine befristete Stelle einzubeziehen, müssten sie sich dem klar erkennbaren Risiko aussetzen, institutionell rechtsmissbräuchlich zu handeln, mit der Folge, dass die eigentlich wirksame Sachgrundbefristung unwirksam wäre.
- Mit vorstehendem Urteil hat das BAG klargestellt, dass die Entscheidung eines öffentlichen Arbeitgebers, nur Bewerber in die Auswahl für eine befristet zu besetzende Stelle einzubeziehen, bei denen nicht die naheliegende Möglichkeit besteht, dass eine weitere Sachgrundbefristung des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs erfüllt, rechtens ist. Dies sorgt für Anwendungssicherheit in der Personalpraxis.
Quelle: BAG, Urteil vom 29. Februar 2024 - 8 AZR 187/23
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