Autor: Professor Franz Josef Düwell
Videoverhandlungen und die weitere Digitalisierung der Justiz - Mitte Juli 2024 sind wichtige Änderungen des ArbGG in Kraft getreten.
Professor Franz Josef Düwell
Die Voll-Digitalisierung hat die Justiz erreicht. Mitte Juli 2024 sind in Kraft getreten:
- das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom 12. Juli 2024 und
- das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vom 15. Juli 2024.
Beide Gesetze erfassen ohne Übergangsfrist auch die Verfahren in allen Rechtszügen der Arbeitsgerichtsbarkeit. Die letzten, bisher der Papierform vorbehaltenen analogen Inseln im Urteils- und Beschlussverfahren sind „geflutet“. Wer künftig als Beistand oder Prozessvertretung vor den Gerichten für Arbeitssachen erfolgreich auftreten oder Arbeitsvertragsparteien bei der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte beraten will, muss sich mit der Digitalisierung des ArbGG vertraut machen. Sonst droht ihm, wie Bob Dylon in seinem Welthit „The Times They Are A-Changin'“ singt, „…ihr werdet wie ein Stein sinken.“
Besonderheiten bei Videoverhandlungen
Einen Schwerpunkt bilden die eigenständigen Regeln der neuen arbeitsgerichtlichen Videoverhandlung. Diese löst die vordem nach Maßgabe der ZPO zugelassene Bild- und Tonübertragung ab. Eine Videoverhandlung liegt danach vor, wenn „mindestens“ ein Verfahrensbeteiligter an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung teilnimmt. Diese Definition der Videoverhandlung schließt also auch das Hybridformat ein. Über die „Gestattung“ der Videoverhandlung entscheidet der oder die Vorsitzende.
Die Übertragung muss in Bild und Ton an die Aufenthaltsorte der Verfahrensbeteiligten und in Echtzeit an die Gerichtsstelle erfolgen, von der aus der oder die Vorsitzende die Verhandlung leitet. Über den Schluss der mündlichen Verhandlung hinausgehend kann auf Antrag oder von Amts wegen auch die Teilnahme an der Urteilsverkündung per Bild- und Tonübertragung gestattet werden.
Die in der ZPO vorgesehene Möglichkeit, dass eines von mehreren Mitgliedern des Gerichts per Bild- oder Tonübertragung teilnimmt, ist ausgeschlossen. Damit wird die Präsenz der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter im Gerichtssaal sichergestellt. Die Anfechtbarkeit der Ermessensentscheidung ist anders als in der ZPO im ArbGG ausgeschlossen.
Hinweis für die Anwaltschaft zur Schriftsatzankündigung
Für die forensisch tätige Anwaltschaft sollte von besonderem Interesse sein, dass in § 46h ArbGG die digitale Schriftsatzkündigung nunmehr formwirksam zugelassen ist. Wegen des in § 123 BGB bestimmten Schriftformerfordernisses konnte seit Einführung der Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs die Kündigungserklärung nicht mehr wirksam für den zu Kündigenden in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz erfolgen, wenn sie über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) elektronisch an das Gericht weitergeleitet wurde.
Nach der Neuregelung kann nun eine empfangs- und schriftformbedürftige Willenserklärung auch dann als formwirksam zugegangen gelten, wenn sie in einem elektronischen Dokument enthalten ist, das bei Gericht eingereicht wurde. Voraussetzung ist jedoch, dass die Willenserklärung nicht im Schriftsatz der kündigenden Person „versteckt“ worden ist. Dies setzt voraus, dass die Kündigungserklärung klar, deutlich und übersichtlich zum Ausdruck gebracht wird.
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