Besteht ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Maßnahmen, die nicht aus der eigenen Dienststelle stammen?
Die arbeitsschutzrechtlich vorgeschriebenen Regelbegehungen an den Förderschulen und den Schulen für Kranke im Bezirk der Beteiligten erfolgen durch Mitarbeiter der C. Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH (C. GmbH). Auf der Grundlage eines Entwurfs der C. GmbH erstellt das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (MSB NRW) unter Mitbestimmung der Lehrkräfte-Hauptpersonalräte jährlich einen sog. Arbeitsplan betreffend die Betreuung der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen. Dieser Arbeitsplan bildet einen landesweiten Rahmen für die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung der Lehrkräfte.
Der Antragsteller, der bei der Beteiligten gebildete Personalrat für Lehrerinnen und Lehrer an Förderschulen und Schulen für Kranke, forderte bei der Beteiligten mit Schreiben vom Dezember 2017 die Mitbestimmung zu "den einzelnen Aspekten" des Arbeitsplans für das Jahr 2018 ein.
Mit Schreiben vom Januar 2018 lehnte die Beteiligte eine Mitbestimmung bei der Durchführung der Regelbegehungen ab. Der Antragsteller hat im Oktober 2018 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Er hat beantragt, festzustellen, dass die Festlegung und Organisation der Regelbegehungen an den Förderschulen und Schulen für Kranke bei der Beteiligten im Rahmen der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung gemäß DGUV Vorschrift 2 und den Ausführungen der landesweiten Arbeitsplanung zur Betreuung der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 S. 1 Nr. 7 des Landespersonalvertretungsgesetzes NRW (LPVG NRW) unterliegt.
Mit Beschluss vom März 2021 hat die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des VG den Antrag abgelehnt. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
OVG NRW entscheidet: Mitbestimmungsrecht nur bei Maßnahmen und eigenen Regelungen der jeweiligen Dienststelle
Das OVG Nordrhein-Westfalen hat in dieser Entscheidung zur Mitbestimmung eines Lehrkräfte-Personalrats hinsichtlich der Festlegung und Organisation von Regelbegehungen an Förderschulen in Nordrhein-Westfalen Stellung genommen.
Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die derzeit praktizierte Festlegung und Organisation der Regelbegehungen an den Förderschulen und Schulen für Kranke bei der Beteiligten im Rahmen der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung gemäß der Unfallverhütungsvorschrift "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" - DGUV Vorschrift 2 - und in Ausfüllung der landesweiten Arbeitsplanung zur Betreuung der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 S. 1 Nr. 7 LPVG NRW unterlägen.
Das vom Antragsteller geltend gemachte Mitbestimmungsrecht bestehe nicht, weil die Festlegung und die Organisation der Regelbegehungen an den genannten Schulen in der Form, in der sie derzeit erfolgten, keine Maßnahmen der Beteiligten seien.
Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats setze nämlich das Vorliegen einer Maßnahme voraus. Hierbei bestehe für den jeweiligen Personalrat nur dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um eine Maßnahme gerade derjenigen Dienststelle gehe, bei der er gebildet sei. Sei die Dienststelle nach außen hin nicht allein entscheidungsbefugt, so liege eine eigene Regelung nur dann vor, wenn die Dienststelle einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung habe.
Im konkreten Fall handele es sich bei der Auswahl der Schulen im Bezirk der Beteiligten für arbeitsschutzrechtliche Regelbegehungen und bei der Festlegung der Organisation dieser Begehungen nicht um Maßnahmen der Beteiligten i.S.d. LPVG NRW. Vielmehr treffe die zentrale Koordinationsstelle zwischen dem MSB NRW und der C. GmbH diese Entscheidungen.
Die Entscheidungen der Koordinationsstelle des MSB NRW und der C. GmbH zur Konkretisierung der Regelbegehungen seien der Beteiligten hier auch nicht als eigene Maßnahmen zurechenbar. Eine Maßnahme, die der Dienststellenleiter nicht selbst treffe, sei ihm personalvertretungsrechtlich dann zuzurechnen, wenn er einem Dezernat oder einer anderen organisatorisch nachgeordneten Stelle, die keine Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne sei, Befugnisse zur eigenständigen Bearbeitung und Entscheidung übertrage.
Das Mitentscheiden der C. GmbH in der Koordinationsstelle sei der Beteiligten hier auch nicht als ein geduldetes Handeln eigener Beschäftigter zurechenbar.
Der Umstand, dass die Beteiligte es unterlasse, die Schulen für die Regelbegehungen in ihrem Bezirk selbst auszuwählen und diese Begehungen zu organisieren, reiche ebenfalls nicht, um eine Maßnahme i.S.d. LPVG anzunehmen. Ein Unterlassen stelle nämlich grundsätzlich keine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar.
Solange es daher an einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne fehlt, gebe es keinen Anknüpfungspunkt für ein Beteiligungsrecht des Personalrats. Ein Untätigbleiben oder ein Unterlassen der Dienststelle könne nur dann der Mitbestimmung unterliegen, wenn das Gesetz die Versagung, Untersagung oder Ablehnung einer Maßnahme ausdrücklich für mitbestimmungspflichtig erkläre. Dies sei hier nicht der Fall.
Die Beschwerde habe daher im Ergebnis keinen Erfolg.
Praktische Bedeutung der Entscheidung des OVG NRW vom 25.10.2022 – 34 A 981/21.PVL –
Das OVG Nordrhein-Westfalen macht in dieser Entscheidung auch deutlich, dass als Maßnahme im Allgemeinen jede Handlung oder Entscheidung des Leiters der Dienststelle angesehen wird, mit der dieser in eigener Zuständigkeit eine Angelegenheit der Dienststelle regelt, sofern hierdurch der Rechtsstand der Beschäftigten oder eines einzelnen Beschäftigten berührt wird. Die Dienststelle muss nach Worten des OVG daher die Maßnahme als ihre eigene - also eigenverantwortlich - durchführen wollen. An einer eigenen Regelung der Dienststelle fehlt es somit, wenn sie rechtlich oder tatsächlich nur in Sachzusammenhänge einbezogen ist, ohne selbst handelnd in diese einzugreifen.
Nach Auffassung des OVG ist außerdem eine einer Dienststelle obliegende rechtliche Verpflichtung zum Handeln ohne Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob tatsächlich eine personalvertretungsrechtliche Maßnahme dieser Dienststelle anzunehmen ist.