BGH, Urt. vom 07.04.2022, Az.: I ZR 212/20: Teilweise Unwirksamkeit der AGB eines Paketdienstleisters
Die Klausel eines Paketdienstleisters gegenüber Verbrauchern „Weisungen, die nach Übergabe der Pakete vom Versender erteilt worden sind, müssen nicht befolgt werden.“ kann wirksam sein, wenn der Dienstleister Paketversendungen im Massengeschäft bei kurzer Beförderungsdauer zu niedrigen Preisen für jedermann besorgt.
Sachverhalt
Die Klägerin ist die in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragene Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. und ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein.
Die Beklagte ist ein Paket- und Expressdienstleister, der Paketversendungen besorgt. Sie verwendet für ihre geschäftliche Tätigkeit im Paketversand Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Die Klägerin hält einzelne Klauseln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im Rechtsverkehr mit Verbrauchern für unwirksam und forderte sie mit Schreiben Juni 2017 erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage hinsichtlich fünf der acht beanstandeten Beförderungsausschlüsse (Verbotsgüter) in einer Klausel abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen möchte die Klägerin eine vollständige Verurteilung der Beklagten nach ihren Klageanträgen, die Beklagte eine vollständige Abweisung der Klage erreichen.
Begründung
Mit dem vorliegenden Urteil vom 07.04.2022 - I ZR 212/10 - hat der BGH zur Wirksamkeit verschiedener Klauseln eines Paketdienstleisters gegenüber Verbrauchern Stellung genommen.
Der BGH hat entschieden, dass die Klausel „Weisungen, die nach Übergabe der Pakete vom Versender erteilt worden sind, müssen nicht befolgt werden. ...“ einer Inhaltskontrolle standhält, wenn der Dienstleister Paketversendungen im Massengeschäft bei kurzer Beförderungsdauer zu niedrigen Preisen für jedermann besorgt.
Pakettransporte für jedermann seien auf eine schnelle und kostengünstige Beförderung ausgelegt. Nicht der Ausschluss des nachträglichen Weisungsrechts des Absenders, sondern im Gegenteil die Prüfung von nachträglichen Weisungen würden diesen Vertragszweck gefährden.
Hingegen benachteilige die Klausel des Paketdienstleisters „Hat der Empfänger eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als zugestellt, wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt worden ist.“ den Verbraucher im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen. Denn diese Klausel verpflichte den Dienstleister nicht, den Empfänger über die erfolgte Abstellung zu informieren und damit in die Lage zu versetzen, die Sendung bald an sich zu nehmen.
Auch seien die von der Beklagten in ihren AGB vorgesehenen Beförderungsausschlüsse teilweise unwirksam. Regelungen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit denen ein Paketdienstleister gegenüber Verbrauchern
- verderbliche und temperaturempfindliche Güter,
- Güter, die zwar selbst nur einen geringen Wert besitzen, durch deren Verlust oder Beschädigung aber hohe Folgeschäden entstehen können (z. B. Datenträger mit sensiblen Informationen),
- Abfälle i. S. d. KrWG
von der Beförderung ausschließe, seien wegen fehlender Transparenz unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich seien.
Da der Verbraucher die Bedingungen während des Transports nicht kenne, sei für ihn unklar, welche Güter in diesem Sinne verderblich seien. Auch der Begriff der "temperaturempfindlichen" Güter sei unklar.
Es sei außerdem möglich, dass es für die Auslegung bei dem genannten "geringen Wert" und dem "hohen Folgeschaden" jeweils auf absolute Geldbeträge ankommen solle. Hierfür gebe die Klausel aber keine Anhaltspunkte. Weil solche Bezugsgrößen hier nicht angegeben seien, sei die Klausel unklar.
Zudem habe die Beklagte hier die Gesetzesabkürzung „KrWG“ verwendet, die für rechtlich nicht vorgebildete Verbraucher nicht verständlich sei. Auch daher sei die Klausel intransparent.
Praktische Bedeutung
Mit dem vorliegenden Urteil hat der BGH umfassend zur Wirksamkeit verschiedener Klauseln eines Paketdienstleisters gegenüber Verbrauchern Stellung genommen, die unter anderem bestimmte Beförderungsausschlüsse vorsehen.
Nach Auffassung des BGH benachteilige eine Klausel, die den Paketdienstleister dazu berechtigt, bei Verdacht von Verstößen gegen Beförderungsausschlüsse Pakete zu öffnen und damit in das Postgeheimnis einzugreifen, Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, wenn dies für einen geordneten Betriebsablauf oder für den Schutz anderer Rechtsgüter nicht erforderlich ist. Eine solche Klausel sei daher unwirksam.
Aus Sicht des BGH dürfe der Paketdienstleister auch nicht den Verbrauchern verschuldensunabhängig eine umfassende Pflicht zur Tragung von Schäden und Kosten auferlegen, die aus einer vertragswidrigen Beauftragung zur Beförderung von Verbotsgütern herrühren.
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