BGH zur Nichtigkeitsberufungsfrist
Im unlängst veröffentlichen Urteil X ZR 96/21 – interessanterweise keine Leitsatzentscheidung, obwohl von Bedeutung - hat sich der Bundesgerichtshof zum Fristenregime bei Nichtigkeitsberufungsklagen geäußert.
Hier hatte in einer Nichtigkeitsklage das Bundespatentgericht das Streitpatent im Rahmen des 2. Hilfsantrags beschränkt aufrecht erhalten, die Zustellung des Urteils erfolgte am 2. September 2021. Allerdings gab es im Urteil selbst einen offensichtlichen Schreibfehler, worauf der Vertreter der Klägerin das Bundespatentgericht um Klarstellung bat. Die Zustellung des korrigierten Urteils erfolgte am 27. September 2021, worauf die Nichtigkeitsberufung am 27. Oktober 2021 eingelegt wurde.
Dies hielt nun der Bundesgerichtshof für verfristet, tatsächlich habe die Nichtigkeitsberufungsfrist bereits am 2. September 2021 begonnen. Im Urteil habe es zwar tatsächlich Schreibfehler gegeben, die auf ein offensichtliches Versehen beruhen, aber am wesentlichen Inhalt des Urteils, nämlich dass das Patent im beschränkten Umfang aufrechterhalten worden sei (und wie dieser laute), ändere dies nichts, dies habe die Klägerin dem Urteil zweifelsfrei entnehmen können. Alle wesentlichen Informationen, die sie benötige, um zu entscheiden, ob Berufung eingelegt werden solle oder nicht, seien ihr somit bekannt gewesen, d.h. das Urteil habe zwar Schreibfehler enthalten, sei aber nicht unvollständig:
„Wie die Klägerin in ihrer Eingabe an das Patentgericht zu Recht geltend gemacht hat, lässt die am 2. September 2021 zugestellte Abschrift auf Seite 9 erkennen, dass der wiedergegebene Text von dem tatsächlich gewollten abweicht. Der im Tatbestand vollständig wiedergegebene Wortlaut der Patentansprüche 1 und 5 in der Fassung von Hilfsantrag 1 wird unterbrochen durch die Bezugnahme auf den Wortlaut der weiteren Ansprüche. Dies deutet auf ein offensichtliches Schreibversehen hin, nicht aber auf eine Unvollständigkeit.“ (Rn 20)
„Die Entscheidungsgründe lassen zweifelsfrei erkennen, dass das Patentgericht das Patent nur insoweit für nichtig erklärt hat, als es über den mit Hilfsantrag 2 verteidigten Gegenstand hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen hat, wie dies auch im Tenor formuliert ist. Der offensichtliche Schreibfehler bei der Wiedergabe der Hilfsanträge war für diese Beurteilung nicht relevant.“ (Rn 22)
Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheide aus (Anm: Es geht aus dem Urteil nicht hervor, ob eine solche beantragt wurde oder ob dies nur ergänzende Überlegungen sind). Zwar gäbe es Rechtsprechung, wonach eine zweite Zustellung des Urteils die erste ersetzt, aber nur dann, wenn das Gericht selbst mitteilt, die erste Zustellung wäre unwirksam oder gegenstandslos. Hier habe aber die Klägerin selbst eine zweite Zustellung in Gang gesetzt; das Gericht habe zwar um Rückgabe der ersten Fassung gegeben, sich jedoch nicht zu deren Wirksamkeit geäußert. Somit habe es keine Veranlassung für den Kläger gegeben, davon auszugehen, dass die Berufungsfrist erst mit der zweiten Zustellung begonnen habe.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass Parteien in Nichtigkeitsverfahren auf Nummer Sicher gehen und bei Situationen, wo Urteile des Bundespatentgerichts Schreibfehler oder andere Unrichtigkeiten aufweisen, lieber zunächst formal Berufung gemäß §110 PatG einlegen sollten, statt sich darauf zu verlassen, dass die Frist erst mit der zweiten Zustellung beginnt. Im Zweifel sollte die Berufungsbegründung dann gemäß §112 PatG später eingelegt werden, basierend auf der in der Zwischenzeit hoffentlich dann vorliegenden endgültigen Fassung des Urteils.
Alfred Keukenschrijver,
Patentnichtigkeitsverfahren
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