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Recht & Verwaltung04 Oktober, 2023

Einheitliches Patentgericht: Zweimalige Verweigerung der Akteneinsicht Dritter

Prof. Dr. Aloys Hüttermann, Patentanwalt, Honorarprofessor der Hochschule Niederrhein
In zwei nahezu gleichlautenden Anordnungen, einmal ORD_550152/2023 (bzgl. UPC_CFI_1/2023) sowie ORD_552745/2023 (bzgl. UPC_CFI_75/2023), hat der in beiden Fällen berichterstattende Richter Andras Kupecz einen Antrag auf Akteneinsicht Dritter verweigert.

Die Entscheidung

Der Antrag wurde im Verfahren UPC_CFI_1/2023 zunächst damit begründet, dass der Antragsteller für einen (ungenannten) Wettbewerber an dem Streitpatent und den vorgebrachten Nichtigkeitsgründen sowie den zugrundeliegenden zitierten Dokumenten interessiert sei; später wurde dies auf Eigeninteresse an der Rechtsbeständigkeit des Streitpatents eingeschränkt. Im Verfahren UPC_CFI_75/2023 wurde “Weiterbildung” („purposes of education and training”) als Begründung angegeben.

Zur Begründung

Richter Kupecz begründete seine Entscheidung damit, dass in der finalen Fassung der Verfahrensregeln die zunächst sehr breite Akteneinsicht bewusst eingeschränkt worden sei und nunmehr gemäß Regel 262.1 b) ein begründeter Antrag notwendig sei. Die vorgebrachten Gründe seien aber keine legitimen Gründe für eine Akteneinsicht (s. exemplarisch die ORD 550152/2023:

„The mere “wish” from a natural person to form “an opinion” on the validity of a patent out of a “personal and a professional interest” cannot be accepted as a sufficiently concrete, legitimate reason to make available all pleadings and evidence in this case. Apart from the lack of concrete and verifiable information in the reason stated by the Applicant, the Court fails to see why access to the written pleadings and evidence in this particular case would be useful, let alone necessary in order to fulfil a wish of forming an opinion on the validity of the patent. The Applicant

can study the patent and its (public) prosecution history as well as the prior art without access to what the parties to the proceedings have submitted. The fact that the Application concerns a revocation action concerning a European patent which, as argued by the Applicant, “confers rights on the patent proprietor(s) with erga omnes effect”, does not make this assessment different. The general public can likewise inform themselves based on other sources than the pleadings and evidence filed in this action”)

Auch wenn die Entscheidungen ausführlich begründet wurden, sind sie im Ergebnis bedenklich. Richter Kupecz hat Recht, dass das Recht auf ein öffentliches Verfahren, welches in Art. 45 EPGÜ ausdrücklich festgelegt ist und letztendlich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention herrührt, gegen Art. 58 EPGÜ, welcher den Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet, abgewogen werden muss.

Aus diesem Grund sieht aber die endgültige Fassung der Regel 262 ein zweistufiges Verfahren vor, bei der die Parteien vor einer Akteneinsicht geschwärzte Unterlagen vorlegen dürfen und dann ein zweiter Antrag zur Einsicht in die geschwärzten Unterlagen gestellt werden muss. (Zur Genese der Regel 262 sei auf die Kommentierung im in Bälde erscheinenden Kommentar „Luginbühl/Hüttermann, Einheitspatentsystem“ hingewiesen).

Somit darf die erste Hürde auf Akteneinsicht in eine Fassung, welche von den Parteien am Ende selbst festgelegt wird, nicht zu hoch angesetzt werden. Das Gericht irrt sich auch, wenn es ausführt:

„Apart from the lack of concrete and verifiable information in the reason stated by the Applicant, the Court fails to see why access to the written pleadings and evidence in this particular case would be useful, let alone necessary in order to fulfil a wish of forming an opinion on the validity of the patent”

Die Einsicht in die Begründung und Beweismittel kann sehr wohl für einen Dritten außerordentlich aufschlussreich sein, denn es sollte angenommen werden, dass bei einer Nichtigkeitsklage nicht einfach Dokumente und Argumente, die bereits in vorigen Verfahren, insbesondere vor dem Europäischen Patentamt, vorgebracht wurden, wiederholt werden, sondern dass neue Gesichtspunkte ins Spiel gebracht werden. Diese zu erfahren, bevor eine Endentscheidung ergeht, ist auf jeden Fall ein legitimes Anliegen.

Insbesondere was die Nichtigkeitsgründe und vorgebrachten Dokumente angeht, besteht in den meisten Fällen auch kein besonderes Geheimhaltungsinteresse der Parteien – im Gegenteil, nur öffentlicher Stand der Technik ist ja für die Rechtsbeständigkeit relevant und warum sollten dann nicht Dritte davon erfahren?

Fazit

Richtigerweise wurde in beiden Anordnungen Berufung zugelassen und es bleibt zu hoffen, dass das Berufungsgericht beide Anordnungen aufhebt und Akteneinsicht gewährt.

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